Entscheidungsstichwort (Thema)

Tätigkeit einer Kommanditgesellschaft als ein Gewerbebetrieb

 

Leitsatz (NV)

1. Geht eine Personenhandelsgesellschaft unterschiedlichen gewerblichen Betätigungen nach (hier: Herstellung und Vertrieb von Konfektionswaren) und gibt sie eine dieser Betätigungen (hier: die Herstellung) auf, während sie die andere (hier: den Vertrieb) im weiteren Verlauf fortsetzt, so ist die Unternehmensgleichheit als Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10a GewStG a.F. gewahrt.

2. Bei Personengesellschaften erfordert die Verlustverrechnung, die im Anrechnungsjahr einen positiven und im Verlustentstehungsjahr einen negativen Gewerbeertrag der Gesellschaft voraussetzt, eine auf die einzelnen Mitunternehmer bezogene Berechnung. Maßgeblich ist der jeweilige Gewinnverteilungsschlüssel; Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sind zu berücksichtigen.

 

Normenkette

GewStG i.d.F. bis zur Änderung durch das StBereinG 1986 § 2 Abs. 2 Nr. 1; GewStG i.d.F. bis zur Änderung durch das StBereinG 1986 § 10a S. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der XY-GmbH & Co. KG (XY). Diese wurde zunächst in der Rechtsform einer OHG betrieben und mit Wirkung vom 1. März 1973 in eine KG umgewandelt. Ihre persönlich haftende Gesellschafterin wurde die Gesellschaft für Beteiligung mbH. Unternehmensgegenstand der XY war die Herstellung und der Vertrieb von Oberbekleidung. Sie unterhielt eine Fabrik für die Herstellung von Herrenhosen, deren Produktion Ende 1977 eingestellt wurde. Das Betriebsgrundstück und die Betriebsmittel wurden veräußert, die Arbeitnehmer entlassen, der Betriebssitz wurde (mit Wirkung vom 15. Juli 1978) verlegt. Am 29. März 1979 schloß die XY mit der V-AG einen Vertretungs- und Vertriebsvertrag, mit dem die XY für die Herrenbekleidungsprodukte der V-AG den Alleinvertrieb in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) übernahm.

Für die Jahre 1978 bis 1982 machte die XY Gewerbeverluste der Jahre 1975 bis 1977 gemäß § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) a.F. als Verlustvorträge geltend, die das seinerzeit zuständige Finanzamt wegen fehlender Unternehmesidentität nicht anerkannte.

Der nach erfolglosem Vorverfahren gegen die Gewerbesteuermeßbescheide 1978 und 1980 bis 1982 erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Für die Entscheidung, ob die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - für die Inanspruchnahme des Verlustabzugs nach § 10a GewStG a.F. erforderliche Unternehmensidentität gegeben sei, komme es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Im Streitfall sei danach das Vorliegen der Unternehmensidentität zu bejahen. Zwar sei durch die Betriebsumstellung bei der XY der Lieferantenkreis vollständig und der Abnehmerkreis erheblich ausgetauscht worden. An die Stelle der Arbeitnehmer seien selbständige Handelsvertreter getreten. Die Änderungen seien jedoch lediglich Folge einer strukturellen Anpassung der gewerblichen Tätigkeit an die veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten. Überdies sei die XY weiterhin mit dem Geschäftszweig der Herrenoberbekleidung befaßt gewesen. Die Unternehmensidentität sei deshalb gewahrt. Die Gewerbeverluste seien auch ihrer Höhe nach abzugsfähig. Der Umstand, daß die früheren Kommanditisten WY und XY durch Tod aus der Gesellschaft ausgeschieden seien und mithin ein Gesellschafterwechsel - auch durch Eintritt der persönlich haftenden Gesellschafterin im Jahre 1976 - stattgefunden habe, stehe dem nicht entgegen; die nach der früheren Gesetzesfassung des § 10a GewStG erforderliche Unternehmeridentität sei seit der Gesetzesänderung durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) vom Erhebungszeitraum 1975 an entfallen.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Verletzung von § 10a GewStG a.F.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Verlustabzug nach § 10a GewStG a.F. keine Unternehmergleichheit voraussetze.

1. Gemäß § 10a Satz 1 GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung wird der maßgebende Gewerbeertrag bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages für die fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vier vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. In § 10a Satz 1 GewStG i.d.F. des Art. 10 Nr. 7 StBereinG 1986 sind die Worte bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes ermitteln nicht mehr enthalten.

Unter Berücksichtigung der Verbindung objekt- und personensteuerartiger Elemente der Gewerbesteuer machte schon der Reichsfinanzhof (RFH) den Abzug von Gewerbeverlusten sowohl von der Unternehmens- als auch von der Unternehmeridentität abhängig (RFH-Urteil vom 26. August 1942 VI 236/42, RStBl 1942, 1042). Der BFH ist dieser Rechtsprechung gefolgt (vgl. BFH-Entscheidungen vom 4. Februar 1966 VI 272/63, BFHE 86, 123, BStBl III 1966, 374; vom 28. April 1977 IV R 165/76, BFHE 122, 307, BStBl II 1977, 666; vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348; vom 24. Juni 1981 I S 3/81, BFHE 133, 564, BStBl II 1981, 748; vom 12. Januar 1983 IV R 177/80, BFHE 138, 90, BStBl II 1983, 425; vom 14. Dezember 1989 IV R 117/88, BFHE 159, 528, BStBl II 1990, 436). In seinem Beschluß vom 3. Mai 1993 GrS 3/92 (BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616) hat der Große Senat des BFH an diesen Grundsätzen festgehalten. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

2. Das FG hat die Voraussetzungen für das Vorliegen der Unternehmensidentität im Urteilsfall zutreffend bejaht. Als Beurteilungsmaßstab dafür, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe Unternehmer gleichzeitig oder nacheinander ausübt, je für sich einen sachlich selbständigen Gewerbebetrieb oder zusammen einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellen, ist nach der Rechtsprechung des BFH der sachliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Betätigungen nach Maßgabe des Gesamtbildes der Verhältnisse im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zugrunde zu legen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1. Dezember 1960 IV 353/60 U, BFHE 72, 173, BStBl III 1961, 65; in BFHE 138, 90, BStBl II 1983, 425). Das FG ist hiervon ausgegangen und zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der XY ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten mit der seit 1979 ausgeübten Betätigung in einem sachlichen Zusammenhang standen und als ein einheitlicher Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung bis zur Änderung durch das StBereinG 1986 (seitdem § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) zu beurteilen sind. Diese Erwägungen des FG sind nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen der Unternehmenseinheit waren bei der XY bereits deshalb erfüllt, weil diese nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt mit der Herstellung der Konfektionswaren lediglich die eine der beiden von ihr bislang ausgeübten Betätigungen aufgegeben, die andere Betätigung (den Vertrieb von - auch aus Fremdherstellung stammenden - Konfektionswaren) jedoch im weiteren Verlauf fortgeführt und sich hierauf beschränkt hat. Der dadurch aufrechterhaltene insbesondere wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Aktivitäten der XY reicht für die Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebes aus (vgl. Obermeier in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 2 GewStG Rdnr. 50 f.; von Twickel, ebd., § 10a GewStG Rdnr. 74; Glanegger in Glanegger/ Güroff, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 15; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 11; s. auch BFH-Urteil in BFHE 72, 173, BStBl III 1961, 65; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 15 Anm. 42c).

3. In welchem Umfang auch die Voraussetzungen für das Erfordernis der Unternehmeridentität erfüllt sind, läßt sich nach den Feststellungen des FG nicht abschließend beantworten. Den Gründen seiner Entscheidung ist zwar zu entnehmen, daß die Kommanditisten WY und XY durch Tod aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Zu den genauen Zeitpunkten des Ausscheidens und der Höhe der Kommanditbeteiligungen hat das FG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine weiteren Feststellungen getroffen. Sie sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Die Verlustrechnung, die im Anrechnungsjahr einen positiven und im Verlustentstehungsjahr einen negativen Gewerbeertrag voraussetzt, erfordert sodann eine auf die einzelnen Mitunternehmer (Gesellschafter) bezogene Berechnung. Zu diesem Zweck sind sowohl die Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres als auch die Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel und unter Berücksichtigung von Sonderbeteriebseinnahmen und -ausgaben den einzelnen Mitunternehmern zuzuordnen. Die Verlustverrechnung ist jeweils für den einzelnen Unternehmer vorzunehmen: Die Ergebnisse der einzelnen Verrechnungen sind anschließend wieder zum (einheitlichen) Gewerbeertrag des Unternehmens zusammenzufassen (s. auch das Senatsurteil vom 16. Februar 1994 XI R 50/88, BStBl II 1994, 364).

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 899

DB 2015, 1188

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