Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils an die Ehefrau

Eine steuerpflichtige Veräußerung kann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil wegen drohender Zwangsvollstreckung entgeltlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung auf seinen geschiedenen Ehepartner überträgt.

Hintergrund: Veräußerung der Miteigentumshälfte nach Scheidung

Streitig war, ob der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt ist, wenn der seinen Miteigentumsanteil veräußernde Ehegatte aus dem im Miteigentum stehenden Wohnhaus ausgezogen ist und der andere Ehegatte mit dem gemeinsamen Kind weiterhin dort wohnt.

A und seine (inzwischen von ihm geschiedene) Ehefrau B erwarben im Dezember 2008 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu jeweils hälftigem Miteigentum. Sie bewohnten das Objekt gemeinsam mit ihrem in 2007 geborenen Sohn S.

In 2015 zog A aus. Die Ehe wurde in 2017 geschieden. Nachdem B die Zwangsversteigerung für den Fall angedroht hatte, dass ihr A seinen hälftigen Miteigentumsanteil nicht verkaufen sollte, veräußerte A seinen Anteil in 2017 an B. Dabei erzielte er einen Veräußerungsgewinn.

Das FA unterwarf bei der ESt-Veranlagung des A für 2017 den Veräußerungsgewinn der ESt. Dem folgte das FG und wies die Klage ab. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch A liege nach dessen Auszug nicht vor. Eine mittelbare Nutzung des A durch alleinige Überlassung an den minderjährigen S habe schon deshalb nicht vorgelegen, weil dieser keinen eigenen Haushalt habe führen können. Zudem habe sich A nicht in einer (den Veräußerungstatbestand ausschließenden) Zwangslage befunden.

Entscheidung: Keine eigene Wohnnutzung bei Bewohnung durch das Kind mit einem Angehörigen

Der BFH bestätigte das Urteil des FG. A hat ein privates Veräußerungsgeschäft getätigt. Die Ausnahme für den Fall des selbst genutzten Wohneigentums nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt nicht vor.

Veräußerungsgeschäft

A hat den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht, indem er seinen in 2008 erworbenen Miteigentumsanteil mit Scheidungsfolgenvereinbarung und Veräußerungsvertrag von 2017 – somit innerhalb der zehnjährigen Halterfrist – an B veräußert hat.

Keine Veräußerung unter Zwang

A hat die Scheidungsfolgenvereinbarung nach Einholung einer steuerlichen Beratung willentlich abgeschlossen. Er befand sich dabei nicht in einer ein Veräußerungsgeschäft ausschließenden Zwangslage. Er wollte einen angemessenen Preis erzielen und einen mit der Zwangsversteigerung einhergehenden Schaden vereiden. Ob sich A in einer wirtschaftlich oder emotional angespannten Situation befand, ist unerheblich. Denn der Motivlage kommt (abgesehen vom Verlust des Eigentums aufgrund Hoheitsakts) regelmäßig keine Relevanz zu (BFH v. 21.5.2019, IX R 6/18, BFH/NV 2019 S. 1227, Rz. 20).

Steuerbefreiung bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

Der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch selbst genutzt wird. Der Begriff ist entsprechend dem Zweck, die Besteuerung bei Wohnsitzwechsel zu vermeiden, weit auszulegen. Unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige das Objekt gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (BFH v. 1.3.2021, IX R 27/19, BStBl II 2021 S. 680, Rz. 14). Zeitweiliges Bewohnen reicht aus, wenn das Gebäude in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht.

Mittelbare Eigennutzung bei Überlassung an ein Kind

Der Steuerpflichtige nutzt die Wohnung auch dann zu eigenen Wohnzwecken, wenn er sie in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht seinem Kind zur Verfügung stellt. Die Nutzung durch das Kind wird dem Eigentümer als eigene zugerechnet, weil er für die Unterbringung des Kindes sorgen muss (BFH v. 26.1.1994, X R 94/91, BStBl II 1994 S. 544). Der Begriff "eigene" Wohnzwecke umfasst (mittelbar) auch die Wohnzwecke von Kindern, die beim Steuerpflichtigen nach § 32 EStG zu berücksichtigen sind (BFH v. 24.5.2022, IX R 18/21, BFH/NV 2023 S. 20, Rz. 17). Bei diesen Kindern kann das das Bestehen einer Unterhaltspflicht bzw. das Entstehen von Aufwendungen typisierend unterstellt werden.

Schädliche Überlassung an eine andere Person neben dem Kind

Nach dieser typisierenden Wertung wird eine zu Unterhaltszwecken unentgeltlich bereitgestellte Wohnung aber dann nicht mehr i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (mittelbar) zu "eigenen Wohnzwecken" (des Steuerpflichtigen) genutzt, wenn die Immobilie neben einem nach § 32 EStG zu berücksichtigenden Kind auch anderen Angehörigen (ggf. auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsberechtigung) überlassen wird. Die Wohnung ist dann nicht Teil des auf mehrere Örtlichkeiten verteilten Familienhaushalts. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns würde der beruflichen Mobilität des Steuerpflichtigen regelmäßig nicht entgegenstehen (vgl. BFH v. 24.5.2022, IX R 28/21, BFH/NV 2023 S. 20, Rz. 26).

Keine ausreichende Nutzung im Streitfall

Hiervon ausgehend nutzte A das Einfamilienhaus nicht im Zeitraum zwischen Anschaffung (2008) und Veräußerung (2017) oder im Jahr der Veräußerung (2017) und in den beiden vorangegangenen Jahren (2015 und 2016) zu eigenen Wohnzwecken. A kann die Nutzung durch seinen Sohn nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zugerechnet werden. Denn nach dem Auszug des A nutzte auch seine geschiedene Ehefrau B das Haus zu (ihren) Wohnzwecken. Das hälftige Miteigentum rechtfertigt nicht die Annahme, der in der Wohnung lebende Miteigentümer (B) nutze nur seinen eigenen Miteigentumsanteil (quasi die Hälfte der Wohnung).

Keine Eigennutzung bei Überlassung an die geschiedene Ehefrau

Die Nutzung durch die geschiedene B kann dem A nicht als Eigennutzung zugerechnet werden. Es fehlt an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" liegt nur vor, wenn unterhaltsberechtigte Personen (wie Kinder) typischerweise zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft gehören. Das ist bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten, die nicht mehr Teil einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind, nicht der Fall. Denn bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist der laufende Unterhalt regelmäßig durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren (§ 1361 Abs. 4 BGB; BFH v. 26.1.1994, X R 17/91, BStBl II 1994 S.542).

Hinweis: Überlassung an das Kind einerseits und Überlassung an das Kind mit einer weiteren Person andererseits

Bei der Überlassung eines Wohnobjekts an ein nach § 32 EStG zu berücksichtigendes Kind werden (mittelbar) auch Wohnzwecke des Überlassenden verwirklicht. Anders ist es jedoch, wenn – neben einem nach § 32 EStG zu berücksichtigenden Kind – die Wohnung auch anderen (ggf. unterhaltsberechtigten) Angehörigen überlassen wird.

BFH, Urteil v. 14.2.2023, IX R 11/21; veröffentlicht am 13.4.2023

Alle am 13.4.2023 veröffentlichten BFH-Entscheidungen