Leitsatz (amtlich)

Das Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 gilt grundsätzlich nur für die Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948. Die Vorschriften des Abschn. I dieses Gesetzes können jedoch bei einer Wertfortschreibung des Einheitswerts auf einen späteren Zeitpunkt dann entsprechend angewandt werden, wenn bei einem kriegsbeschädigten Grundbesitz ein weiterer Sachschaden auftritt, der eine unmittelbare Folge des erlittenen Kriegssachschadens ist.

 

Normenkette

FortschrG Abschn. 1; FortschrG Abs. 2; FortschrG § 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1951 für das Grundstück Y-straße 9 in M. Zum 1. Januar 1935 war das Grundstück als Mietwohngrundstück nach einer Jahresrohmiete von 2.224 RM bewertet und der Einheitswert auf 10.600 RM festgestellt worden. Im Kriege wurde das Gebäude des Grundstücks teilweise zerstört. Bei der Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 ergab sich für die noch benutzbaren Wohnungen eine Jahresrohmiete von 754 DM und ein Einheitswert von 3.800 DM. Auf Verlangen der Baupolizei wurden die Gebäudereste im August 1950 abgebrochen.

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat im Juli 1950 das Grundstück durch Kauf um 20.500 DM erworben. Nach dem Abbruch der Gebäudereste beantragte sie, den Einheitswert zum 1. Januar 1951 auf den Wertanteil fortzuschreiben, mit dem der Grund und Boden in dem ursprünglichen Einheitswert von 10.600 RM enthalten war. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und stellte in einer Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1951 fest, daß nunmehr ein unbebautes Grundstück vorliegt und der Einheitswert 15.400 DM (gemeiner Wert) beträgt.

Demgegenüber ist die Bfin. der Auffassung, daß das Grundstück zum 1. Januar 1951 keinesfalls als unbebautes Grundstück mit dem gemeinen Wert bewertet werden dürfe. Neben dem eigentlichen Kriegssachschaden liege ein weiterer Sachschaden am Grundstück (Abbruch der Gebäudereste) vor, der erst nach dem Währungsstichtag als unmittelbare Folge des Kriegssachschadens entstanden sei. Dieser sogenannte sekundäre Kriegsschaden dürfe keine Erhöhung des Einheitswerts auslösen, sondern müsse zu einer Ermäßigung des Einheitswerts führen. Andernfalls sei die Möglichkeit der Herabsetzung der Hypothekengewinnabgabe nach § 103 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) wegen des sekundären Kriegsschadens verbaut. Das liege aber nicht im Sinne der genannten Vorschrift. Ein Mietwohngrundstück, dessen Gebäude durch Kriegseinwirkung unmittelbar total zerstört worden sei, sei nach § 2 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes kein unbebautes Grundstück, sondern bleibe Mietwohngrundstück, das nur mit dem im Einheitswert enthaltenen Bodenwertanteil anzusetzen sei. Das gleiche müsse für ein Mietwohngrundstück gelten, bei dem sich die Zerstörung des Gebäudes in zwei zeitlich auseinanderfallenden Vorgängen vollzogen habe. Zwar gelte das Fortschreibungsgesetz seinem Wortlaut nach nur für die Fortschreibung von Einheitswerten auf den 21. Juni 1948. Dieses Gesetz müsse aber auf die sekundären Kriegsschäden sinngemäß angewendet werden.

Einspruch und Berufung der Bfin. blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanzen sind der Auffassung, daß das Fortschreibungsgesetz nur für die Fortschreibung von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948, nicht dagegen für die Fortschreibung auf spätere Stichtage gilt; sie halten auch eine sinngemäße Anwendung des Fortschreibungsgesetzes auf spätere Stichtage nicht für möglich. Im übrigen ist das Finanzgericht auch der Meinung, daß der Abbruch der Gebäudereste gar kein Kriegsschaden im Sinne des § 103 LAG sei, da es sich bei dem Abbruch der Gebäude gar nicht mehr um einen durch Kriegseinwirkung unmittelbar herbeigeführten Sachschaden handle.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Bfin. übersieht, daß lediglich die Frage der Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1951 zur Entscheidung ansteht. In diesem Verfahren können Fragen, die den Lastenausgleich und insbesondere die Hypothekengewinnabgabe betreffen, nicht entschieden werden. Soweit sich das Vorbringen der Bfin. hierauf bezieht, kann darauf nicht eingegangen werden.

Den Vorinstanzen ist darin beizutreten, daß das Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 nach seiner überschrift und nach mehreren Stellen des Textes lediglich für die Fortschreibung und Nachfeststellung von Einheitswerten auf den 21. Juni 1948 Anwendung findet. Dies kann jedoch - wie die Prüfung des streitigen Falles zeigt - nicht uneingeschränkt gelten.

Die Wertfortschreibung des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes ist seinerzeit durch verschiedene Maßnahmen eingeschränkt worden (Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 8. Oktober 1941 L 1.137 - 3 III, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941 S. 761, und § 6 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Kontrollratgesetz Nr. 13 vom 18. Februar 1947, Steuer- und Zollblatt S. 18). Erst durch das Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 ist die allgemeine Durchführung der Wertfortschreibung des Grundbesitzes wegen Kriegssachschäden auf den Beginn des Währungsstichtags angeordnet worden. Trotzdem sind in einigen Teilen des Bundesgebiets die Einheitswerte für den kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitz auf Zeitpunkte fortgeschrieben worden, die vor dem Währungsstichtag liegen. Zudem hat auch der Bundesfinanzhof entschieden, daß die Beschränkung der Wertfortschreibung der Einheitswerte des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes durch § Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Kontrollratgesetz Nr. 13 rechtsunwirksam ist (Urteil des Bundesfinanzhofs III 107/50 S vom 22. November 1951, BStBl. 1952 III S. 1). Dieses Ergebnis der Rechtsprechung hat dazu geführt, daß auch in den anderen Teilen des Bundesgebiets für den kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitz, soweit die Voraussetzungen hierfür bestanden haben, Wertfortschreibungen auf Zeitpunkte vor dem Währungsstichtag vorgenommen worden sind. Dem erkennenden Senat ist bekannt, daß Bewertungsstellen bei diesen Feststellungen - wenigstens bei denen, die nach dem Erscheinen des Fortschreibungsgesetzes erfolgt sind - die Vorschriften des Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes entsprechend angewandt haben. Der erkennende Senat ist auch schon mit der Frage befaßt, ob und inwieweit in derartigen Fällen ggf. eine weitere Fortschreibung des Einheitswerts auf den Beginn des Währungsstichtags nach den gleichen Vorschriften möglich ist.

Im vorliegenden Fall ist allerdings die Frage zu entscheiden, ob die Vorschriften des Abschn I des Fortschreibungsgesetzes - entgegen ihrem Wortlaut - in gewissen Fällen auch noch bei der Fortschreibung der Einheitswerte des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes auf Zeitpunkte angewendet werden können, die nach dem Währungsstichtag liegen. Wird kriegsbeschädigter oder kriegszerstörter Grundbesitz nach dem Währungsstichtag ganz oder teilweise wiederhergestellt, so wird der Einheitswert, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen, nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes fortgeschrieben; für eine Anwendung der Vorschriften des Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes ist in solchen Fällen kein Raum mehr. Es kann aber der Fall eintreten, daß bei einem teilzerstörten Gebäude (weiterer) Sachschaden auftritt, der eine unmittelbare Folge des erlittenen Kriegssachschadens ist. In einem solchen Fall erscheint es dem erkennenden Senat nicht angebracht, die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes zu versagen. Andernfalls würde eine ungleichmäßige Bewertung des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes bis zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt eintreten. Das kann nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein.

Immer aber muß es sich , wenn die Vorschriften des Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes bei Wertfortschreibungen auf Feststellungszeitpunkte nach dem Währungsstichtag entsprechend angewandt werden sollen, um einen echten weiteren Kriegssachschaden handeln. Ob im vorliegenden Fall ein solcher Schaden gegeben ist, steht nicht genau fest. Die Bfin. behauptet das Vorliegen eines weiteren Kriegssachschadens, während die Vorinstanz dies nicht anerkennt. Nach der Auffassung der Bfin. hat der ursprüngliche Kriegssachschaden im Zusammenhang mit den Witterungseinflüssen im Laufe der Jahre unmittelbar zu Baufälligkeit der ursprünglich noch benutzbaren Gebäudeteile geführt. Eine Mitteilung des städtischen Planungsamts deutet aber darauf hin, daß zwingende städtebauliche Gründe einer Wiederherstellung des Gebäudes entgegengestanden haben. Für diese Annahme sprechen auch die Angaben der Vorbesitzerin in ihrem Antrag auf Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948; danach sei der weitere Verfall des Gebäudes nicht aufzuhalten gewesen, weil aus städteplanerischen Gründen eine Instandsetzung untersagt worden sei. Die von der Vorinstanz bisher getroffenen Feststellungen reichen für die Entscheidung der strittigen Frage nicht aus. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur nochmaligen Prüfung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407765

BStBl III 1953, 369

BFHE 1954, 203

BFHE 58, 203

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge