Leitsatz (amtlich)

1. Zur beiderseitigen übereinstimmenden Falschbezeichnung bei der Beurkundung eines Vertrages mit Verpflichtungen zur Grundstücksübereignung.

2. § 16 a Satz 1 1. Alternative GrEStG (Bayern) ist einschränkend dahin auszulegen, daß die Verjährung schon mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Erwerbsvorgang dem zuständigen FA in einer Weise bekannt wird, daß es -- ggf. nach weiteren Ermittlungen -- prüfen kann, ob ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt oder nicht (Anschluß an Urteil vom 4. August 1976 II R 20/71, BFHE 119, 387, BStBl II 1977, 123).

2. Die vorzeitige Beendigung der Anlaufhemmung tritt jedoch insoweit nicht ein, als das FA aufgrund seiner Kenntnis nicht imstande ist, die Steuer in der richtigen Höhe festzusetzen.

 

Normenkette

GrEStG (Bayern) § 16a S. 1 1. Alternative

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

I.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 1971 vereinbarte der Kläger mit seiner damaligen Ehefrau im Hinblick auf die bevorstehende Scheidung der Ehe u. a., daß er ihr seinen Hälftemiteigentumsanteil an einem Wohngrundstück "schenke" und von ihr ihre Hälftemiteigentumsanteile an fünf näher bezeichneten Flurstücken eines Grundbesitzes in X "geschenkt" erhalte. Dieser Vorgang wurde dem beklagten Finanzamt (FA) durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift der notariellen Urkunde im Jahre 1971 bekannt. Das FA zog den Kläger zunächst nicht zur Grunderwerbsteuer heran.

In einem notariell beurkundeten Nachtrag vom ... 1977 erklärten sodann die Vertragsparteien, unter den dem Kläger "geschenkten" Flurstücken sei versehentlich ein weiteres Flurstück nicht aufgeführt worden, das nach dem nunmehr bestätigten übereinstimmenden Willen von Anfang in die Übertragung habe einbezogen sein sollen. Die Vorurkunde sei daher so zu lesen, als ob das weitere Flurstück von Anfang aufgeführt wäre.

Daraufhin zog das FA den Kläger, der nicht ins Grundbuch eingetragen worden war, aber die Flurstücke bereits veräußert hatte, wegen des gesamten Erwerbs im Jahre 1978 zur Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM heran, wobei das FA von einer geschätzten Gegenleistung in Höhe von ... DM (Wert des durch den Kläger übertragenen Anteils an dem Wohngrundstück) ausging. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung mit der Begründung ersatzlos auf, der Grunderwerbsteueranspruch sei beim Erlaß des Bescheides bereits verjährt gewesen.

Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 16 a des in Bayern geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und macht geltend, das FG-Urteil verstoße gegen Satz 1 der erwähnten Vorschrift, wonach in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG die Verjährung erst mit Ablauf des Jahres beginne, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden sei.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zum Teil begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat zwar insoweit, als der Kläger wegen des Erwerbs der Hälftemiteigentumsanteile an den fünf im Vertrag vom ... 1971 näher bezeichneten Flurstücken Grunderwerbsteuer schuldete, zu Recht entschieden, daß der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist; denn diese Grunderwerbsteuerforderungen waren zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides bereits verjährt. Dem FG kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß der Bescheid auch im übrigen infolge von Verjährung des Steueranspruchs rechtswidrig sei.

1. In dem Auseinandersetzungsvertrag vom ... 1971 sind nur fünf Flurstücke des Grundbesitzes in X aufgeführt, obwohl sich die Vertragsparteien darüber einig waren, daß die Ehefrau des Klägers ihren Hälftemiteigentumsanteil an dem sechsten zu diesem Grundbesitz gehörenden Flurstück übertragen sollte und wollte. Der Senat hat bisher im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) die Auffassung vertreten, daß auch ein der notariellen Beurkundung bedürftiger Vertrag nicht mit dem erklärten, sondern mit dem beiderseits gewollten Inhalt zustande kommt, wenn die Beteiligten bei voller Willensübereinstimmung versehentlich das Falsche erklärt haben (vgl. Entscheidung vom 12. November 1975 II R 116/75, BFHE 117, 403, BStBl II 1976, 168; vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., Vorbemerkung vor § 1 Tz. 17 b). Der BGH hat in jüngster Zeit jedoch Bedenken geäußert, ob im Bereich des § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bei unschädlicher Falschbezeichnung der wahre Parteiwille als verbindlich anerkannt werden könne (vgl. Urteil vom 23. März 1979 V ZR 24/77, BGHZ 74, 117). Sollten hieraus für die Wirksamkeit der Vermögensauseinandersetzung vom ... 1971 Folgerungen zu ziehen sein, so wäre die Grunderwerbsteuer wegen des Erwerbs von fünf Hälftemiteigentumsanteilen an den fünf Flurstücken jedenfalls aufgrund der Auflassung dieser Miteigentumsanteile entstanden (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), die ebenfalls in der Urkunde vom ... 1971 erklärt wurde. Der Steueranspruch ist jedoch insoweit mit Ablauf des 31. Dezember 1976 verjährt. Dies ergibt sich aufgrund der erforderlichen einschränkenden Auslegung des § 16 a Satz 1 GrEStG.

2. Nach § 16 a GrEStG beginnt die Verjährung der Ansprüche des Steuerberechtigten aus dem GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG mit Ablauf des Jahres, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist, und in den Fällen des § 1 Abs. 2 und 3 GrEStG mit Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist (Satz 1). Ist von den Beteiligten eine für Zwecke der Grunderwerbsteuer vorgeschriebene Anzeige nicht oder nicht rechtzeitig eingegangen, so beginnt die Verjährung nicht vor Ablauf des Jahres, in dem das FA Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten hat, spätestens jedoch fünf Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist (Satz 2). Nach Stellung und Wortlaut enthält Satz 2 eine über die Regelung des Satzes 1 hinausgehende Anlaufhemmung, die allerdings ihrerseits durch eine Ausnahme eingeschränkt ist (... spätestens jedoch ...). Satz 2 läßt sich mithin entgegen der Annahme des FG nicht als Grundlage für einen Umkehrschluß des Inhalts ansehen, daß die Anlaufhemmung aus Satz 1 eingeschränkt werde. Der Beginn der Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 1971 ergibt sich vielmehr aufgrund anderer Erwägungen zu § 16 a Satz 1 1. Alternative GrEStG.

Nach § 145 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist. Für die Grunderwerbsteuer enthält § 145 Abs. 3 Nr. 3 AO a. F. die Ausnahme, daß die Verjährung mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Erwerb des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen worden ist. Hierzu hat der Senat mit Urteil vom 4. August 1976 II R 20/71 (BFHE 119, 387, 388 f., BStBl II 1977, 123; vgl. auch Urteil vom 6. Mai 1981 II R 61/77, BFHE 133, 258, 259 f., BStBl II 1981, 688) entschieden, der Normzweck gebiete eine einschränkende Auslegung. Die Verjährung der Grunderwerbsteuer beginne schon mit Ablauf des Jahres, in dem der Erwerbsvorgang dem zuständigen FA in einer Weise bekanntgeworden sei, daß es -- gegebenenfalls nach weiteren Ermittlungen -- prüfen könne, ob ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vorliege oder nicht. Gleiche Überlegungen sind für die Anwendung des § 16 a Satz 1 1. Alternative GrEStG erforderlich. Auch diese Vorschrift geht insoweit über den auf angemessene Maßnahmen zur Vermeidung von Steuerausfällen gerichteten Normzweck hinaus, als sie der Finanzbehörde bekannte Erwerbsvorgänge erfaßt. Die sich daraus ergebende Regelungslücke muß deshalb durch eine dahin gehende Einschränkung geschlossen werden, daß die Verjährungsfrist schon vor der Eintragung des Eigentümers in das Grundbuch mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Erwerbsvorgang der zuständigen Finanzbehörde in einer Weise bekanntgeworden ist, die es ihr nach möglicherweise erforderlichen weiteren Ermittlungen erlaubt, den Erwerbsvorgang auf seine Grunderwerbsteuerpflicht zu prüfen.

Soweit es um den Erwerb der Hälftemiteigentumsanteile an den fünf Flurstücken geht, hat die Verjährung mit Ablauf des Jahres 1971 begonnen. Aufgrund der dem FA zugeleiteten Abschrift der notariellen Urkunde vom ... 1971 war es in der Lage, sich Gewißheit darüber zu verschaffen, daß wegen des Erwerbs der Hälftemiteigentumsanteile an den fünf Flurstücken durch den Kläger Grunderwerbsteueransprüche entstanden sind. Allerdings hätte das FA nicht erkennen können, daß Gegenleistung des Klägers und damit Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung nicht der volle Wert des Hälftemiteigentumsanteils an dem Wohngrundstück war, denn ein Teil dieses Wertes entfiel auf die sechste im Vertrag nicht genannte Parzelle des Grundbesitzes in X. Dieser Irrtum hätte aber nicht bewirkt, daß das FA nicht in der Lage gewesen wäre, die Steuer festzusetzen.

Bezüglich des sechsten Flurstückes des Grundbesitzes in X ist die Grunderwerbsteuer nicht verjährt. Denn das FA hat davon, daß der Hälftemiteigentumsanteil der Ehefrau des Klägers auch an dieser Parzelle zur Gegenleistung gehört, erst 1977 erfahren. Insoweit ist es für die Entscheidung der Verjährungsfrage ohne Bedeutung, ob dieses sechste Flurstück bereits durch den Auseinandersetzungsvertrag vom ... 1971 wirksam erfaßt wurde (vgl. oben 1.) oder ob erst der Nachtrag vom ... 1977 zu diesem Auseinandersetzungsvertrag die Übereignungspflicht begründet hat. Denn in beiden Fällen hätte, entweder aufgrund der Anlaufhemmung des § 16 a GrEStG oder weil der Steueranspruch erst im Jahre 1977 entstanden ist, die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres 1977 zu laufen begonnen.

3. Das FG hat somit zu Unrecht angenommen, sämtliche Grunderwerbsteueransprüche gegen den Kläger seien bereits verjährt gewesen, so daß der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei und sich auch nicht teilweise aufrechterhalten lasse. Das Urteil des FG war daher aufzuheben.

4. Die nicht spruchreife Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, welcher Teil des Wertes des vom Kläger übertragenen Hälftemiteigentumsanteils an dem Wohngrundstück als Gegenleistung für den Erwerb des Hälftemiteigentumsanteils an dem weiteren Flurstück anzusehen ist, so daß der Senat nicht imstande ist zu entscheiden, in welchem Umfang der angefochtene Bescheid als rechtswidrig aufzuheben ist und inwieweit er als rechtmäßig bestehenbleiben kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74481

BStBl II 1983, 82

BFHE 1983, 509

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