Leitsatz (amtlich)

Ob ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen und einer Sockelgeschoßwohnung ein Zweifamilienhaus i. S. des § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961 ist, ist danach zu beurteilen, ob die Sockelgeschoßwohnung nach dem Gesamtbild des Wohngrundstückes eine untergeordnete Bedeutung hat. Entscheidend ist die äußere bauliche Gestaltung, nicht die tatsächliche Nutzung.

 

Normenkette

EStG 1961 § 7b Abs. 1 S. 5

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1962 der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ob die erhöhten Absetzungen des § 7 b EStG für ein im Streitjahr fertiggestelltes Wohngebäude von den gesamten Herstellungskosten oder - wie dies in § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961 für Zweifamilienhäuser vorgesehen ist - nur auf Herstellungskosten von 120 000 DM vorgenommen werden können.

Die Klägerin ließ in den Jahren 1960 bis 1962 auf ihrem Grundstück (11 507 qm) ein Wohngebäude errichten. Die Herstellungskosten betrugen 1 327 000 DM. Das an einem Hang erbaute Haus besteht aus einem sog. Sokkelgeschoß, einem Erd- und einem Obergeschoß. Im Erdgeschoß mit einer Wohnfläche von insgesamt 891 qm befinden sich - neben zwei für Dienstmädchen bestimmten Zimmern einschließlich eigenem Bad und WC - die großzügig gestalteten und ausgestatteten Wohnräume der Familie, die zum Teil auch der Repräsentation für die Fabrikbetriebe des Ehemannes der Klägerin, des Beteiligten, dienen. Das Obergeschoß enthält eine - von einem der Söhne bezogene - Wohnung (98 qm), zwei Gästezimmer mit Bad und WC und zwei zusätzliche Räume. Das Sockelgeschoß ist - zur Gartenseite hin - mit einer weiteren Wohnung (114 qm, eigener Eingang, nach Bauart und Ausstattung deutlich von der Erdgeschoßwohnung unterschieden) ausgebaut; in ihm sind auch die Vorratsräume und die Heizungsanlagen untergebracht. Die Sockelgeschoßwohnung, die u. a. auch in den Bauplänen als "Hausmeisterwohnung" bezeichnet wurde, wurde nach Fertigstellung des Gebäudes von verschiedenen Angestellten des Ehemannes der Klägerin und ihren Familien bewohnt. Die Ehemänner betreuten - bis August 1967 - neben ihrer Tätigkeit als Fahrer den Garten; die Ehefrauen halfen - zumindest bis August 1965 - bei Bedarf im Haushalt der Klägerin mit. Die übrigen notwendigen Dienstleistungen im Haus und auf dem Grundstück wurden von verschiedenen anderen Personen (Dienstmädchen, Zugehfrau, sonstigen Hilfskräften) erbracht.

Aufgrund dieses - bei einer Betriebsprüfung festgestellten - Sachverhalts lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung den Antrag der Klägerin, mit dem sie die erhöhte Absetzung für Wohngebäude nach § 7 b EStG von den gesamten Herstellungskosten beansprucht hatte, ab; es hielt - da es sich um ein Zweifamilienhaus handele - erhöhte Absetzungen nur hinsichtlich eines Betrages von 120 000 DM für zulässig.

Der Einspruch blieb im wesentlichen erfolglos. Die Klage wies das FG ab. Es sah die Sockelgeschoßwohnung als Hauspersonalwohnung i. S. des § 32 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BewDV an, die der Zuordnung des Gebäudes zu den Zweifamilienhäusern nicht entgegenstehe.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben. Sie rügt - neben mangelnder Sachaufklärung - die Verletzung materiellen Rechts (§ 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin stehen erhöhte Absetzungen für Wohngebäude nach § 7 b EStG nur für Herstellungskosten von 120 000 DM zu. Das Gebäude ist ein Zweifamilienhaus. Bei Zweifamilienhäusern kommen nach § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961 in der für das Streitjahr geltenden Fassung erhöhte Absetzungen für den Teil der Herstellungskosten, der 120 000 DM übersteigt, nicht in Betracht.

1. Welche Gebäude als Zweifamilienhäuser i. S. des § 7 b EStG zu beurteilen sind, ist im Einkommensteuergesetz nicht näher bestimmt. Der BFH hat in mehreren Entscheidungen (vgl. z. B. vom 20. Oktober 1965 VI 194/65 U, BFHE 84, 238, BStBl III 1966, 87, und vom 18. Februar 1966 VI 87/65, BFHE 85, 27, BStBl III 1966, 223), denen sich der erkennende Senat in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 19. November 1974 VIII R 129/70 angeschlossen hat, die in § 32 Abs. 1 Nr. 4 BewDV für die Einordnung von Gebäuden in die Gruppe der Einfamilienhäuser maßgebenden Gesichtspunkte als brauchbare Anhaltspunkte für die Auslegung auch des in § 7 b EStG verwendeten Begriffes des Zweifamilienhauses angesehen. Danach sind Zweifamilienhäuser solche Gebäude, die nicht mehr als zwei Wohnungen enthalten und nicht Einfamilienhäuser sind. Wohnungen, die für das Hauspersonal bestimmt sind, haben auf die Qualifizierung eines Gebäudes als Ein- oder Zweifamilienhaus keinen Einfluß. Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.

a) Schon das Urteil VI 194/65 U ließ erkennen, daß der BFH - entgegen der Ansicht der Klägerin - die unterschiedlichen Zwecksetzungen des BewG und des Einkommensteuergesetzes nicht unbeachtet ließ. Eine Bindung an die festgestellten Einheitswerte besteht nicht. Im Besonderen Teil des Bewertungsgesetzes verwendete Begriffe können - wenn nicht ausdrücklich auf sie verwiesen ist - nur Anhaltspunkte für die Auslegung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften sein. Soweit die unterschiedliche Zwecksetzung Korrekturen erfordert, sind sie vorzunehmen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 171/71, BFHE 112, 241, BStBl II 1974, 474, für die im II. WoBauG verwendeten Begriffe). Der Hinweis im Urteil VI 87/65 auf § 32 Abs. 1 Nr. 4 BewDV i. V. m. § 1 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus und § 15 EStDV ist mit dieser Einschränkung zu verstehen.

b) Für die Auslegung des Begriffes "Zweifamilienhaus" i. S. des § 7 b EStG kann die in § 32 Abs. 1 Nr. 4 BewDV getroffene Regelung herangezogen werden. Es sind die gleichen rechtlichen Gesichtspunkte maßgebend. Nach § 7 b Abs. 1 EStG in der seit dem StÄndG 1958 geltenden Fassung sollten Ein- und Zweifamilienhäuser nur noch im Rahmen angemessener Herstellungskosten gefördert, überteuerte Bauten von den förderungswürdigen Objekten ausgenommen werden (BFH-Urteil vom 7. Februar 1964 VI 66/63 U, BFHE 79, 25, BStBl III 1964, 242). Auf diesen sozialpolitischen Aspekt der - die bisher unbeschränkte Förderung einschränkenden - Regelung weist die Begründung zum Steueränderungsgesetz 1958 (Bundestags[BT]-Drucksache III/260 S. 52) ausdrücklich hin. Dieser Gesichtspunkt führte - um Umgehungen durch den Einbau einer zweiten Wohnung, insbesondere einer sog. Einliegerwohnung, zu verhindern - zu einer Miteinbeziehung der Zweifamilienhäuser in die ursprünglich nur für Einfamilienhäuser vorgesehene Förderungsbegrenzung (vgl. zu BT-Drucksache III/448 S. 9 Nr. 41). Er ist auch Leitlinie für die Bestimmung der Grenze zwischen Zweifamilienhaus und Mietwohngrundstück. Es kommt darauf an, ob das Gesamtbild des Wohngrundstücks durch die - nach ihrer baulichen Gestaltung und Ausstattung besonderen Wohnbedürfnissen dienende - Hauptwohnung geprägt wird. Wohnungen, die nur eine untergeordnete Bedeutung haben, beeinflussen dieses Gesamtbild nicht. Davon geht - für Wohnungen, die für das Hauspersonal bestimmt sind - auch § 32 Abs. 1 Nr. 4 BewDV und - für Wohnungen des Hauspersonals - § 75 Abs. 5 i. V. m. Abs. 6 Satz 2 BewG 1965 aus.

c) Bei Beachtung des Sinnes und des Zweckes der Beschränkung der Förderung auf Ein- und Zweifamilienhäuser ist auf die "Bestimmung" der Wohnung und nicht auf deren "tatsächliche Nutzung" abzustellen.

Ob eine Wohnung für das Hauspersonal oder in anderer Weise dazu bestimmt ist, der Hauptwohnung zu dienen, ist nach der äußeren baulichen Gestaltung und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (§ 1 Abs. 2 StAnpG) zu beurteilen. Einzelne, für diese Beurteilung bedeutsame Gesichtspunkte hat der BFH - für Hauspersonalwohnungen i. S. des § 32 BewDV - in seinem Urteil vom 9. Dezember 1970 III R 47/69 (BFHE 101, 123, BStBl II 1971, 232) genannt. Der Senat nimmt insoweit auf diese Entscheidung Bezug. Auch für die nach § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961 erforderliche Beurteilung, ob eine Sockelgeschoßwohnung als unselbständiger Bestandteil zur besonderen Ausstattung der Hauptwohnung gehört, kommt es auf die äußere bauliche Gestaltung und insbesondere darauf an, ob Größe und Anlage der Grundstücksfläche sowie der Umfang und die Gestaltung des darauf befindlichen Gebäudes erwarten lassen, daß ein derartiges Grundstück ohne Personal nicht bewirtschaftet werden kann und auch nicht bewirtschaftet zu werden pflegt. Davon gingen offensichtlich auch die Bauherren selbst bei der Planung des Gebäudes aus, die das Sockelgeschoß einer "Hausmeisterwohnung" vorbehielt. Unerheblich für die Beurteilung ist in einem solchen Fall, daß diese Wohnung - isoliert betrachtet - nach Größe und Ausstattung mit der Wohnung in einem Mietwohngrundstück vergleichbar ist und - möglicherweise - einer üblichen Personalwohnung nicht entspricht; entscheidend ist das Verhältnis zur Hauptwohnung.

Diesem Ergebnis steht die in § 75 Abs. 5 und Abs. 6 BewG 1965 getroffene Regelung nicht entgegen. Zwar mag für die Zwecke der Einheitsbewertung von Grundstücken nach dieser Neuregelung die Frage, ob eine Hauspersonalwohnung vorliegt - anders als für die Zeit vor dem Bewertungsgesetz 1965 - nunmehr nach der tatsächlichen Nutzung am jeweiligen Bewertungsstichtag zu entscheiden sein (so z. B. Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl. 1975, § 75 BewG Anm. 14; Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., 1972, § 75 BewG Anm. 11; Steinhardt, Bewertungsgesetz, 4. Aufl. 1966 - 8. Lieferung 1973 - § 75 Anm. 9). Diese Auslegung stünde der Übernahme des bewertungsrechtlichen Begriffes des Zweifamilienhauses in das Einkommensteuerrecht entgegen. Eine wechselnde Beurteilung des Gebäudes je nach der tatsächlichen Nutzung im jeweiligen Veranlagungszeitraum läßt das Ziel des § 7 b Abs. 1 Nr. 5 EStG 1961, Luxusbauten von der Förderung auszunehmen, nicht zu. Unerheblich ist die tatsächliche Nutzung auch als Indiz für die Zweckbestimmung der Wohnung (vgl. dazu z. B. BFH-Urteil vom 7. November 1958 III 88/57 U, BFHE 68, 5, BStBl III 1959, 4). Auf die Frage, ob die Wohnung tatsächlich an Hauspersonal überlassen wurde, kommt es deshalb nicht an.

Die Vorentscheidung stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Das FG konnte - entgegen der Ansicht der Klägerin - auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts zu der Frage, ob die einzelnen Mieter als Hauspersonal anzusehen waren, ohne Verstoß gegen § 76 FGO verzichten.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 244

BFHE 1976, 446

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