Leitsatz (amtlich)

Grundpfandgläubiger im Sinne von § 9 Abs. 5 und 1 GrEStG ist auch ein Grundschuldgläubiger, der die Grundschuld treuhänderisch erworben hat. Erwirbt er in der Zwangsversteigerung das mit der Grundschuld belastete Grundstück zur Rettung der Grundschuld im eigenen Namen, aber treuhänderisch für den Treugeber der Grundschuld, ist der Erwerb gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG begünstigt, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Normenkette

GrEStG § 9 Abs. 1, 4-5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Meistbietende in dem Verfahren der Zwangsversteigerung eines im Erbbaugrundbuch eingetragenen Erbbaurechts geblieben, und zwar unter Bestehenbleiben vorrangiger Rechte. Zwei Grundschulden im Nennbetrag von je 250 000 DM, die die Klägerin vor Anordnung der Zwangsversteigerung erworben hatte, waren im geringsten Gebot nicht enthalten gewesen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hatte den Erwerb mit Verfügung vom 27. August 1957 von der Grunderwerbsteuer freigestellt und die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt.

Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1959 übertrug die Klägerin das im Zwangsversteigerungsverfahren erworbene Erbbaurecht an die L (im folgenden L A). Aus dem Vorwort zu diesem Vertrag entnahm das FA, daß die Klägerin die beiden Grundschulden treuhänderisch für die L A erworben hatte, kündigte mit Schreiben vom 19. November 1959 die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer an, weil die Klägerin nicht Grundpfandgläubigerin im Sinne des § 9 GrEStG 1940 gewesen sei, und bezifferte die zu erwartende Grunderwerbsteuer im Schreiben vom 29. April 1960. Am 10. Mai 1961 teilte das FA mit, von einer Nacherhebung der Grunderwerbsteuer werde (auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 1961 und der Schriftsätze vom 26. Oktober 1960, 25. und 29. März 1961) Abstand genommen.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 1962 - gestützt auf § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO erhob das FA von der Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 127 307,15 DM (Bemessungsgrundlage 1 818 674,78 DM). Die Klägerin erhob Einspruch und berief sich darauf, das FA habe im Einverständnis mit der OFD von der Besteuerung abgesehen.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO liegen nicht vor, denn der aufgedeckte vermeintliche Fehler - nämlich, die Vergünstigung gemäß § 9 GrEStG könne von einem Treuhänder nicht in Anspruch genommen werden - besteht nicht.

Erwirbt ein Grundpfandgläubiger in der Zwangsversteigerung zur Rettung seines Rechts das mit dem Pfandrecht belastete Grundstück, so wird die Steuer nicht erhoben, wenn die weiteren in § 9 GrEStG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. In § 9 GrEStG hat der Gesetzgeber an die bürgerlich-rechtliche Begriffsbildung angeknüpft. § 9 Abs. 4 GrEStG bestimmt, daß Grundschulden - um deren Rettung es hier geht - Grundpfandrechte sind. § 9 Abs. 5 GrEStG gibt eine Legaldefinition des Begriffs Grundpfandgläubiger (vgl. auch Urteil des BFH vom 30. Oktober 1974 II R 13/68, BFHE 114, 286, 288, BStBl II 1975, 248). Die Klägerin war, wovon auch das FA ausgeht, Grundschuldgläubigerin. Sie hat auch in der Zwangsversteigerung zur Rettung ihrer Rechte das mit den Pfandrechten belastete Grundstück erworben; denn sie hat treuhänderisch für die L A, der diese Rechte wirtschaftlich zustanden, erworben.

Das FA meint, die Vorschrift käme der Klägerin nicht zugute, weil sie Treuhänderin gewesen sei und deshalb das weitere - ungeschriebene - Merkmal, beim Rettungserwerb müßten eigene Belange wahrgenommen werden, nicht erfüllt sei. Diese Auffassung ist unzutreffend.

Beim Treuhandverhältnis ist der Treuhänder im Außenverhältnis Eigentümer des Treugutes. Er ist zwar im Innenverhältnis verpflichtet, die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum nicht für eigene Rechnung, sondern für Rechnung des Treugebers auszuüben; das ändert aber nichts daran, daß er bürgerlich-rechtlich allein der Eigentümer des Treugutes ist. Dem Treuhänder sind nach außen mit anderen Worten mehr Rechte übertragen worden, als ihm im Verhältnis zum Treugeber wirtschaftlich zustehen sollen.

Demzufolge wird der Treuhänder beim Grundstückserwerb und bei der Grundstücksveräußerung entsprechend seiner bürgerlich-rechtlichen Stellung der Besteuerung durch die Grunderwerbsteuer unterworfen, und zwar gleichgültig, ob das Grundstück vom Treugeber oder von einem Dritten erworben bzw. auf den Treugeber oder auf einen Dritten übertragen wird.

Außer Betracht bleiben kann, daß beim Treugeber jeweils der Erwerb oder der Verlust von auf dem Innenverhältnis beruhender wirtschaftlicher Verfügungsmacht ebenfalls grunderwerbsteuerbar sein kann (vgl. § 1 Abs. 2 GrEStG).

Bei der Frage, ob ein Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt, werden also die Fälle mit und ohne Beteiligung eines Treuhänders nicht voneinander unterschieden.

Der Rettungserwerb des Grundpfandrechtsinhabers ist grunderwerbsteuerbar, aber unter den sonstigen Voraussetzungen des § 9 GrEStG begünstigt. Der Rettungserwerb des Treuhänders verwirklicht - nicht anders als bei einem anderen Erwerb - sowohl beim Treuhänder wie beim Treugeber je einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 und § 1 Abs. 2 GrEStG). Es ist von daher nicht ersichtlich, warum dem Treuhänder die Begünstigung verweigert werden sollte. Der Treuhänder ist sowohl Inhaber des Grundpfandrechts wie auch Meistbietender, so daß in seiner Person die Voraussetzungen der Vorschriften des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG und § 9 GrEStG einander entsprechen.

Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten ebenfalls nicht von vornherein, den Treuhänder von der Begünstigung auszuschließen, mit der Folge, daß bei Treuhandverhältnissen ein Rettungserwerb etwa nur möglich wäre, wenn das Treuhandverhältnis durch Übertragung der Rechtsstellung des Treuhänders auf den Treugeber aufgelöst würde.

Es ist dem FA darin zuzustimmen, daß das Treuhandverhältnis auch bürgerlich-rechtlich Besonderheiten aufweist. Auf diese kommt es indes nicht an, denn sie berühren nicht den Grundgedanken des § 9 GrEStG, den Grundstückserwerb zum Zwecke der Rettung des Grundpfandrechts durch Steuerbefreiung zu erleichtern. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der treuhänderische Grundpfandgläubiger das Grundstück nicht für den Treugeber, sondern für sich ersteigert. Der Erwerb dient in diesem Fall nicht der Rettung des Grundpfandrechts. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor.

Die Berufung des FA auf die Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 (RStBl 1940, 387 ff., dort S. 404) und das Urteil des RFH vom 18. Dezember 1942 II 93/41, (RFHE 52, 294) vermag auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten, die dem Treuhandverhältnis bürgerlichrechtlich eigen sind, eine abweichende Auslegung nicht zu rechtfertigen.

In der Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 heißt es zwar, die Steuervergünstigung des § 9 GrEStG sei nur anwendbar, "wenn der Grundpfandgläubiger durch den Grundstückserwerb seine eigenen Belange zu wahren unternimmt. Demnach wird dem Treuhänder, der ein Grundstück zur Rettung des ihm zu treuen Händen übertragenen Grundpfandrechts erwirbt, eine Steuervergünstigung nicht gewährt" (RStBl 1940, 404).

Die Gesetzesverfasser mögen von der Vorstellung ausgegangen sein, die Vorausetzungen des Rettungserwerbs in diesem Sinne formuliert zu haben, und der Gesetzgeber mag Gründe gesehen haben, den Fall des Treuhandverhältnisses wegen des Auseinanderfallens von bürgerlich-rechtlicher Rechtsstellung und wirtschaftlicher Verfügungsmacht von der Begünstigung des Rettungserwerbs auszunehmen. Solche Vorstellungen und solche Überlegungen haben aber im Gesetzeswortlaut keinen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden (vgl. Beschluß des BVerFG vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59, 11/60 -, BVerfGE 11, 126 dort S. 129/131), so daß die Rechtsprechung des RFH im Urteil vom 18. Dezember 1942 nicht fortgeführt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71725

BStBl II 1976, 158

BFHE 1976, 267

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