Verkauf eines selbst bewohnten Gartenhauses

Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem "Gartenhaus" bebaut ist, das nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt.

Hintergrund: Baurechtswidrige Wohnnutzung eines Gartenhauses

A erwarb in 2009 einen Miteigentumsanteil an im Außenbereich befindlichen Grundstücken. Die Grundstücke liegen in einem Wochenend- und Ferienhausgebiet. Im Flächennutzungsplan sind sie als Kleingartengelände ausgewiesen. Darauf befindet sich ein von A bewohntes "Gartenhaus", Dem früheren Eigentümer war (in 1967) die Errichtung eines "Gartenhauses" unter der Auflage genehmigt worden, dass das Gebäude nicht zum dauernden Aufenthalt von Personen genutzt werden darf. 

In 2014 (d.h. innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums) veräußerte A seinen Miteigentumsanteil. Kaufpreiszahlung und Besitzübergabe erfolgten 2015.

Das FA berücksichtigte im ESt-Bescheid 2015 einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften. A wandte dagegen ein, das Grundstück sei mit einem Bungalow (60 qm Wohnfläche) bebaut, den er während der gesamten Besitzdauer (ab 2009) zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe.

Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Das "Gartenhaus" sei baurechtlich nicht zur Wohnnutzung geeignet gewesen.

Entscheidung: Entscheidend ist die tatsächliche Nutzung zu Wohnzwecken

Der BFH teilt nicht die Auffassung des FG und gab der Klage statt. Die Steuerfreistellung erfordert nicht, dass das genutzte Wirtschaftsgut auch rechtlich dazu bestimmt und geeignet sein muss, Menschen auf Dauer Unterkunft und Aufenthalt zu ermöglichen.

Begünstigung einer baurechtswidrigen Wohnnutzung

Auch eine baurechtswidrige Nutzung kann eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sein. Der Wortlaut ist zwar nicht eindeutig. Denn unter einer Nutzung "zu eigenen Wohnzwecken" kann sowohl eine baurechtskonforme als auch eine baurechtswidrige Wohnnutzung verstanden werden. Allerdings sprechen Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dafür, dass auch die baurechtswidrige Wohnnutzung unter die Steuerfreistellung fällt. Denn die Norm dient der Verhinderung einer ungerechtfertigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes, z.B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels. Gewinne aus der Veräußerung von selbstgenutztem Wohneigentum sollen (innerhalb der Zehn-Jahres-Frist) keine Besteuerung auslösen (BT-Drs. 14/265, 181; dazu BFH v. 1.3.2021, IX R 27/19, BStBl II 2021, 680).

Die baurechtswidrige Nutzung wird vom Gesetzeszweck gedeckt

Der Gesetzeszweck ist bei baurechtswidriger Nutzung von Wohneigentum ebenso erfüllt wie bei einer baurechtskonformen Wohnnutzung. Für die Realisierung des Freistellungszwecks ist die baurechtliche Situation ohne Bedeutung. Muss das selbstgenutzte Wohneigentum wegen einer Wohnsitzaufgabe (etwa wegen eines Arbeitsplatzwechsels) veräußert werden, soll kein Veräußerungsgewinn besteuert werden. Dieser normative Lenkungs- und Förderzweck der Nichtsteuerbarkeit von zu Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsgütern steht daher einer Auslegung im Sinne des FA und des FG entgegen. Wenn das private Wohnen dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen ist, gilt dies auch für baurechtswidriges Wohnen. Die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Die Eignung zum dauerhaften Wohnen lag vor

Dieser Auslegung kann nicht entgegengehalten werden, dass die Immobilie nach der Rechtsprechung des BFH zum Bewohnen dauerhaft geeignet sein muss. Zwar besteht im Fall fortdauernder baurechtswidriger Wohnnutzung die latente Gefahr des (jederzeitigen) Einschreitens der Bauaufsichtsbehörde zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustands. Aber auch dies ist ein rechtlicher Aspekt, welcher der tatsächlich zu verstehenden dauerhaften Wohneignung nicht entgegensteht. Entscheidend ist, ob das Objekt tatsächlich dazu geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Dies betrifft vor allem die Beschaffenheit des Gebäudes, insbesondere seine Ausstattung und Einrichtung, nicht aber rechtliche Gegebenheiten.

Keine Parallele zu § 10e EStG

Nach der Rechtsprechung zu § 10e EStG sind unter (von der Begünstigung ausgenommenen) Ferien- oder Wochenendwohnungen i.S. von § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG solche Wohnungen zu verstehen, die baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden dürfen oder sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignen (BFH v. 31.5.1995, X R 140/93, BStBl II 1995, 720). Diese Auslegung des § 10e EStG steht der Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Fall baurechtswidriger Wohnnutzung nicht entgegen. Die Regelungen haben eine unterschiedliche Zweckrichtung: Zweck der gesetzlichen Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist nicht der Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung (BFH v. 28.3.1990, X R 160/88, BStBl II 1990, 815). Vielmehr soll die berufliche Mobilität nicht behindert werden. Das schließt auch den Fall der baurechtswidrigen Wohnnutzung ein.

Grundsatz der wertneutralen Besteuerung

Bestätigung findet diese Auslegung in § 40 AO. Danach ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Die Vorschrift regelt, dass die Besteuerung wertneutral ist und an tatsächliche Gegebenheiten anknüpft. Das gilt auch für begünstigende Steuerrechtsnormen (BFH v. 7.11.1989, VII R 115/87, BStBl II 1990, 251, zu KraftSt-Befreiungen).

Hinweis: Weiter Begriff der Wohnnutzung

Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht (BFH v. 1.3.2021, IX R 27/19, BStBl II 2021, 680). Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält (BFH v. 1.3.2021, IX R 27/19, BStBl II 2021, 680

BFH Urteil vom 26.10.2021 - IX R 5/21 (veröffentlicht am 17.03.2022)

Alle am 17.03.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.