Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Fortschreibung eines nach den Vorschriften des Abschnittes I des Fortschreibungsgesetzes festgestellten Einheitswertes kann nicht allein deswegen vorgenommen werden, weil dieser Wert hinter dem nach § 52 Abs. 2 BewG errechneten Mindestwerte zurückbleibt.

Die Fortschreibung eines nach den Vorschriften des Fortschreibungsgesetzes zum 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswertes auf einen späteren Zeitpunkt und in Verbindung damit die Anwendung der Vorschriften über die Mindestbewertung ist aber dann zulässig und notwendig, wenn infolge tatsächlicher Veränderungen im baulichen Zustande, im Umfange der Bebauung oder in der Art des Grundstückes Wertänderungen eingetreten sind, durch die die Grenzen für eine Wertfortschreibung ohnehin erreicht oder überschritten werden.

 

Normenkette

BewG §§ 22, 52 Abs. 2, § 77

 

Tatbestand

Streitig ist in erster Linie, ob als Einheitswert eines kriegszerstörten Grundstückes, dessen Einheitswert zum 21. Juni 1948 nach den Vorschriften des Abschn. I des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) vom 10. März 1949 fortgeschrieben worden war, bei einer späteren Fortschreibung auf eine Zeitpunkt nach dem 21. Juni 1948 der Mindestwert gemäß § 52 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) angesetzt werden kann oder nicht.

Die Bfin. ist als Vorerbin ihres verstorbenen Ehemannes Eigentümerin eines Grundstückes, dessen Einheitswert zum 1. Januar 1935 nach dem 5,9 fachen Betrage der Jahresrohmiete auf 104.200 RM festgestellt worden war. Wegen Kriegsschäden hat eine Fortschreibung dieses Einheitswertes zum 21. Juni 1948 nach den Vorschriften des Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes vom 10. März 1949 stattgefunden. Unter Berücksichtigung eines Schadensgrades von 33 v. H. ergab sich für den Währungsstichtag eine Ermäßigung des Einheitswertes auf den Betrag von 74.600 DM. Darin war der Bodenwertanteil mit 42 v. H. des früheren Einheitswertes, das heißt mit 43.764 DM, abzüglich eines 20 - prozentigen Abschlages für Unverwertbarkeit, Trümmerbelastung und Bauverbot in Höhe von 8.753 DM enthalten, so daß der Bodenwertanteil mit 35.011 DM, der Gebäudewertanteil entsprechend der Schadensquote mit 39.596 DM in Ansatz gebracht wurde.

Wegen änderung der Nutzfläche infolge teilweiser Wiederherstellung des beschädigten Gebäudes nach dem 21. Juni 1948, die zu einer - zunächst angenommenen - Erhöhung der Jahresrohmiete um 1.877 DM führte, nahm das Finanzamt eine abermalige Wertfortschreibung zum 1. Januar 1951 vor und stellte den Einheitswert nunmehr auf 82.700 DM fest. Dieser Feststellung lag folgende Berechnung zugrunde:

Einheitswert 21. Juni 1948 --------------- 74.600 DM Bewertung der zusätzlichen Jahresrohmiete von 1.877 DM mit einem Vervielfältiger von 8,2 ---------------------------------- 15.391 DM zusammen --------------------------------- 89.991 DM Ermäßigung wegen noch vorhandener Schäden um 8 v. H. ------------------------ 7.199 DM ergibt einen nach § 25 BewG abgerundeten Wert von --------------------------------- 82.700 DM.In dem Einspruchsverfahren, in dem der damals noch lebende Ehemann der Bfin. eine Herabsetzung des Einheitswertes auf 64.800 DM angestrebt hatte, ließ das Finanzamt die vorstehende Berechnung fallen, erhöhte aber den Einheitswert nach dem Stande vom 1. Januar 1951 auf 104.000 DM, indem es die Vorschrift des § 52 Abs. 2 BewG zur Anwendung und als Einheitswert den nach einem Quadratmeterpreise von 260 DM berechneten Bodenwert in Ansatz brachte.

Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es ist von der Erwägung ausgegangen, daß das Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 in seiner Anwendung auf den Fortschreibungszeitpunkt vom 21. Juni 1948 beschränkt sei, und daß sich daher die Fortschreibung der Grundstückseinheitswerte für alle nachfolgenden Stichtage bis zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkte ausschließlich nach den Vorschriften des BewG regle, so daß auch § 52 Abs. 2 BewG anzuwenden sei. Diese Vorschrift sei zwingendes Recht. Von ihrer Anwendung könne und dürfe deshalb grundsätzlich nicht abgesehen werden, wobei nicht verkannt werde, daß die Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG für den 21. Juni 1948 durch die Vorschriften des Fortschreibungsgesetzes vom 10. März 1949 (Abschn. I) ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Da aber das Fortschreibungsgesetz nur für Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten auf den 21. Juni 1948 gelte, müsse bei der Fortschreibung von Einheitswerten auf alle nachfolgenden Zeitpunkte die Mindestvorschrift des § 52 Abs. 2 BewG uneingeschränkt beachtet werden.

Mit der Rb. wendet sich die Bfin. gegen diese Auffassung; sie ist der Meinung, der auch vom Finanzgericht angeführten Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 102/53 U vom 25. September 1953 (BStBl 1953 III S. 369, Slg. Bd. 58 S. 203) sei nicht zu entnehmen, daß bei vollständiger oder teilweiser Wiederherstellung eines kriegsbeschädigten oder kriegszerstörten Grundstückes nach dem Währungsstichtage der Einheitswert unter allen Umständen und ausschließlich nach den Vorschriften des BewG fortgeschrieben werden müsse. Im übrigen beständen gegen einen solchen Grundsatz erhebliche Bedenken, die in der Leitsatzkartei von Wetter (Leitsatzkartei Bewertung III 2 b Fortschreibungsgesetz: Allgemeines unter (1)) bereits angemeldet worden seien. Diese Bedenken fänden ihre Rechtfertigung in dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz und in dem Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit. Es dürfe deshalb nicht nach den allgemeinen Grundregeln des BewG bei der Reparatur kriegsbeschädigten Grundbesitzes verfahren werden, soweit diese nicht zu einer Wiederherstellung des beschädigten Gebäudes geführt habe. Die Verbesserung des Grundbesitzes durch Reparaturen könne sich insoweit nur im Rahmen des Fortschreibungsgesetzes auswirken.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen sowie der Einspruchsentscheidung.

Den Ausführungen des Finanzgerichts ist darin beizupflichten, daß die Bestimmungen des Fortschreibungsgesetzes nach ihrem Wortlaute nur für die Einheitswertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 Geltung haben. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen hat der Senat die Anwendung der Vorschriften des Fortschreibungsgesetzes, insbesondere des Abschn. I, auch bei der Wertfortschreibung von Einheitswerten auf spätere Zeitpunkte (nach dem 21. Juni 1948) zugelassen (vgl. das angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs III 102/53 U vom 25. September 1953, a. a. O.).

Im Streitfalle geht es darum, ob eine rechtskräftige Einheitswertfeststellung zum 21. Juni 1948 auf Grund der Vorschriften des Fortschreibungsgesetzes (Abschn. I) für einen späteren Stichtag allein deswegen fortgeschrieben werden kann, weil der Mindestwert des Grund und Bodens höher ist als der auf den 21. Juni 1948 festgestellte Einheitswert des Grundstückes. Eine Mindestbewertung ist im Rahmen der Vorschriften des Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes nicht vorgesehen. Die in Abschn. I dieses Gesetzes enthaltenen Regelung, nach der die Fortschreibungswerte aus den zuletzt festgestellten Einheitswerten in der Weise abgeleitet werden, daß ein dem Ausmaße der früheren Zerstörung und Beschädigung entsprechender Anteil des früheren Einheitswertes als fortgeschriebener Wert angesetzt werden muß, hat vielmehr im allgemeinen zur Folge, daß auch in den Fällen, in denen vor der Zerstörung oder Beschädigung des Grundstückes Mindestbewertung stattgefunden hat, eine nochmalige Minderung des zuletzt festgestellten Wertes entsprechend dem Zerstörungsgrad durchzuführen ist. Nur in den seltenen Fällen, in denen das aufstehende Gebäude schon seinerzeit wertlos oder abbruchreif war, könnte dann eine übereinstimmung des nach Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes zu ermittelnden Wertes mit dem Mindestwerte in Betracht kommen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 17/53 S vom 14. Mai 1954, BStBl 1954 III S. 211, Slg. Bd. 59 S. 5). Dies hat auch das Finanzgericht erkannt.

Wenn dennoch das Finanzgericht im Streitfalle die Fortschreibung des Einheitswertes zum 1. Januar 1951 allein im Hinblick auf die Anwendung der Mindestbewertungsvorschriften für gerechtfertigt angesehen hat, so ist dies rechtlich nicht haltbar; denn es sind in diesem Falle die Voraussetzungen einer Wertfortschreibung nicht gegeben. Auch fehlt es an einem "Fehler" für eine Fortschreibung zum Zwecke der Fehlerberichtigung. Außerdem würde der Standpunkt des Finanzgerichts dazu führen, daß in den Fällen, in denen die Anwendung der Bewertungsvorschriften des Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes zu Wertfeststellungen unter dem Mindestwert des § 52 Abs. 2 BewG geführt hat, eine Fortschreibung zum 1. Januar 1949 oder später vorzunehmen wäre, auch wenn in der Zwischenzeit keine änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Grundstückes eingetreten war. Da die nach Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes festgestellten Einheitswerte in gewissem Umfange auch für die Veranlagung der Grundsteuer und der Vermögensteuer verbindliche Werte darstellen, erscheint es nicht angängig, derartige erneute Fortschreibungen der zum 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswerte ohne änderung der tatsächlichen Verhältnisse bei kriegszerstörten Grundstücken zuzulassen , weil dies bei der Vielzahl der unter dem Mindestwerte bewerteten kriegszerstörten Grundstücke, insbesondere beim städtischen Grundbesitz, einer gesetzlich nicht vorgesehenen allgemeinen Wertfortschreibung des kriegsbeschädigten oder kriegszerstörten Grundbesitzes nahezu gleichkäme. Um der wahren Bedeutung des Fortschreibungsgesetzes in angemessener Weise Rechnung zu tragen, werden vielmehr die zum 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswerte des kriegszerstörten oder kriegsbeschädigten Grundbesitzes solange beibehalten werden müssen, bis im Einzelfalle tatsächliche Veränderungen im baulichen Zustande, im Umfange der Bebauung oder in der Art des Grundstückes zu einer Wertabweichung geführt haben, die unter Beachtung der allgemeinen Fortschreibungsgrenzen ohnehin berechtigten Anlaß zu einer Wertfortschreibung bietet.

Kommt es zu einer Wertfortschreibung auf einen Stichtag nach dem 21. Juni 1948 wegen einer tatsächlichen Abweichung oder zum Zwecke einer Fehlerberichtigung, dann wäre es allerdings ein Verstoß gegen § 52 Abs. 2 BewG, ihn nicht anzuwenden, wenn im Einzelfalle seine Voraussetzungen erfüllt sind. Die Mindestbewertungsvorschrift des § 52 Abs. 2 BewG ist zwingender Natur. Sie scheidet lediglich für Fortschreibungen auf Grund des Fortschreibungsgesetzes vom 10. März 1949 aus; denn dieses Gesetz war vor allem darauf abgestellt, angemessene Besteuerungsgrundlagen für die einmaligen hohen Lastenausgleichsabgaben unter besonderer Berücksichtigung der Kriegsschäden zu schaffen. Dieser Gesichtspunkt entfällt grundsätzlich bei Wertfortschreibungen auf einen späteren Stichtag.

Das Finanzamt war auch bei der Durchführung der Fortschreibung zunächst davon ausgegangen, daß nach dem Währungsstichtage bauliche Veränderungen in einem Ausmaße vorgenommen worden seien, die zu einer für die Wertfortschreibung ausreichenden Werterhöhung geführt hätten. Es ist aber, nachdem der Ehemann der Bfin. im Einspruchsverfahren bestritten hatte, daß nennenswerte und eine Fortschreibung rechtfertigende bauliche Veränderungen nach dem 21. Juni 1948 stattgefunden hätten, in seiner Einspruchsentscheidung nicht mehr darauf zurückgekommen, sondern hat seine Entscheidung allein mit der Anwendung der Mindestwertvorschrift (ß 52 Abs. 2 BewG) begründet. Ebensowenig ist das Finanzgericht auf die Frage, in welchem Umfange bauliche Veränderungen nach dem Währungsstichtage eingetreten waren, näher eingegangen.

Da jedoch nach den vorstehenden Ausführungen allein auf die Anwendung der Vorschriften über die Mindestbewertung eine Wertfortschreibung des nach den Vorschriften des Fortschreibungsgesetzes auf den 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswertes zum 1. Januar 1951 nicht gestützt werden kann, unterliegen die angefochtene wie die Einspruchsentscheidung der Aufhebung. Die Sache geht zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Finanzamt zurück, das insbesondere festzustellen haben wird, ob die seit dem 21. Juni 1948 durchgeführten änderungen im baulichen Zustande zu einer die Fortschreibungsgrenzen übersteigenden Werterhöhung geführt haben. Nur wenn das zu bejahen ist, kann eine Mindestbewertung nach § 52 Abs. 2 BewG in Betracht kommen. Dabei wird zu beachten sein, daß das Grundstück der Bfin. eine wirtschaftliche Einheit bildet, und daß es deshalb nach einheitlichen Gesichtspunkten - entweder als Altbau oder als Neubau - bewertet werden muß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409756

BStBl III 1960, 440

BFHE 1961, 510

BFHE 71, 510

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