Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Verjährung eines Grunderwerbsteueranspruchs

 

Leitsatz (NV)

War der Erwerb eines Grundstücks von der Besteuerung ausgenommen und entstand nachträglich die Steuerschuld, weil die begünstigte Zweckbestimmung aufgegeben worden war, und hatte dies der Erwerber dem FA nicht fristgerecht angezeigt, so begann die Frist für die Verjährung des Grunderwerbsteueranspruchs nicht vor Ablauf des Jahres, in dem das FA Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten hatte, spätestens jedoch nach Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden war.

 

Normenkette

GrEStG Bay § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG Bay § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b; GrEStG Bay § 16a S. 2; GrESWG Bay Art. 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Buchst. c; GrEStDV 1940 § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 3 Abs. 4 S. 1, § 4; EGAO 1977 Art. 97 § 10 Abs. 1 S. 2; AO § 165e Abs. 1, § 144

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte am 25. Februar 1970 ein 2 375 qm großes (bebautes) Grundstück in A für 160 000 DM gekauft. Für diesen Erwerbsvorgang hatte sie Befreiung von der Grunderwerbsteuer beantragt mit der Begründung, sie beabsichtige, das Gebäude abzureißen und binnen fünf Jahren nach dem rechtswirksamen Erwerb ein Gebäude mit steuerbegünstigten Wohnungen zu errichten. In ihrer dahingehenden ,,Verpflichtungserklärung" hatte sie angegeben, ihr sei bekannt, daß sie ,,jede Aufgabe oder Änderung der Bauabsicht, die zu einem Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen führt, binnen zwei Wochen dem Finanzamt anzuzeigen habe". Das Finanzamt (FA) hatte im Umfange von 2 196 qm die Steuerbefreiung für gegeben erachtet; hinsichtlich des Erwerbs der Restfläche (179 qm) hatte es durch vorläufigen Bescheid vom 21. Januar 1971 die Grunderwerbsteuer auf 844 DM festgesetzt. Die Steuer ist entrichtet.

In der Folgezeit stellte das FA fest, daß die Klägerin das Grundstück nicht zu dem beabsichtigten Zweck verwendet, sondern es am 11. Oktober 1972 gegen den Hälfteanteil an einem anderen Grundstück getauscht hatte. Es schloß daraus, daß die Klägerin den begünstigten Zweck aufgegeben habe und setzte - unter Hinweis auf die Nacherhebungsvorschrift des Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) - durch Bescheid vom 12. Oktober 1981 die Grunderwerbsteuer auf 11 200 DM fest, den Einspruch wies es zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin begehrt, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Beide Verwaltungsakte seien rechtswidrig. Der Steueranspruch sei verjährt. Entstanden sei er allerdings nicht schon mit Abschluß des Tauschvertrags vom 11. Oktober 1972; denn dieser Vertrag habe der besseren Gestaltung von Bauland gedient, so daß gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. c GrESWG eine Nacherhebung habe unterbleiben müssen. Entstanden sei der Steueranspruch erst dadurch, daß das Grundstück, an dem sie den halben Miteigentumsanteil erworben habe, am 10. Juni 1975 verkauft worden sei. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer am 12. Oktober 1981 sei aber nicht mehr zulässig gewesen, weil der Steueranspruch mit Ablauf des 31. Dezember 1980 durch Verjährung erloschen sei. Der Beginn der Festsetzungsfrist sei nicht etwa durch § 16 a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG BY) hinausgeschoben gewesen. Denn das FA habe durch Übersendung der notariellen Urkunde über den Kaufvertrag vom 10. Juni 1975 Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten. Einer zusätzlichen Anzeige durch sie, die Klägerin, habe es nicht bedurft. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juli 1982 II R 75/81 (BFHE 136, 509, BStBl II 1983, 82).

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Steuerbescheid sei rechtmäßig. Der Nacherhebungstatbestand sei ,,jedenfalls durch die Weiterveräußerung des eingetauschten Grundstücks am 10. Juni 1975 verwirklicht" worden. Die Frist für die Festsetzung des Steueranspruchs habe gemäß § 16 a Satz 2 GrEStG BY erst mit Ablauf des 31. Dezember 1980 begonnen, weil die Klägerin dem FA nicht angezeigt habe, daß durch den Verkauf des Grundstücks am 10. Juni 1975 der begünstigte Zweck aufgegeben worden sei. Keine Anzeige im Sinne des § 16 a Satz 2 GrEStG BY sei die Übersendung der Vertragsurkunde durch den Notar gewesen. Denn dadurch allein habe das FA noch keine Kenntnis von der Tatsache erhalten, ,,daß es sich dabei um Voraussetzungen für die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer aus dem ursprünglichen Erwerb vom 25. Februar 1970 handle".

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des Art. 4 Abs. 1 GrESWG, des § 144 der Reichsabgabenordnung (AO) i. V. m. Art. 97 § 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) und des § 16 a GrEStG BY. Sie beantragt, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. Oktober 1981 aufzuheben. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat den angefochtenen Bescheid zutreffend für rechtmäßig erachtet.

Der Kaufvertrag vom 25. Februar 1970 unterlag der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des damals in Bayern geltenden GrEStG). Die Entstehung des Steueranspruchs war zunächst hinausgeschoben, weil die Klägerin Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß Art. 1 Nr. 1 a des damals in Bayern geltenden GrESWG beantragt und eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben hatte (vgl. Art. 3 GrESWG, § 9 der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau - II. GrESWDB -). Die Steuer war nachzuerheben, spätestens als die Klägerin das Grundstück ,,zur besseren Gestaltung von Bauland" gegen den Hälfteanteil an einem anderen Grundstück getauscht hatte und dieses Grundstück aber nicht zu dem nach Art. 1 Nr. 1 a GrESWG begünstigten Zweck verwendet, sondern am 10. Juni 1975 verkauft worden war (Art. 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Buchst. c GrESWG, § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG BY).

Dieser nachträglich (am 10. Juni 1975) entstandene Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis war, als er durch Bescheid vom 12. Oktober 1981 festgesetzt wurde, noch nicht verjährt. Denn die Verjährung hatte nicht vor Ablauf des Jahres begonnen, in dem das FA Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten hatte, spätestens jedoch fünf Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden war. Dies war angeordnet durch § 16 a Satz 2 GrEStG BY in der seinerzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 16. Juli 1969 (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl BY - 1969, 170, 175), und zwar für Fälle, in denen von den Beteiligten eine für Zwecke der Grunderwerbsteuer vorgeschriebene Anzeige nicht oder nicht rechtzeitig eingegangen war. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer vorgeschrieben war eine Anzeige in § 3 Abs. 4 Satz 1 der seinerzeit geltenden Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung (GrEStDV): ,,War der Erwerb eines Grundstücks von der Besteuerung ausgenommen und entsteht nachträglich die Steuerschuld, weil das Grundstück nicht zu dem begünstigten Zweck verwendet wird oder weil die begünstigte Zweckbestimmung aufgegeben wird . . ., so hat der Erwerber dies binnen zwei Wochen anzuzeigen." Ähnlich hatte § 165 e Abs. 4 AO bestimmt: ,,Sind bei einem Erwerbsvorgang, der ganz oder teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit war, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung ganz oder teilweise weggefallen, so hat der Steuerpflichtige dies dem Finanzamt anzuzeigen. Die Anzeige ist binnen zwei Wochen seit dem Wegfall der Voraussetzungen zu erstatten." Eine Anzeige solchen Inhalts war - nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und sonach für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) - beim FA nicht eingegangen.

Eine Anzeige war nicht dadurch entbehrlich geworden, daß der den Kaufvertrag vom 10. Juni 1975 beurkundende Notar seine Anzeigepflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 4 GrEStDV) erfüllt hatte, ohne dabei auf den früheren, noch unbesteuerten Erwerbsvorgang vom 25. Februar 1970 zu verweisen. Denn das FA erlangte auf diese Weise keine Kenntnis von der Steuerpflicht dieses Erwerbsvorgangs. Es ist aber gerade der Sinn und Zweck der Anzeigepflicht, zu vermeiden, ,,daß das FA von sich aus jeden neuen Grunderwerbsteuervorgang auf Beziehungen zu vorangegangenen Überwachungsfällen untersuchen muß" (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1984 II R 151/83, BFHE 142, 169, 171, BStBl II 1985, 100).

Die Verletzung der Anzeigepflicht hatte zur Folge, daß die Frist für die Verjährung des Grunderwerbsteueranspruchs erst mit Ablauf des 31. Dezember 1980 begann (§ 16 a Satz 2 GrEStG BY). Sie hatte im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung (12. Oktober 1981) noch nicht geendet, da sie fünf Jahre betrug (Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 EGAO 1977, § 144 Abs. 1 Satz 1 AO).

Das von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Urteil des BFH vom 21. Juli 1982 II R 75/81 (BFHE 136, 509, BStBl II 1983, 82) führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Jenes Urteil ist ergangen zu Satz 1 des § 16 a GrEStG BY, nicht zu dem im vorliegenden Fall auszulegenden Satz 2 des § 16 a GrEStG BY.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414140

BFH/NV 1986, 237

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