Ertragsteuerliche Behandlung von Genussrechtskapital

Die Finanzverwaltung hat sich mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechtskapital auseinandergesetzt und stellt ihre Rechtsauffassung zusammengefasst in einem BMF-Schreiben dar.

Kurzüberblick

In dem BMF-Schreiben werden folgende Themenblöcke erläutert:

  • Definition von Genussrechtskapital,
  • Abgrenzung zu anderen Kapitalüberlassungen,
  • Ausweis von Fremdkapital oder Eigenkapital in der Steuerbilanz,
  • Ansatz und Höhe einer Verbindlichkeit,
  • Einkommensermittlung für Zahlungen auf Genussrechtskapital,
  • Besonderheiten bei einem Debt-Mezzanine-Swap.

Nachfolgend wird der wesentliche Inhalt des BMF-Schreibens erläutert und zudem auf neue bzw. abweichende Rechtsauffassungen besonders hingewiesen.

Was ist Genussrechtskapital?

Es gibt keine gesetzliche Definition von Genussrechtskapital. Ertragsteuerlich sind darunter aus einer Kapitalüberlassung resultierende schuldrechtliche Gläubigerrechte zu verstehen, die dem Rechteinhaber Vermögensrechte verschaffen, welche sonst nur Gesellschaftern zustehen. Der Inhaber eines Genussrechts besitzt demnach einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Kapitalgesellschaft auf Rückzahlung des überlassenen Kapitals sowie i. d. R. auch einen Anspruch auf Verzinsung. Dies gilt selbst dann, wenn eine Genussrechtsvereinbarung nicht gekündigt werden kann oder die Rückzahlung erst im Zeitpunkt der Liquidation erfolgen soll.

Andererseits vermittelt eine Genussrechtsvereinbarung gerade keine gesellschaftsrechtlich geprägten mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte. So besteht kein Recht auf Einflussnahme auf die Geschäftsführung, kein Kontroll- oder Stimmrecht und auch kein Recht auf Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung. Steuerlich ist beteiligungsähnliches Genussrechtskapital wie auch obligationsähnliches Genussrechtskapital gleich zu behandeln.

Zwar besteht auch für eine Genussrechtsvereinbarung die zivilrechtliche Vertragsfreiheit, gleichwohl werden darin Regelungen zum Umfang der Vermögensrechte, zur Verlustbeteiligung, zu Laufzeit und Kündigungs-, Informations- und Kontrollrechten enthalten sein. Auch ein Rangrücktritt ist oftmals vereinbart. Hingegen ist die Verwendung des Begriffs "Genussrecht" allenfalls ein Indiz, ggf. kann auch eine andere Form der Unternehmensfinanzierung gegeben sein (siehe nachfolgend).

Liegt Genussrechtskapital oder eine andere Kapitalüberlassung vor?

Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob Genussrechtskapital vorliegt. In der Praxis ist insbesondere eine Abgrenzung zu anderen Formen einer Unternehmensfinanzierung relevant – dies sind:

a) Abgrenzung zu einer stillen Gesellschaft

Auch bei einer (typisch) stillen Gesellschaft (§ 230 HGB) wird dem Inhaber eines Handelsgeschäfts Kapital überlassen, wofür die stille Gesellschafter eine Beteiligung am Gewinn erhält, ohne jedoch an Substanz oder Liquidationserlös beteiligt zu sein. Der wesentliche Unterschied zu Genussrechtskapital besteht darin, dass im Rahmen einer stillen Gesellschaft ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird, sodass eine Gesellschaft i. S. von § 705 BGB gegeben ist. Dies kann indiziell daran erkannt werden, dass die Änderung des Unternehmensgegenstandes der Zustimmung des Kapitalgebers bedarf.

b) Abgrenzung zu einem partiarischen Darlehen

Die Besonderheit bei einem partiarischen Darlehen liegt darin, dass die Vergütung erfolgsabhängig ist, das zur Verfügung gestellte Kapital also nicht (oder nicht nur) in einem festen periodischen Betrag besteht. Es fehlt auch ein gemeinsamer Zweck. Wurde eine Verlustbeteiligung des Darlehensgebers vereinbart, spricht die als Indiz für das Vorliegen von Genussrechtskapital.

Ist Fremdkapital oder Eigenkapital auszuweisen?

Große Bedeutung in der Praxis hat die Frage, wie Genussrechtskapital in der Handels- bzw. Steuerbilanz auszuweisen ist.

Handelsbilanz

In der Handelsbilanz wird Genussrechtskapital nach IDW/HFA 1/94 als Eigenkapital ausgewiesen, wenn kumulativ

  • die Kapitalüberlassung gegenüber den anderen Gläubigern nachrangig ist,
  • die Vergütung der Kapitalüberlassung erfolgsabhängig erfolgt,
  • eine vollumfängliche Teilnahme des Kapitals am Verlust vereinbart wurde,
  • und die Überlassung des Kapitals langfristig erfolgt.

Dies gilt unabhängig davon, ob das Kapital durch einen Anteilseigner oder einen fremden Dritten überlassen wird.

Steuerbilanz

Steuerlich ist i d. R. der Punkt “Rückzahlungsverpflichtung“ entscheidend.

  • Ist das Kapital dauerhaft in das Vermögen der Kapitalgesellschaft übergegangen und keine Rückzahlung beabsichtigt, wird von einer Zuführung von Eigenkapital auszugehen sein.
  • Bei einer Kapitalüberlassung auf Zeit liegt bei einer zu erwartenden vertragskonformen Umsetzung Fremdkapital vor. Damit ist Genussrechtskapital regelmäßig als Fremdkapital zu qualifizieren.

Bei der Differenzierung spielt die Norm des § 8 Abs. 3 Satz 2, 2. Alternative KStG keine Rolle, denn diese ist keine Bilanzierungsvorschrift, sondern regelt die Einkommensermittlung und setzt bereits die Einordnung als Fremdkapital voraus.


Gleichwohl ist durch die handelsbilanzielle Einordnung als Eigenkapital eine Wertung als Kapitalüberlassung auf Zeit und damit als steuerrechtliches Fremdkapital nicht ausgeschlossen! Ebenso ist von Fremdkapital auszugehen, wenn die Kapitalgewährung in der Krise erfolgt; dies gilt auch bei Vermögenslosigkeit des Schuldners.

Nur wenn eine Rückzahlungsverpflichtung des in der Krise durch einen Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person gewährten Genussrechtskapitals aufgrund der vertraglichen Abreden im Ausnahmefall als nicht ernstlich vereinbart anzusehen ist, kann eine verdeckte Einlage und damit Eigenkapital gegeben sein.

Ebenso verhält es sich bei Genussrechtskapital mit Wandlungs- oder Optionsrecht, das von einem Anteilseigner oder einer ihm nahe stehenden Person zugeführt wird. Allerdings spricht allein ein Wandlungs- oder Optionsrecht nicht gegen Fremdkapital, ebenso wie die Rückzahlung des Genussrechtskapitals mittels Gesellschaftsanteilen. Vielmehr kommt es erst im Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungs- oder Optionsrechts zu einer steuerrechtlichen Umqualifizierung in Eigenkapital.

Wie hat der Ansatz einer Verbindlichkeit zu erfolgen?

Eine in der Bilanz anzusetzende Verbindlichkeit setzt eine dem Inhalt und der Höhe nach bereits bestimmte Leistungspflicht voraus, die erzwingbar ist und eine wirtschaftliche Belastung darstellt, auch wenn sie noch nicht fällig ist. Demnach hat eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich das Genussrechtskapital als Fremdkapital und damit in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit auszuweisen.

a) wirtschaftliche Belastung

Ohne gegenteilige Anhaltspunkte ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Genussrechtsinhaber von seinem Rückzahlungsanspruch Gebrauch machen wird. Nur im Einzelfall kann die Passivierung entfallen, wenn sie am Bilanzstichtag keine wirtschaftliche Belastung darstellt. Dies erfordert konkrete Umstände, anhand derer eine Geltendmachung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht (mehr) erfolgen wird. Dies ist im Einzelfall und anhand aller bekannten Umstände abzuwägen.

Eine wirtschaftliche Belastung ist auch in folgenden Fällen gegeben:

  • Es besteht eine Nachrangvereinbarung, kombiniert mit einer Verlustteilnahme.
  • Mangels ausreichendem Vermögen ist eine volle Tilgung nicht möglich.
  • Die Kapitalgewährung ist mit einer sehr langen Laufzeit verknüpft.

Sollte ausnahmsweise eine wirtschaftliche Belastung zu verneinen sein, hat diese keine Auswirkung auf die steuerrechtliche Wertung beim berechtigten Gläubiger; es gibt insoweit keine Korrespondenzsituation.

b) Passivierungsaufschub

Eine Genussrechtsverbindlichkeit, die erst aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen erfüllt werden muss, darf nach § 5 Abs. 2a EStG mangels aktueller wirtschaftlicher Belastung am Bilanzstichtag (noch) nicht in der Bilanz ausgewiesen werden. Auch für erst aus einem eventuellen Liquidationsüberschuss zu bedienenden Zahlungspflichten fehlt es an einer wirtschaftlichen Belastung.

Trotz fehlendem bilanziellen Ausweis besteht für solches Genusskapital eine Rückzahlungsverpflichtung, weshalb es nicht den Charakter einer Verbindlichkeit verliert.

c) Folgen des fehlenden Ansatzes einer Verbindlichkeit

Bei fehlender Passivierungsmöglichkeit ergibt sich buchhalterisch aus dem Zugang des Kapitals oder dem Wegfall der in der Steuerbilanz bisher als Verbindlichkeit angesetzten Rückzahlungsverpflichtung ein Ertrag – sog. Wegfallgewinn. Beruht dieser auf dem Gesellschaftsverhältnis, wird er durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen neutralisiert.

Lebt die Verbindlichkeit künftig wieder auf, ist der aus diesem Vorgang entstehende Aufwand zu neutralisieren, soweit die vorherige gewinnwirksame Ausbuchung des Genussrechts als Einlage zu beurteilen war.

Sofern jedoch gleiche Genussrechte auch an fremde Dritte ausgegeben werden, wird die fehlende wirtschaftliche Belastung in aller Regel nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein, sodass eine Neutralisation unterbleibt.

Einkommensermittlung bei Zahlungen auf Genussrechtskapital

Gezahlte Vergütungen auf als Fremdkapital zu wertendes Genussrechtskapital führen zu Betriebsausgaben; das gilt auch bei einem Passivierungsverbot. Zu beachten ist jedoch, dass Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, das Einkommen nicht mindern (§ 8 Abs. 3 Satz 2, 2. Alternative KStG).

Hierbei ist der Begriff “Beteiligung am Gewinn“ weit auszulegen. Er umfasst jegliche Teilnahme des Genussrechtsinhabers am wirtschaftlichen Erfolg, egal ob sich diese am Jahresüberschuss, Bilanzgewinn, ausschüttungsfähigen Gewinn, EBIT oder EBITDA orientiert oder nur mittelbar Dividendenausschüttungen herangezogen werden.

Keine Beteiligung am Gewinn liegt bei einer vom Ergebnis einer bestimmten Unternehmenssparte (tracking-stock) oder von einzelnen Wirtschaftsgütern abhängigen Vergütung vor, oder wenn diese von anderen Konzerngesellschaften erfolgt.

Eine Beteiligung am Liquidationserlös liegt vor, wenn anlässlich der Liquidation über die Rückzahlung des Genussrechtskapitals hinaus auch ein Recht auf eine zumindest teilweise Beteiligung an den stillen Reserven zu zahlen ist. Allein die Dauer der Kapitalüberlassung ist irrelevant.

Keine Beteiligung am Liquidationserlös ist jedoch gegeben, wenn das Genusskapital nur in nominaler Höhe zurückzuzahlen ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Genussrechtskapital durch eine Verlustbeteiligung gemindert worden ist. Hier liegt eine Beteiligung am Liquidationserlös auch vor, wenn das Genussrechtskapitals zumindest zum Nennwert zurückgezahlt wird. Denn durch die vorherige Verlustbeteiligung kann das Genussrechtskapital im Zeitpunkt der Liquidation gemindert sein, sodass bei Zahlung des Nennwerts zumindest teilweise die stillen Reserven mit einfließen.

Besonderheit: Debt-Mezzanine-Swap

Wird eine Darlehensforderung in ein Genussrecht umgewandelt, muss angesichts der geänderten schuldrechtlichen Vereinbarung der steuerbilanzielle Ausweis neu geprüft werden. Auch ist zu prüfen, ob die Kapitalgesellschaft durch das Genussrecht wirtschaftlich belastet ist. Es gelten hierzu jeweils die obigen Ausführungen:

  • Ist das Genusskapital als Fremdkapital mit wirtschaftlicher Belastung zu werten, ist ein erfolgsneutraler Passivtausch gegeben.
  • Sollte die Kapitalgesellschaft wirtschaftlich nicht belastet sein, kann zum Bilanzstichtag keine Verbindlichkeit angesetzt werden (Passivierungsverbot).
  • Bei einem Genussrecht, das mangels Rückzahlungsverpflichtung als Gewährung von Eigenkapital zu werten ist, erfolgt ebenfalls keine Passivierung. Der Wegfall der bisherigen Darlehensverbindlichkeit führt steuerbilanziell zu einem Ertrag. Nur wenn dieser Wegfallgewinn auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht, ist er durch eine Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung zu neutralisieren.

Anwendungsregelung

Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Ein früherer Nichtanwendungserlass (BMF, Schreiben v. 27.12.1995) wird aufgehoben. Hintergrund war damals das Urteil des BFH vom 19.1.1994, I R 67/92, worin der BFH für Genussrechte, welche nur das Recht auf Beteiligung am Gewinn, nicht aber am Liquidationserlös einräumten, die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als nicht anwendbar beurteilte. Auch für solche Fallkonstellationen gelten nunmehr die obigen Grundsätze.

BMF, Schreiben v. 11.4.2023, IV C 6 - S 2133/19/10004 :002

Schlagworte zum Thema:  Kapitalvermögen, Kapitalgesellschaft