Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Einschränkung der erhöhten AfA für Ein- und Zweifamilienhäuser in § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961.

Der Begriff Zweifamilienhaus ist sinngemäß nach § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV zu bestimmen.

Zur Behandlung eines Hauses, das neben zwei Wohnungen im Wohnteil einen angebauten und klar abgehobenen Bauteil enthält, in dem der Eigentümer als Arzt seine Praxis betreibt.

 

Normenkette

EStG § 7b/1/5; BewDV § 32/1; BewG § 75

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) und seine Ehefrau haben im Streitjahr 1961 ein zweistöckiges Haus mit einem eingeschossigen Anbau gebaut. Der Wohnteil hat zwei Wohnungen, deren eine der Stpfl. und seine Familie bewohnen. Dieser Bauteil ist etwa 15 m von der Straße zurückgesetzt. Ihm vorgelagert ist ein eingeschossiger Bau mit Flachdach, in dem der Stpfl. seine Arztpraxis betreibt. Dieser Vorbau ist von der Wohnung durch einen kurzen Gang zu erreichen. In dem Gang sind die Kleiderablage für die Familie und ein WC untergebracht; ferner kann man durch eine Haustür unmittelbar von der Straße in die Wohnung gelangen. Die Praxisräume haben für die Patienten einen eigenen Zugang von der Straße. Im Einheitswertverfahren wurde der Bau als gemischtgenutztes Grundstück bewertet.

Der Stpfl. beanspruchte die erhöhte Absetzung gemäß § 7 b EStG 1961 nach den vollen Herstellungskosten des Gebäudes, während das Finanzamt (FA) das Bauwerk als Zweifamilienhaus ansah und deshalb die erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) nur für einen Kostenanteil von 120.000 DM gewährte. Der Stpfl. meint, in Anlehnung an § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV sei ein Zweifamilienhaus ein Gebäude, das nach seiner baulichen Gestaltung nicht mehr als zwei Wohnungen enthalte. Sein Bau enthalte aber mehr als zwei Wohnungen, nämlich dazu noch den Praxisbau.

Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) trat dem Stpfl. zwar darin bei, daß der Begriff Zweifamilienhaus aus der BewDV abgeleitet werden müsse. Es hielt den Bau aber - im Gegensatz zum Stpfl. - für ein Zweifamilienhaus und führte aus, ein Haus sei ein Einfamilienhaus, auch wenn es außer einer Wohnung eine weitere beruflich genutzte Einheit enthalte, die nicht Bestandteil der Wohnung zu sein brauche, sondern auch in sich abgeschlossen sein könne. Entsprechendes müsse man für ein Zweifamilienhaus annehmen. Der Praxisanbau verändere nach der Verkehrsauffassung nicht den Charakter des Gebäudes als Zweifamilienhaus, zumal das Verhältnis der beruflichen Nutzung zur Wohnungsnutzung etwa 30:70 v. H. betrage. Das Gebäude sei so zu beurteilen, als wenn wie üblich Wohnungen und Praxis in einem einheitlichen und geschlossenen Gebäude untergebracht seien.

 

Entscheidungsgründe

Die - jetzt als Revision zu behandelnde - Rb. des Stpfl., mit der die unrichtige Auslegung des § 7 b EStG 1961 gerügt wird, führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG in dem Bauwerk eine Gebäudeeinheit im Sinne des § 7 b EStG gesehen hat. Der Bau ist einheitlich geplant und ausgeführt worden; die beiden Bauteile sind baulich miteinander verbunden. Der Hauseingang, der zur Wohnung von der Straße in den Verbindungsgang führt, wirkt zugleich als Windfang; auch die im Gang untergebrachte Garderobeablage und das WC dienen den Zwecken der Wohnung. Ferner ist der wirtschaftliche Zusammenhang der beiden Bauteile als Wohnung und als Berufsräume von Bedeutung; denn gerade unter diesem Doppelzweck ist der Bau angelegt worden (siehe Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - IV 532/54 U vom 21. April 1955, BStBl 1955 III S. 183, Slg. Bd. 60 S. 478; VI 85/56 U vom 19. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 66, Slg. Bd. 64 S. 173). Als wesentlich kommt hinzu, daß bei der gewählten baulichen Gestaltung der Praxisteil und der Wohnungsteil des Gebäudes nur zusammen verkauft werden können (siehe BFH-Entscheidung III 148/54 U vom 15. Oktober 1954, BStBl 1955 III S. 2, Slg. Bd. 60 S. 1). Die Rechtslage könnte anders sein, wenn die beiden Gebäudeteile nebeneinander stünden und jeder von ihnen eine Front zur Straße hätte. Bei der hier gewählten Art der Bebauung würde ein getrennter Verkauf dazu führen, daß der Eigentümer des Wohnungsteiles in etwa 5,50 m Entfernung einen fremden Bau zwischen sich und der Straße hinnehmen müßte.

Die Einschränkung der erhöhten AfA in § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961 gilt nur für Ein- und Zweifamilienhäuser. Der Begriff Einfamilienhaus ist in § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV umschrieben. Da in § 7 b EStG keine Sonderregelung getroffen ist, muß man annehmen, daß der Gesetzgeber den Begriff Einfamilienhaus wie in § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV verstanden wissen will. Dafür spricht auch § 15 EStDV, der die erhöhte AfA des § 7 b EStG auch bei der Anwendung der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (Einfamilienhaus-VO) für zulässig erklärt, die ausdrücklich auf den § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV Bezug nimmt. Der Begriff Zweifamilienhaus war bisher nicht in dieser Weise gesetzlich bestimmt. Jedoch kann die Zusammenfassung "Ein- und Zweifamilienhäuser" in § 7 b EStG nicht anders verstanden werden, als daß der Begriff Zweifamilienhaus sinngemäß wie in § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV zu bestimmen ist (Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 7 b Anm. 2, S. 861; Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 7. Aufl., § 7 b Tz. 25 b; Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 7 b Anm. 18 a 1; Einkommensteuer-Richtlinien 1961 Abschn. 58 Abs. 4). Es sei auch hingewiesen auf den neu geschaffenen § 75 BewG 1965 (Fassung vom 10. Dezember 1965, BStBl 1966 I S. 2), in dem nunmehr auch der Begriff Zweifamilienhaus festgelegt wird und der die Vorschriften über das Einfamilienhaus für entsprechend anwendbar erklärt.

Nach dem für das Streitjahr geltenden § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV ist ein Gebäude ein Einfamilienhaus, wenn es nach seiner baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthält. Daran ändert es nichts, wenn das Haus zum Teil gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken dient, sofern dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus nach der Verkehrsauffassung nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Entsprechend ist als Zweifamilienhaus ein Gebäude zu bezeichnen, das seiner baulichen Gestaltung nach nicht mehr als zwei Wohnungen enthält und bei dem auch die anderen Begriffsmerkmale der Ziff. 4 a. a. O. vorliegen, insbesondere also, daß durch die berufliche Nutzung die Eigenart des Zweifamilienhauses nach der Verkehrsauffassung nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

Ein Zweifamilienhaus in diesem Sinne kann man im Streitfall schon deshalb nicht annehmen, weil der Bau mehr als zwei Wohnungen enthält. Denn der Baukomplex enthält ein Haus mit zwei Wohnungen und davon getrennten Räumen für die Arztpraxis. Damit ist der Begriff Zweifamilienhaus nicht anwendbar. Wesentlich ist dabei auch, daß der Praxisteil nach außen hin klar in Erscheinung tritt und dem Gesamtbau mit das Gepräge gibt. Dem äußeren Erscheinungsbild nach hat der Praxisbau nur eine lockere Bindung mit dem Wohnteil des Komplexes. Auch durch den eigenen Eingang an der Straße hebt er sich von dem Wohnteil als ein außerhalb des Wohnungsteils bestehender Bauteil ab. Im Grundriß (Erdgeschoß) erscheint die Praxis dem Wohnbau in räumlicher Bedeutung fast gleich. In den Außenmaßen bleibt er hinter dem Wohnteil nur mit 2,54 m Breite (etwa 1/8) und 1,30 m Tiefe (etwa 1/9) zurück. Infolgedessen verdeckt der vor dem Wohnungsteil liegende, einige Meter nach links versetzte Praxisbau je nach dem Standpunkt des Beschauers den Wohnteil fast völlig, wenigstens aber zur Hälfte. Unter diesen Umständen kommt dem Praxisteil für den Gesamtbau ein solches Gewicht zu, daß der Bau nach der Anschauung des Verkehrs nicht mehr als Zweifamilienhaus gelten kann. Deshalb kommt es nicht darauf an, in welchem Verhältnis die Nutzungsfläche des Praxisbaues zur Wohnfläche steht. In diesem Sinne ist in der Entscheidung des BFH III 206/55 U vom 3. Februar 1956 (BStBl 1956 III S. 78, Slg. Bd. 62 S. 205) ausgesprochen worden, das Ausmaß der gewerblichen Nutzung eines Einfamilienhauses sei nicht immer allein dafür entscheidend, ob der Charakter als Einfamilienhaus verlorengegangen sei; in Grenzfällen müsse die bauliche Gestaltung den Ausschlag geben. Das gilt auch für Zweifamilienhäuser. Der gegenteiligen Auffassung des FG, die über das äußere Erscheinungsbild hinweggeht und die der hier wesentlichen betonten Lage der Praxisräume keine Bedeutung beimißt, tritt der Senat nicht bei.

Da demnach der Bau kein Zweifamilienhaus, sondern ein Wohngebäude anderer Art ist, gilt die Einschränkung in § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG nicht. Die erhöhte AfA nach Satz 1 a. a. O. für die gesamten Herstellungskosten ist also nicht ausgeschlossen, vorausgesetzt, daß das Gesamtgebäude zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient. Dazu fehlt bisher eine Feststellung. In den Akten ist lediglich von "rund" 70 v. H. Wohnzwecken die Rede.

Die angefochtene Entscheidung, die den Begriff Zweifamilienhaus in § 7 b Abs. 1 Satz 5 EStG 1961 unrichtig ausgelegt hat, war deshalb aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, das den Vomhundertsatz der Nutzung zu Wohnzwecken festzustellen hat, und zwar nach der Zweiten Berechnungsverordnung vom 17. Oktober 1957 (BStBl 1957 I S. 508). Siehe dazu die Entscheidungen des BFH IV 353/53 U vom 18. November 1954 (BStBl 1955 III S. 39, Slg. Bd. 60 S. 99) und VI 181/59 U vom 29. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 406, Slg. Bd. 71 S. 418).

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 223

BFHE 1966, 27

BFHE 85, 27

StRK, EStG:7b R 118

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