Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Steuerpflichtige, der erst durch ein Schreiben des Vorsitzenden des Senats der Rechtsmittelbehörde von der Nichtrechtzeitigkeit seiner Rechtsmitteleinlegung erfährt und dessen Rechtsmittel keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von Nachsichtgründen enthält, hat nach § 87 Abs. 2 AO innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf des Tages, an dem er das Schreiben erhalten hat, den Antrag auf Nachsichtgewährung zu stellen und die Nachsichtsgründe anzuführen und glaubhaft zu machen.

 

Normenkette

AO § 87 Abs. 2; FGO § 56/2

 

Tatbestand

Mit seiner Rb. greift der Bf. das Urteil des Finanzgerichts an, durch das seine Berufung als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Das Urteil ist ihm am 8. Mai 1961 ausgehändigt worden. Die Rb. ist beim Finanzgericht am 12. Juni 1961 eingegangen.

Der Vorsitzende des VI. Senats des Bundesfinanzhofs wies den Bf. darauf hin, daß die Rb. verspätet eingelegt sei, und stellte ihm anheim, innerhalb von zwei Wochen Gründe anzugeben, die geeignet sind, wegen des verspäteten Eingangs der Rb. Nachsichtgewährung nach § 87 AO zu rechtfertigen. Dieses Schreiben des Senatsvorsitzenden wurde dem Bf. am 26. August 1961 zugestellt.

In seinem beim Bundesfinanzhof am 3. November 1961 eingegangenen Schreiben vom 30. Oktober 1961 macht der Bf. geltend, daß er sein Rechtsbeschwerdeschreiben versehentlich am 3. Juni 1961 in einen Briefkasten am Bahnhof seines damaligen Wohnorts geworfen habe. Dieser Briefkasten sei aber, wie er erst später festgestellt habe, nicht mehr in Betrieb gewesen und von der Post sieben Tage später entfernt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unzulässig.

Nach § 245 AO beträgt die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels einen Monat. Hierauf ist der Bf. in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hingewiesen worden. Die Frist beginnt, worauf der Bf. in der Rechtsmittelbelehrung ebenfalls hingewiesen worden ist, mit Ablauf des Tages, an dem ihm das Urteil zugestellt oder bekanntgeworden ist (vgl. § 246 Abs. 1 AO). Im Streitfall hätte die Rb. also bis zum 8. Juni 1961 eingelegt werden müssen. Sie ist aber erst am 12. Juni 1961 eingelegt worden. Die Rechtsmittelfrist ist demnach nicht gewahrt.

Ist die Rechtsmittelfrist versäumt, ohne daß den Steuerpflichtigen ein Verschulden trifft, so kann zwar nach § 86 AO Nachsicht gewährt werden. Der Antrag auf Nachsichtgewährung ist aber nach § 87 Abs. 2 AO innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf des Tages zu stellen und zu begründen, an dem der Antrag zuerst gestellt werden konnte. Es ist dies der Tag, an dem dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter erstmalig Zweifel an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels auftauchten oder auftauchen mußten (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 133/36 vom 8. Januar 1937, RStBl 1937 S. 331, und das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 148/61, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, AO § 86 Rechtsspruch 67). Im Streitfall ist der Bf. durch das Schreiben des Vorsitzenden des VI. Senats, das ihm am 26. August 1961 zugestellt wurde, auf die Nichtrechtzeitigkeit seiner Rechtsmitteleinlegung hingewiesen und zur Beibringung von Nachsichtsgründen innerhalb von zwei Wochen aufgefordert worden. Die Nichtrechtzeitigkeit seiner Rechtsmitteleinlegung ist ihm mithin am 26. August 1961 bekanntgeworden, so daß er seinen Antrag auf Nachsichtgewährung und seine Nachsichtgründe innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf dieses Tages hätte geltend machen müssen. Durch das beim Bundesfinanzhof erst am 3. November 1961 eingegangene Schreiben ist die Frist nicht gewahrt. Nachsicht kann dem Bf. also nicht gewährt werden, ohne daß es auf die Gründe ankommt, aus denen er die Rechtsmittelfrist versäumt hat.

Nach § 87 Abs. 4 AO ist die Frage der Nachsichtgewährung zwar auch von Amts wegen zu prüfen. Dies ist der Grund, warum der Senatsvorsitzende den Bf. zur Beibringung von Nachsichtgründen aufgefordert hat. Es wird aber dadurch, daß die Frage der Nachsichtgewährung von Amts wegen zu prüfen ist, die Notwendigkeit der Antragstellung und der Beibringung von Nachsichtgründen innerhalb der vorerwähnten Frist von zwei Wochen dann nicht ausgeschlossen, wenn wie im Streitfall das verspätet eingelegte Rechtsmittel selbst keinerlei Anhaltspunkte dafür ergibt, daß eine Nachsichtgewährung in Betracht kommt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410617

BStBl III 1963, 103

BFHE 1963, 291

BFHE 76, 291

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