Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Zurechnungsfortschreibungsantrag hat rechtsmittelähnlichen Charakter.

 

Normenkette

AO §§ 83, 86, 87 Abs. 5, § 86/3, § 225a

 

Tatbestand

Es handelt sich um die Zurechnungsfortschreibung des Einheitswertes eines Grundstückes auf den 21. Juni 1948. Die Beschwerdeführer (Bf.) als Erben der am 15. Juni 1945 verstorbenen Johanna H. verlangen, daß ihnen der Einheitswert dieses Grundstückes bereits für den Währungsstichtag zugerechnet werde. Das Finanzamt hatte den Einheitswert auf den 1. Januar 1942 der zu den Erben gehörenden Frau Julie M. zugerechnet. Dieser Einheitswertbescheid ist rechtskräftig. Die Erblasserin Johanna H. ist auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute H. vom 24. Februar 1910 Alleinerbin ihres Ehemanns geworden. In dem gemeinschaftlichen Testament war bestimmt worden:

"Wenn der überlebende Ehegatte nicht wieder heiratet, so wird er nach seinem Tod einstens beerbt:

von seinen gesetzlich erbberechtigten Verwandten,

von denjenigen Verwandten des zuerst gestorbenen Gatten, welche dessen gesetzliche Erben sein würden, wenn er erst gleichzeitig mit dem längerlebenden Gatten gestorben wäre.

Dabei erhalten die Verwandten des Mannes 2/3, und die Verwandten der Frau 1/3 des Nachlasses. Die Verteilung erfolgt nach Maßgabe des § 2067 BGB nach erbrechtlichen Betreffen." "Wenn der überlebende Ehegatte nicht wieder heiratet, darf er auch nach Annahme der Erbschaft bezüglich der seinen Verwandten zugedachten Vermögensanteile abweichend von diesem Testament letztwillig verfügen, wogegen er die den Verwandten des erstgestorbenen Gatten zugedachte Quote und die Berufung der Teilnehmer daran nicht verändern darf."

Durch Vertrag vom 27. Oktober 1923 hat Frau H. das Grundstück an ihre Schwester Julie M. für 2,7 Billionen M verkauft, wobei diese eine später auf 13.487,90 GM aufgewertete Hypothek übernommen hat. Grund für den Verkauf war nach Angabe der Verkäuferin, daß sie in der Inflationszeit Geld zum Lebensunterhalt benötigt habe. Zur Vermeidung einer Benachteiligung ihrer anderen Schwester Helene K. habe sie dieser im Jahre 1924 eine Buchgrundschuld von 20.000 Feingoldmark eintragen lassen, und zwar dafür, daß Frau K. ihr in der Inflationszeit durch Gewährung von Darlehen beigestanden habe. Die Erblasserin H. hat sich in dem Kaufvertrage den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück vorbehalten. In ihrem Testament vom 27. Januar 1944 erklärte sie: "Ich darf davon ausgehen und erwarten, daß die Seitenverwandten meines Mannes den seinerzeitigen Verkauf des Anwesens ... und die Bestellung der bezeichneten Buchgrundschuld für meine Schwester Helene K. billigen." Die Erwerberin des Grundstückes Frau Julie M. war am Währungsstichtage noch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Nach Mitteilung der Bf. war jedoch die Rechtswirksamkeit des Grundstücksverkaufsvertrages und der Bestellung der Grundschuld bereits vor dem Währungsstichtage von den Erben der Frau Johanna H. bestritten worden. Am 15. Dezember 1948 wurde zur Bereinigung des Streitfalles zwischen den Erben der Frau H. und deren beiden Schwestern ein notarieller Vertrag abgeschlossen, auf Grund dessen das Grundstück und die Grundschuld über 20.000 Feingoldmark an die Erbengemeinschaft zurückgewährt wurden, während die Schwestern gewisse Vermögenswerte aus dem Nachlaß erhalten sollten. Die übergabe des Grundstückes an die Erben erfolgte nach dem Vertrage am 1. Januar 1949. Von diesem Zeitpunkt ab sollten Nutzungen und Lasten auf die Erben übergehen. Die Eintragung der Erbengemeinschaft in das Grundbuch erfolgte am 2. Juni 1949. Auf Grund dieses Tatbestandes hat das Finanzamt die Zurechnungsfortschreibung für das Grundstück auf den 1. Januar 1949 für die Erben der Frau H. im August 1949 vorgenommen. Der hierüber erteilte Fortschreibungsbescheid ist rechtskräftig geworden. Am 11. Juli 1957 beantragten die Bf., daß ihnen der Einheitswert des Grundstückes bereits zum 21. Juni 1948 zugerechnet werden sollte. Der Verkauf des Grundstückes sei nach dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute H. nicht gerechtfertigt. Auf Grund des notariellen Vertrages vom 15. Dezember 1948 sei das Grundstück gemäß § 2287 BGB an die Bf. zurückgewährt und die Grundschuld über 20.000 Feingoldmark im Grundbuch gelöscht worden. Das Finanzamt hat die beantragte Zurechnungsfortschreibung auf den 21. Juni 1948 abgelehnt, da die Frist für die Antragstellung gemäß § 225a Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) längst verstrichen sei, und zu einer Fortschreibung von Amts wegen keine ausreichende Veranlassung bestehe. Gegen diesen Ablehnungsbescheid richtete sich die Sprungberufung der Bf. Sie hätten die Frist des § 225a Abs. 2 a. a. O. wegen der Schwierigkeit der Rechtslage nicht einhalten können. Keinesfalls hätten sie grundlos jahrelang mit der Antragstellung gewartet. Für die Soforthilfeabgabe sei das Grundstück der Frau Julie M. nur zu 1/6 zugerechnet worden, bei der Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) dagegen ganz. Erst nach dem Ergehen des Vermögensabgabebescheides (Mai 1956) habe zur Einleitung des hier schwebenden Rechtsmittelverfahrens Anlaß bestanden. In sachlicher Hinsicht vertreten die Bf. die Auffassung, daß sie bereits am Währungsstichtage bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich Eigentümer des Grundstückes gewesen seien. Der unmittelbare Besitzübergang von Frau Johanna H. auf die Erbengemeinschaft sei bereits am 15. Juni 1945 erfolgt, die Auflassung an die Erbengemeinschaft sei nur eine Grundbuchberichtigung gewesen. Die Sprungberufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

Nachsicht wegen Fristversäumnis könne nicht mehr gewährt werden; eine Fortschreibung von Amts wegen komme nicht in Betracht. Auch sachlich sei die beantragte Zurechnungsfortschreibung zum 21. Juni 1948 nicht gerechtfertigt. Die Erblasserin habe sicherlich nicht die Absicht gehabt, die Seitenverwandten durch den Verkauf des Grundstückes zu benachteiligen. Es erscheine daher sehr zweifelhaft, ob überhaupt ein Anspruch aus § 2287 BGB bestanden habe. Im übrigen gehe der Anspruch nach § 2287 BGB nur auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung, nicht auf Rückgewähr in Natur. Das Eigentum an dem Grundstück sei jedenfalls erst nach dem Währungsstichtage auf die Bf. übergegangen. Ansprüche aus § 2287 BGB könnten zwar zu Schuldverpflichtungen geführt haben, die am Währungsstichtage für die Vermögensabgabe zu berücksichtigen seien. Auf den Einheitswert des Grundstückes und die Zurechnung desselben seien solche etwaigen Schuldverpflichtungen indessen ohne Einfluß.

In der Rechtsbeschwerde der Erben werden die Ausführungen des Finanzgerichts zur Frage der Nachsicht und der Fortschreibung von Amts wegen bemängelt. In der Sache selbst sei dem Finanzgericht unzureichende Würdigung der Sach- und Rechtslage zur Last zu legen. In jedem Falle müßten die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 319 Abs. 1 AO erlassen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Der Tenor des angefochtenen Urteils lautet: "Ein Anspruch auf eine Fortschreibung von amtswegen besteht nicht." Diese Fassung der Urteilsformel ist nicht einwandfrei. Richtig hätte die Formel lauten müssen: "Die Berufung wird als unbegründet zurückgewiesen." Da sich aber aus Seite 4 des Urteils unzweideutig ergibt, daß die Berufung zurückgewiesen worden ist, ist die unzutreffende Fassung der Urteilsformel unschädlich, jedoch war eine entsprechende Berichtigung des Tenors erforderlich.

Der Zurechnungsfortschreibungsantrag hat ebenso wie der Wertfortschreibungsantrag rechtsmittelähnlichen Charakter (Urteil des Bundesfinanzhofs III 183/52 U vom 10. April 1953, BStBl 1953 III S. 165, Slg. Bd. 67 S. 424). Nachsicht wegen Versäumnis der Antragsfrist nach § 225a Abs. 2 AO wäre daher an sich möglich. Sie kann jedoch schon wegen § 87 Abs. 5 AO nicht mehr gewährt werden. Auch die Ablehnung der Zurechnungsfortschreibung von Amts wegen durch die Vorinstanzen ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der Steuerpflichtige keine Fortschreibung von Amts wegen mehr verlangen, wenn er grundlos lange Zeit mit seiner Antragstellung gewartet hat. Dies ist im Streitfalle geschehen, da der Zurechnungsfortschreibungsantrag erst im Juli 1957 gestellt wurde, während der Fortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1942 auf Frau Julie M., in dem ihr der Einheitswert des Grundstückes zugerechnet wurde, bereits im März 1942 zugestellt worden ist. Das Vorbringen der Bf., daß sie erst durch die Zustellung des Vermögensabgabebescheides an Frau Julie M. die Auswirkung der Zurechnung erkannt hätten, ist abwegig. Nach den eigenen Angaben der Bf. waren diese bereits vor der Währungsreform der Auffassung, daß das Grundstück in den Nachlaß der Erblasserin Johanna H. gehörte. Ferner war bereits das LAG seit dem 1. September 1952 in Kraft. Schließlich hat das Finanzgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß die Bf. selbst noch 14 Monate seit dem Ergehen des Vermögensabgabebescheides an Frau Julie M. vom 28. Mai 1956, in dem das ganze Grundstück der Frau M. zugerechnet worden war, mit ihrer Antragstellung gezögert haben. Danach ist die Ablehnung der Zurechnungsfortschreibung von Amts wegen nicht zu beanstanden. Auch die weiteren Einwendungen der Rechtsbeschwerde sind nicht begründet. Es ist insbesondere unzutreffend, daß die Witwe H. auch nach dem Verkauf des Grundstückes dessen wirtschaftliche Eigentümerin geblieben sei. Der Nießbraucher ist entgegen der Ansicht des Vertreters der Erben regelmäßig nicht wirtschaftlicher Eigentümer. Die Behauptung, daß der Grundstücksveräußerungsvertrag nur ein Scheinvertrag gewesen sei, vermag nicht zu überzeugen. Ebensowenig kann anerkannt werden, daß die Erben der Frau H. bereits vor dem 1. Januar 1949 Eigenbesitzer des Grundstückes geworden seien. Darüber, ob am Währungsstichtage Ansprüche und Verpflichtungen auf Grund des übrigens nur für Erbverträge geltenden § 2287 BGB unter den Beteiligten bestanden haben, die im Falle ihres Bestehens bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe zu berücksichtigen wären, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Gründe zum Erlaß der Rechtsmittelgebühr und der Auslagen gemäß § 319 Abs. 1 AO sind nicht gegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409335

BStBl III 1959, 217

BFHE 1959, 567

BFHE 68, 567

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