Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Berechnung der Grenze von 7.200 DM Arbeitslohn im Kalenderjahr sind das (steuerpflichtige) Weihnachtsgeld und ein neben dem laufenden Lohn gewährtes erhöhtes Urlaubsgeld mit zu berücksichtigen. Führt ihre Einbeziehung in einem Kalenderjahr zur überschreitung der Grenze von 7.200 DM, so sind die in dem Jahr gezahlten Mehrarbeitszuschläge in vollem Umfange steuerpflichtig.

 

Normenkette

EStG § 34a; LStDV § 32a; LStR Abschn. 52b/6; LStR Abschn. 48b/1/3; LStR Abschn. 48b/4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Mehrarbeitszuschläge, die die Beschwerdegegnerin (Bgin.) in 1952 drei Arbeitnehmern gezahlt hat, der Lohnsteuer unterliegen. Den Arbeitnehmern ist neben dem normalen Arbeitslohn für die Zeit des Urlaubs ein "erhöhtes Urlaubsgeld" gewährt worden, das sich nach dem überstundenlohn nebst Zuschlägen richtet, der in den dem Urlaub vorangegangenen 13 Lohnwochen durchschnittlich verdient worden ist. Bei Einbeziehung dieses erhöhten Urlaubsgeldes hat der Arbeitslohn eines jeden der drei Arbeitnehmer im Kalenderjahr 1952 7.200 DM überschritten. Das Finanzamt ist der Auffassung, daß die Zuschläge, weil das Gehalt der Arbeitnehmer 7.200 DM überschritten habe, im vollen Umfang steuerpflichtig seien. Die Bgin. ist dagegen der Meinung, daß gemäß § 32 a letzter Satz der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) 1951 nur die nach dem Urlaub gezahlten Zuschläge steuerpflichtig seien, weil sich ein Gehalt von mehr als 7.200 DM erst auf Grund der Zahlung des erhöhten Urlaubsgeldes ergeben habe.

Das Finanzamt nahm die Bgin. wegen der nach seiner Auffassung zu Unrecht nicht einbehaltenen Lohnsteuer durch Haftungsbescheid in Anspruch. Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht hielt den Haftungsbescheid nur insoweit aufrecht, als die nach dem Urlaub gezahlten Zuschläge als Grund für die Nachforderung dienten. Nach Ansicht des Finanzgerichts handelt es sich bei der den Arbeitnehmern gewährten Urlaubsvergütung, auch soweit das erhöhte Urlaubsgeld in Betracht kommt, um laufenden Arbeitslohn. Die nach § 32 a letzter Satz LStDV erforderliche Voraussetzung für einen rückwirkenden Wegfall der Begünstigung, nämlich die überschreitung der Grenze von 7.200 DM durch Zahlung von Arbeitslohn für die zurückliegende Zeit oder von sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen, sei daher, so führt das Finanzgericht aus, nicht gegeben.

In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) vertritt der Vorsteher des Finanzamts nach wie vor die Auffassung, daß die Begünstigung der Zuschläge rückwirkend weggefallen sei. Die Bgin. habe, so macht er geltend, das erhöhte Urlaubsgeld gezahlt, ohne dazu verpflichtet zu sein. Es handle sich daher um einmalige, nicht um laufende Bezüge. Bei einem der Arbeitnehmer sei die Grenze von 7.200 DM auch schon deswegen überschritten, weil das Weihnachtsgeld von (235 - (steuerfreie) 100 =) 135 DM zu berücksichtigen sei.

Die Bgin. hält das erhöhte Urlaubsgeld für einen Teil der laufenden Bezüge. Sie sei, so legt sie dar, zur Zahlung verpflichtet gewesen. Das Vorbringen hinsichtlich des Weihnachtsgeldes sei, weil es sich um eine neue Tatsache handle, unbeachtlich. Außerdem könne die Weihnachtsgratifikation, weil auf sie kein Anspruch bestehe, auch nur vom Zahlungstag an den Wegfall der Steuerfreiheit der Zuschläge begründen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Nach § 34 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für den Veranlagungszeitraum 1952 geltenden Fassung (EStG 1952) sind die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Mehrarbeit nur dann steuerfrei, wenn "der Arbeitslohn insgesamt 7.200 DM im Kalenderjahr nicht übersteigt". Nach § 32 a LStDV 1951 bleibt aber, wenn die überschreitung der Grenze von 7.200 DM sich erst im Laufe des Jahres ergibt, die Behandlung der bis dahin steuerfrei gezahlten Zuschläge "unberührt, es sei denn, daß die überschreitung des Betrags von 7.200 DM auf der Zahlung von Arbeitslohn für eine zurückliegende Zeit oder auf der Zahlung von sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen beruht".

Ist eine einkommensteuerliche Vergünstigungsvorschrift wie die des § 34 a EStG 1952 auf Wahrung einer bestimmten Höhe der Einkünfte aufgebaut, so entspricht es dem auf die Heranziehung für das Kalenderjahr abgestellten System der Einkommensbesteuerung, die Vergünstigung, wenn nicht etwa aus der Vorschrift selbst etwas anderes zu entnehmen ist, entweder ganz, d. h. für die begünstigten Einkünfte des ganzen Jahres, oder aber gar nicht zu gewähren. Das bedeutet für die Vergünstigung des § 34 a EStG 1952, da sich aus dem Wortlaut und dem Zweck dieser Vorschrift nichts anderes ergibt, die völlige Nichtanwendung der Vergünstigung und damit die Besteuerung aller im Laufe des Kalenderjahres gewährten Zuschläge, wenn der im Kalenderjahr gewährte Arbeitslohn die Grenze von 7.200 DM übersteigt. Daß es sich um dem Lohnsteuerabzug unterliegende Einkünfte handelt, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Wenn auch mit jeder Lohnzahlung eine Lohnsteuereinbehaltung verbunden ist, so rechtfertigt das noch nicht, jede Lohnzahlung für sich zu betrachten und für die Frage der Steuerpflicht der Zuschläge wegen überschreitens der 7.200 DM-Grenze auf die Gesamtlage am jeweiligen Lohnzahlungszeitpunkt abzustellen. Ob das Erfordernis des Nichtüberschreitens der Grenze von 7.200 DM eingehalten wird oder nicht, mag zu Anfang und innerhalb des Jahres nicht immer übersehen werden können. Das bedeutet aber nicht, daß das Erfordernis unbeachtet bleiben darf. Die in dem Erfordernis liegende Einschränkung macht die Steuerfreiheit der Mehrarbeitszuschläge zu einer bedingten. Läßt sich die überschreitung oder Nichtüberschreitung der Grenze von 7.200 DM nicht übersehen, so ist die Nichtversteuerung der Mehrarbeitszuschläge nur bedingt zulässig. Ob die Mehrarbeitszuschläge endgültig frei bleiben, entscheidet sich nach dem Jahresergebnis. In der vollen Erfassung liegt, auch wenn sich das überschreiten der Grenze und damit der Eintritt der Steuerpflicht erst im Laufe des Jahres herausstellt, in aller Regel keine Unbilligkeit oder Härte; denn das Erfordernis der Grenzeinhaltung ist den Beteiligten von vornherein bekannt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die in der Regelung des § 32 a LStDV liegende Milderung, daß die zunächst steuerfrei belassenen Mehrarbeitszuschläge bei erst im Laufe des Jahres gegebener überschreitung der Grenze von 7.200 DM nur dann voll erfaßt werden, wenn die überschreitung auf der Zahlung von Arbeitslohn für eine zurückliegende Zeit oder auf der Zahlung von sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen beruht, durch die in § 51 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. c EStG 1952 enthaltene Ermächtigung gedeckt wird oder nicht. Auf jeden Fall muß jene Vorschrift als Milderungsvorschrift eng ausgelegt werden. Zu den laufenden Bezügen im Sinne dieser Vorschrift können Bezüge, die der Arbeitnehmer zusätzlich erhält, nicht gerechnet werden, mag auf die Zahlung der Bezüge ein Anspruch bestehen oder nicht. Ebenso wie das (steuerpflichtige) Weihnachtsgeld fällt auch das im Streitfall gewährte "erhöhte Urlaubsgeld" nicht unter die laufenden, sondern unter die sonstigen und somit die volle Erfassung auslösenden Bezüge.

Die Vorentscheidung ist danach wegen unrichtiger Rechtsanwendung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung gegen den Haftungsbescheid ist als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 186

BFHE 1957, 502

BFHE 64, 502

StRK, EStG:34a R 6

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