Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Weisen sich Bevollmächtigte nach § 254 Abs. 2 AO auf Verlangen als solche im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht aus, so kann die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen werden.

 

Normenkette

AO § 254 Abs. 2; FGO § 62/3

 

Tatbestand

Das Urteil der Vorinstanz vom 30. Mai 1961 wurde dem Bevollmächtigten des Bf. am 15. Juli 1961 zugestellt. Laut Postzustellungsurkunde nahm ein Angestellter des Bevollmächtigten die Urteilsausfertigung entgegen. Durch Schreiben ohne Datum, eingegangen bei der Vorinstanz am 19. August 1961, erhob der Bevollmächtigte des Bf. Rb. und beantragte gleichzeitig, für die Begründung eine Frist von drei Monaten zu gewähren. Die Vorinstanz teilte dem Bevollmächtigten mit, daß die Rb. am 19. August 1961 eingegangen sei. Eine Verlängerung der Begründungsfrist lehnte sie mangels näherer Begründung ab. Mit Schreiben vom 16. September 1961 bat der Bevollmächtigte erneut um Verlängerung der Begründungsfrist, weil er überlastet sei. Die Vorinstanz verlängerte die Begründungsfrist bis 15. November 1961. Nach Ablauf dieser Frist legte die Vorinstanz die Rb. mit den Akten dem Bundesfinanzhof vor. Durch Schreiben vom 2. Dezember 1961 wurde der Bevollmächtigte darauf aufmerksam gemacht, daß die Rb. verspätet eingegangen sei. Es wurde ihm anheimgestellt, bis zum 18. Dezember 1961 Gründe anzugeben, die eine Nachsichtgewährung rechtfertigen könnten. Gleichzeitig wurde er gebeten, bis zu diesem Zeitpunkt die Rechtsbeschwerdebegründung und eine Vertretungsvollmacht für das Rechtsbeschwerdeverfahren einzureichen. Auf einen weiteren Antrag auf Fristverlängerung wurde dem Bevollmächtigten mitgeteilt, daß die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist nicht verlängert werden könne, weil der Antrag erst nach Ablauf der Frist eingegangen sei. Nach Ablauf der Begründungsfrist sei eine Rüge von Verfahrensmängeln grundsätzlich nicht mehr möglich. Wenn dennoch wesentliche Verfahrensmängel gerügt werden sollten, so müßten etwaige Nachsichtsgründe für die Versäumung der Begründungsfrist geltend und glaubhaft gemacht werden. Eine Verlängerung der Frist für die Angabe von Nachsichtsgründen für die verspätete Einlegung der Rb. über den 18. Dezember 1961 hinaus sei nicht möglich. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1961 beantragte der Bevollmächtigte, wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Rb. Nachsicht zu gewähren. Er überreichte eine eidesstattliche Erklärung eines seiner Mitarbeiter, in der dieser erklärt, daß er während des Urlaubs der Bürovorsteherin den Terminkalender zu überwachen gehabt und aus ihm unverständlichen Gründen die dort ordnungsgemäß eingetragene Rechtsmittelfrist in der vorliegenden Sache übersehen habe, obwohl er stets angehalten worden sei, den Fristen die größte Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Vertretungsvollmacht für das Rechtsbeschwerdeverfahren reichte der Bevollmächtigte nicht ein. Mit Schreiben vom 22. Januar 1962 wurde dem Bevollmächtigten erneut eine Frist bis zum 20. Februar 1962 zur Vorlage der Vollmacht gesetzt. Er wurde darauf hingewiesen, daß die Rb. nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs als unzulässig verworfen werden müßte, wenn diese Vollmacht nicht vorläge. Die Frist zur Vorlage der Vollmacht und zur Einreichung der Rechtsbeschwerdebegründung wurde auf verschiedene weitere Anträge des Bevollmächtigten letztmals bis zum 20. August 1962 verlängert. Der Bevollmächtigte wurde darauf hingewiesen, daß eine weitere Fristverlängerung nicht möglich sei. Am 4. Dezember 1962 wurde der Bf. selbst gebeten, bis zum 20. Dezember 1962 mitzuteilen, ob der Steuerbevollmächtigte zur Einlegung der Rb. bevollmächtigt gewesen und noch weiterhin mit der Vertretung beauftragt sei. Gegebenenfalls wurde der Bf. um eine übersendung der Vertretungsvollmacht bis zu diesem Termin gebeten. Das Schreiben blieb unbeantwortet. Der Bevollmächtigte hat noch zweimal telegraphisch um Fristverlängerung gebeten, letztmalig am 2. Januar 1963. Bis heute hat er jedoch weder eine Vertretungsvollmacht für das Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegt noch eine Rechtsbeschwerdebegründung eingereicht.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unzulässig.

Das angefochtene Urteil ist dem Bevollmächtigten des Bf. nach § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes am 15. Juli 1961 zugestellt worden. Die Frist des § 245 AO zur Einlegung der Rb. begann nach § 246 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des 15. Juli 1961 und endete nach § 82 AO in Verbindung mit § 188 Abs. 2 BGB, selbst wenn man berücksichtigt, daß in Bayern der 15. August 1961 ein Feiertag war, spätestens mit dem Ablauf des 16. August 1961. Die Rb. ging erst am 19. August 1961, also verspätet, bei der Vorinstanz ein. Der Bevollmächtigte des Bf. hat zwar für die Versäumung der Rechtsmittelfrist Nachsichtgewährung beantragt, er hat aber trotz wiederholter Fristverlängerung die angeforderte Vertretungsvollmacht für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorgelegt, obwohl er auf die Folgen der Nichtvorlage ausdrücklich hingewiesen wurde. Auch der Bf. selbst hat die von ihm angeforderte Vertretungsvollmacht nicht eingereicht. Nach § 254 Abs. 2 AO haben sich Bevollmächtigte auf Verlangen als solche auszuweisen. Tun sie das nicht, so ist nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile III A 290/22 vom 8. November 1922, Steuer und Wirtschaft 1923 Sp. 140, und VI A 1201/25 vom 18. Dezember 1925, Steuer und Wirtschaft 1926 Sp. 901) die Rb. als unzulässig zu verwerfen. Der Senat schließt sich dieser Auffassung für den vorliegenden Fall besonders deswegen an, weil auch der Bf. selbst die Anfrage, ob der Steuerbevollmächtigte mit seiner Vertretung beauftragt worden sei, nicht beantwortet hat. Außerdem hat der Bevollmächtigte mitgeteilt, daß er mit seinem Mandanten trotz aller Bemühungen nicht "klargekommen" sei, ob dieser auf die Rb. keinen Wert mehr lege oder ob er ihm die Vollmacht dazu gebe, der Rb. Fortgang zu geben. Deshalb kann auch die widerrufliche Vollmacht, die der Bevollmächtigte im Einspruchsverfahren eingereicht und auf die er ihm Berufungsverfahren Bezug genommen hat, keine Bedeutung mehr haben, zumal sich diese Vollmacht nur darauf erstreckt, Einsprüche und Berufungen einzulegen. Es braucht somit nicht geprüft zu werden, ob für die Versäumung der Rechtsmittelfrist Nachsicht gewährt werden könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410949

BStBl III 1963, 517

BFHE 1964, 540

BFHE 77, 540

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