Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob eine Wohnung für Hauspersonal bestimmt ist, hängt in erster Linie von der Bauart und der Lage der Wohnung ab. In Grenzfällen kann die tatsächliche Art der nachhaltigen Nutzung von Bedeutung sein.

 

Normenkette

BewG § 52; BewDV § 32 Abs. 1 Ziff. 4; BewG § 75/1/4; BewG § 75/5

 

Tatbestand

Die X. GmbH - später X. KG - in N. errichtete im Jahre 1931/1932 auf einem unbebauten Grundstück ein Wohngebäude (mittlerer Neuhausbesitz). Obwohl die GmbH seinerzeit in der Anlage zur Hausliste 1934 den Neubau als Mietwohngrundstück bezeichnet hatte, bewertete das Finanzamt zum 1. Januar 1935 das Grundstück als Einfamilienhaus und stellte den Einheitswert auf 70.000 RM fest. Am 12. Februar 1955 beantragten die Eheleute X. (die Gesellschafter der KG), auf die das Grundstück inzwischen übergegangen war, eine Art- und Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948 mit der Begründung, daß kein Einfamilienhaus, sondern ein Mietwohngrundstück vorliege. Es seien zwei Wohnungen vorhanden, von denen die eine seit Errichtung des Neubaus von den Eheleuten X., die andere von Herrn Y. (Prokurist der X. KG) und seiner Familie bewohnt werde. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Dagegen gab das Finanzgericht der Berufung statt, bewertete zum 21. Juni 1948 das streitige Grundstück als Mietwohngrundstück und stellte den Einheitswert auf 53.400 DM fest.

 

Entscheidungsgründe

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts. Sie ist begründet.

Nach § 32 Abs. 1 Ziff. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) gelten als Einfamilienhäuser solche Wohngrundstücke, die nach ihrer baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthalten. Dabei sind Wohnungen, die für Hauspersonal (Pförtner, Heizer, Gärtner, Kraftwagenführer, Wächter usw.) bestimmt sind, nicht mitzurechnen. Das Finanzgericht faßt - gestützt auf den Kommentar von Dziegalowski-Thümen zum Bewertungsgesetz, 5. Auflage, Anm. 3 zu § 32 BewDV - das Wort "Bestimmung" darin auf, daß es darauf ankomme, welchen Zweck der Grundstückseigentümer mit der Schaffung von solchen Wohnungen verfolge. Sei es seine Absicht gewesen, diese Wohnungen Hauspersonal zur Verfügung zu stellen, so bleibe das Grundstück ein Einfamilienhaus, selbst wenn die "Nebenwohnungen" vorübergehend von anderen Mietern benutzt würden. Verfolge der Grundstückseigentümer mit den "Nebenwohnungen" aber von vornherein andere Absichten und habe er dies durch entsprechende dauernde Vermietung an Dritte kundgetan, so könne das Grundstück nicht als Einfamilienhaus angesehen werden. Im Streitfall könne dahingestellt bleiben, ob eine ursprünglich vom Eigentümer für das Hauspersonal vorgesehene Wohnung, die später dauernd von einem anderen Mieter genutzt werde, der Bewertung als Einfamilienhaus entgegenstehe, da die zweite Wohnung von allem Anfang an zu einer anderweitigen Nutzung bestimmt gewesen sei.

Diesen Ausführungen des Finanzgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Zudem kann auch aus dem genannten Erläuterungsbuch nicht entnommen werden, daß es entscheidend darauf ankommen soll, welchen Zweck der Grundstückseigentümer mit der Schaffung der Wohnung verfolgt hat. Der Senat selbst ist der Auffassung, daß die Frage, ob Wohnungen für das Hauspersonal bestimmt sind, in erster Linie von der Bauart und der Lage der Wohnungen abhängt. In Betracht kommen vor allem Wohnungen neben den Keller- und Heizräumen, über oder neben der Garage, neben dem Treibhaus usw. (vgl. hierzu auch Haider-Engel-Dürschke, Erläuterungsbuch zum Bewertungsgesetz, 3. Auflage, Abschn. II zu § 52 des Bewertungsgesetzes). In Grenzfällen kann die tatsächliche Art der nachhaltigen Nutzung von Bedeutung sein. Da die Vorinstanz die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV unrichtig ausgelegt hat, unterliegt ihre Entscheidung der Aufhebung. Die Sache ist spruchreif.

Das streitige Wohngebäude hat, wie die in den Akten befindlichen Baubeschreibungen, Planskizzen und Photokopien zeigen, die äußere Gestalt und innere Ausgestaltung eines Einfamilienhauses. Nach den vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung getroffenen Feststellungen, die ebenfalls durch die Akten belegt und insoweit auch von den Beschwerdegegnern (Bg.) nicht bestritten sind, ist das streitige Wohngebäude an einem Hang errichtet worden. Die zum Haus gehörige Grundstücksfläche umfaßt einmal einen tiefliegenden kleinen Hof und einen höher gelegenen, geräumigen Garten, der das Haus von drei Seiten umgibt. Das Grundstück ist von der Straße her durch zwei Eingänge zu betreten. Von dem einen Eingang führt eine Freitreppe empor zum Erdgeschoß des Hauses, von dem aus der Garten u. a. über eine große Terrasse zu betreten ist. Der zweite Eingang zum Haus führt ebenerdig in den Hof, in dem sich eine Garage für zwei Personenkraftwagen befindet und von dem aus man in die zweite Wohnung sowie in die Kellerräume des Hauses gelangt. Der tiefer gelegene Hof ist durch eine rund 2,50 m hohe Mauer von dem höher gelegenen Garten getrennt. Die sogenannte Hauptwohnung (über die Freitreppe zu betreten) umfaßt im Erdgeschoß Wohnräume, Küche und Nebengelaß mit einer Wohnfläche von zusammen 99,47 qm sowie die Terrasse mit einer Nutzfläche von 44,45 qm, im 1. Obergeschoß Schlafräume und Nebengelaß mit einer Wohnfläche von zusammen 101,08 qm sowie eine Veranda mit einer Nutzfläche von 32,90 qm, im II. Obergeschoß ein Turmzimmer mit 16,30 qm Wohnfläche. Die Ausstattung der Wohnung ist besonders wertvoll (teilweise Verwendung von Edelholz für Wand- und Deckenvertäfelung, Parkett mit Intarsieneinlagen, Verwendung von Solnhofener Platten usw.). An die Wohnräume des Erdgeschosses ist der Garten angeschlossen, der mit Gartenhaus in Sandstein, Pergola (Laubengang) in Sandstein und Wasserbassin ausgestattet ist. Die Wohnung im Keller (von den Bg. als Souterrain bezeichnet) umfaßt drei Zimmer und Nebengelaß mit einer Wohnfläche von 53,21 qm. Bei den übrigen Räumen in diesem Geschoß handelt es sich um Kohlen- und Heizkeller, Holzlege, Waschküche usw. Danach kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß es sich bei der zweiten Wohnung des Hauses nach ihrer Lage und Bauart um eine Personalwohnung handelt. Das Finanzamt hat deshalb mit Recht zum 21. Juni 1948 eine Art- und Wertfortschreibung abgelehnt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409221

BStBl III 1959, 4

BFHE 1959, 5

BFHE 68, 5

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