Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Antrag auf Wertfortschreibung ist als rechtsmittelähnlicher Behelf anzusehen.

Die Frist für die Antragstellung auf Wertfortschreibung der Einheitswerte kriegszerstörter oder kriegsbeschädigter Grundstücke auf einen vor dem 21. Juni 1948 liegenden Zeitpunkt beginnt für die Stpfl. in der britischen Zone grundsätzlich von dem Bekanntwerden des Urteils des Bundesfinanzhofs III 107/50 S vom 22. November 1951 (BStBl. 1952 III S. 1) ab zu laufen.

 

Normenkette

AO §§ 83, 86 Abs. 1, § 87 Abs. 5, § 86/3, § 225a; BewG § 22/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) erstrebt Wertfortschreibung des Einheitswertes ihres Brauereigrundstücks auf den 1. Januar 1948 wegen Kriegsbeschädigung. Die Vorbehörden haben diesem Antrag nicht stattgegeben. Das Finanzgericht führt aus, daß die Frist für die Antragstellung am 31. Dezember 1948 abgelaufen, der Antrag jedoch erst am 11. August 1951 beim Finanzamt eingegangen sei. Nachsicht wegen Versäumnis der Antragsfrist könne wegen § 87 Abs. 5 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht gewährt werden. Wenn das Finanzamt davon abgesehen habe, eine Wertfortschreibung von Amts wegen vorzunehmen, sei dies nicht zu beanstanden. Ein Ermessensmißbrauch des Finanzamts liege jedenfalls nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt Rechtsirrtum.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Frist für den Antrag auf Wertfortschreibung ist eine Ausschlußfrist (ß 225 a Abs. 2 AO). Ausschlußfristen können mit Ausnahme der Rechtsmittelfristen nicht verlängert werden (§§ 83, 86 a. a. O.). So hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil V 176/41 vom 25. September 1942 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1942 S. 962) ausgesprochen, daß wegen Versäumnis der Frist für die Geltendmachung von Umsatzsteuervergütungsanträgen Nachsicht nicht gewährt werden könne, da es sich hierbei weder um eine Rechtsmittelfrist noch um eine ihrem Wesen nach den Rechtsmittelfristen gleichzustellende Frist handle. Den gleichen Standpunkt vertritt das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 18/50 vom 12. Juli 1950 (Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay.FMBl. - 1950 S. 428, Steuerrechtskartei, AO § 86 Rechtsspr. 1). Andererseits hat der Bundesfinanzhof den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs als rechtsmittelähnlichen Rechtsbehelf angesehen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 77/51 U vom 11. Juli 1951, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 III S. 161). Auch der Wertfortschreibungsantrag gemäß § 225 a AO hat rechtsmittelähnlichen Charakter, weil er darauf gerichtet ist, einen bestehenden Einheitswertbescheid, wenn auch erst mit Wirkung vom Fortschreibungszeitpunkt ab, abzuändern. Darauf, ob die beantragte Wertfortschreibung auf das Vorliegen eines Bewertungsfehlers in dem ursprünglichen Einheitswertbescheid oder auf veränderte Verhältnisse gestützt wird, kommt es für die Beurteilung der Frist für den Antrag auf Wertfortschreibung als rechtsmittelähnlichen Behelf nicht an. Nachsicht wegen Versäumnis dieser Frist kann daher gewährt werden. Hiervon ist auch bereits der Senat in seinem Urteil III 266/51 S vom 31. Oktober 1952 (BStBl. 1952 III S. 313) ausgegangen. Auch das Finanzgericht hat im Streitfall diese Auffassung vertreten. Es hat die Erteilung von Nachsicht nur im Hinblick auf § 87 Abs. 5 AO versagen zu müssen geglaubt. Gemäß § 87 Abs. 5 AO kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, Nachsicht nicht mehr gewährt oder ohne Antrag bewilligt werden. Es fragt sich, ob im Streitfall die versäumte Frist bereits am 31. Dezember 1948 geendet hat (ß 87 Abs. 5 mit § 225 a Abs. 2 Satz 2 AO). Dies ist entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht der Fall. Durch § 6 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Kontrollratgesetz Nr. 13 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1947 S. 18) war die Wertfortschreibung der Einheitswerte kriegsbeschädigter Grundstücke, abgesehen von wenigen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbaren Ausnahmen, ausgeschlossen. Der Bundesfinanzhof hat in dem Urteil III 107/50 S vom 22. November 1951 (BStBl. 1952 III S. 1) die Beschränkung der Wertfortschreibung der Einheitswerte des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes durch § 6 Abs. 3 a. a. O. für rechtsungültig erklärt, nachdem schon zuvor der Oberste Finanzgerichtshof in dem Urteil III 65/49 vom 22. März 1950 (Steuer und Wirtschaft 1950 Nr. 64 = Deutsche Steuerzeitung Eildienst 1950 S. 212) § 6 Abs. 3 der Hessischen Durchführungsverordnung zum Kontrollratgesetz Nr. 13 für rechtsungültig erklärt hatte. Das Urteil des Bundesfinanzhofs ist Ende 1951 bekannt geworden. Von diesem Zeitpunkt ab beginnt grundsätzlich für die Steuerpflichtigen in der britischen Zone die Frist für die Antragstellung auf Wertfortschreibung der Einheitswerte kriegszerstörter oder kriegsbeschädigter Grundstücke auf einen vor dem 21. Juni 1948 liegenden Zeitpunkt zu laufen. Denn bis zum Bekanntwerden des Urteils des Bundesfinanzhofs waren die Steuerpflichtigen durch die entgegenstehende Verordnung tatsächlich behindert, derartige Anträge auf Wertfortschreibung zu stellen oder Rechtsmittel gegen ablehnende Bescheide einzulegen. Erst das Urteil des Bundesfinanzhofs hat den Steuerpflichtigen praktisch die Möglichkeit dazu eröffnet. Von einer Fristveräumnis der Steuerpflichtigen vor Bekanntwerden des ihnen Antragstellung (Rechtsmitteleinlegung) praktisch erst ermöglichenden Urteils kann nicht gesprochen werden, da die Stpfl. sich auf die Rechtsgültigkeit der die Wertfortschreibung einschränkenden Verordnung verlassen durften und mußten. Diese Wirkung kommt einem Urteil des Bundesfinanzhofs aber nur dann zu, wenn die Antragstellung (Rechtsmitteleinlegung) selbst durch die später für rechtsungültig erklärte Verordnung behindert war. Nicht etwa gilt entsprechendes auch für den Fall eines eine Rechtsfrage anders als bisher entscheidenden Urteils des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 113/52 U vom 1. Oktober 1952, BStBl. 1952 III S. 319). Das Urteil des Finanzgerichts war daher wegen rechtsirrtümlicher Auslegung des § 87 Abs. 5 AO aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zwecks Entscheidung über Gewährung von Nachsicht zurückzuweisen. Sollte es im weiteren Verfahren noch auf die Frage einer Vornahme der Wertfortschreibung von Amts wegen ankommen, so wird insoweit auf das Urteil des Senats III 3/52 U vom 6. Februar 1953 (BStBl. 1953 III S. 65) Bezug genommen. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 33 des Grundsteuergesetzes in der Fassung vom 10. August 1951 (vgl. Urteil des Senats III 31/51 S vom 24. Oktober 1952, BStBl. 1952 III S. 304) schwebt Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (1 BvR 798/52).

 

Fundstellen

Haufe-Index 407635

BStBl III 1953, 165

BFHE 1954, 424

BFHE 57, 424

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