Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschränkung der Wertfortschreibung der Einheitswerte des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes durch § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 ist rechtsungültig.

Durchführungsbestimmungen der Leitstelle der Finanzverwaltung für die britische Zone zum KontrRG Nr. 13 (StuZBl. 1947 S. 18)

 

Normenkette

BewG § 22; AO § 225a

 

Tatbestand

Streitig ist die Wertfortschreibung des Einheitswertes des kriegsbeschädigten Fabrikgrundstückes der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 1. Januar 1948. Der auf den 1. Januar 1940 festgestellte Einheitswert betrug 10.130.000 RM. Auf den 21. Juni 1948 wurde der Einheitswert des teilzerstörten Grundstückes gemäß § 3 des Gesetzes des Wirtschaftsrates betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 vom 10. März 1949 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1949 S. 109) auf 5.565.000 DM fortgeschrieben. Die von der Bfin. beantragte Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1948 ist vom Finanzamt abgelehnt worden, weil die Voraussetzungen für Wertfortschreibungen kriegsbeschädigten Grundbesitzes nach dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 8. Oktober 1941 L 1137 3 III (StuZBl. 1941 S. 761) und nach § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum Kontrollratsgesetz (KontrRG) Nr. 13 vom 18. Februar 1947 (StuZBl. 1947 S. 18) nicht gegeben seien. Die Bfin. ist der Ansicht, daß die angeführten Bestimmungen gegen § 22 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) verstoßen und rechtsungültig sind. Die Berufung wurde vom Finanzgericht zurückgewiesen. Die Bfin. verbleibt in der Rechtsbeschwerde (Rb.) bei ihrer Ansicht.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Im Erlaß des Reichsministers der Finanzen und Reichsministers des Innern vom 8. Oktober 1941 ist angeordnet: "Sachschäden, die in einer Beschädigung von Grundbesitz bestehen, sind aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung steuerlich nicht zu berücksichtigen. Die Besteuerungsgrundlage (Einheitswert, Grundsteuermeßbetrag) des betreffenden Grundbesitzes gelten weiter. Die Grundsteuer bleibt, solange der Hebesatz nicht geändert wird, in der bisherigen Höhe vorbehaltlich etwaiger Billigkeitsmaßnahmen veranlagt. Werden beschädigte Grundstücke in einem anderen Umfange wiederhergestellt oder durch die Instandsetzung erheblich verbessert, so sind die Besteuerungsgrundlagen gemäß den bestehenden Vorschriften fortzuschreiben, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. In allen Fällen, in denen Gebäude zerstört oder als völlig zerstört anzusehen sind, sind die Besteuerungsgrundlagen der betreffenden Grundstücke erst dann gemäß den bestehenden Vorschriften fortzuschreiben, wenn auf dem Grundstück ein Ersatzbau, der an die Stelle des zerstörten Gebäudes tritt, errichtet worden ist, oder es feststeht, daß kein Ersatzbau errichtet werden wird." Grundlage für die durch diesen Erlaß angeordnete Beschränkung der Wertfortschreibung von Einheitswerten des kriegsbeschädigten oder zerstörten Grundbesitzes war die Tatsache, daß das Reich bei Kriegsschäden an Grundbesitz dem geschädigten Eigentümer die Kosten der Instandsetzung oder des Wiederaufbaues gemäß den Vorschriften der Kriegssachschädenverordnung ersetzte. Außerdem erhielt der geschädigte Eigentümer zum Ausgleich entgangener Einnahmen und zusätzlicher Ausgaben (Nutzungsschäden) eine Entschädigung gemäß besonderer Anordnung. Dies ist im Eingang des Erlasses ausdrücklich hervorgehoben. Mit dem Zusammenbruch des Reiches wurden diese Zahlungen eingestellt. Die Grundlage des Erlasses fiel damit weg. Er ist daher nicht mehr anwendbar. Insoweit ist dem Finanzgericht zuzustimmen.

Die Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 sind von der Leitstelle der Finanzverwaltung für die britische Zone auf Grund von § 12 der Reichsabgabenordnung (AO) erlassen worden. Gemäß § 12 a. a. O. kann der Reichsminister der Finanzen, an dessen Stelle für die britische Zone die Leitstelle getreten war, zur Durchführung und Ergänzung der Steuergesetze Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen. § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 überschreitet jedoch diesen Rahmen. Er schränkt die durch § 225a der AO und § 22 RBewG gegebenen Möglichkeiten der Wertfortschreibungen der Einheitswerte des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes erheblich ein. Diese Einschränkung des dem Steuerpflichtigen gesetzlich zustehenden Rechts auf Vornahme der Wertfortschreibung kann nicht mehr als Durchführung oder Ergänzung des § 225a AO und des § 22 RBewG gelten, sondern stellt eine änderung dieser Bestimmungen dar. Zu einer solchen änderung war die Leitstelle der Finanzverwaltung gemäß § 12 AO nicht befugt. § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 ist daher nicht rechtswirksam. In diesem Sinn hat auch bereits der Oberste Finanzgerichtshof in dem Urteil III 65/49 vom 22. März 1950 (Steuer und Wirtschaft - StW - 1950 Nr. 64 = Deutsche Steuerzeitung 1950 Eildienst S. 212) entschieden. Diese Entscheidung ist zu der gleichlautenden Bestimmung des § 6 Absatz 3 der Hessischen Durchführungsverordnung zum KontrRG Nr. 13 ergangen. Der Senat tritt dieser Entscheidung für § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen der Leitstelle der Finanzverwaltung zum KontrRG Nr. 13 bei. Ebenso rechtsunwirksam ist hiernach die in dem Erlaß der Finanzleitstelle vom 19. Februar 1947 (StuZBl. 1947 S. 21) enthaltene gleichlautende Beschränkung der Wertfortschreibungen der Einheitswerte des kriegsbeschädigten und zerstörten Grundbesitzes.

Das Finanzgericht hat gleichfalls die Rechtsungültigkeit des § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 bejaht. Es hält jedoch die beantragte Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1948 gleichwohl für unzulässig, weil das Gesetz vom 10. März 1949 davon ausgehe, daß Wertfortschreibungen der Einheitswerte in diesen Fällen erstmals auf den 21. Juni 1948 vorgenommen werden dürften. Damit habe der Gesetzgeber stillschweigend die Unzulässigkeit solcher Wertfortschreibungen für die Zeit vor dem 21. Juni 1948 gesetzlich verankert. Dem kann nicht gefolgt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine rechtsungültige Bestimmung durch ein späteres Gesetz stillschweigend legalisiert werden kann, ob es dazu nicht vielmehr eines ausdrücklichen Ausspruches des Gesetzgebers bedarf, wie dies z. B. im § 17 des Gesetzes des Wirtschaftsrats vom 3. Juni 1949 (StuZBl. 1949 S. 143) hinsichtlich der umstrittenen Verordnung vom 17. Juli 1948 über Vermögensteuerzahlungen für das zweite Kalenderhalbjahr 1948 geschehen ist. Denn im vorliegenden Fall ist überhaupt nicht festzustellen, daß das Gesetz vom 10. März 1949 die Unzulässigkeit von Wertfortschreibungen des kriegsbeschädigten oder kriegszerstörten Grundbesitzes für die Zeit vor dem 21. Juni 1948 sanktionieren wollte oder sanktioniert hat. Ein dahingehender Wille des Gesetzgebers wäre nur anzunehmen, wenn der Gesetzgeber die Rechtsungültigkeit des § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 gekannt oder mindestens Zweifel an der Rechtswirksamkeit gehabt hätte. Dies ist jedoch nicht festzustellen. In der Begründung des zur Durchführung des Lastenausgleichs ergangenen Gesetzes (öffentlicher Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet 1949 Nr. 27 S. 6) wird hervorgehoben, daß schon während der Kriegszeit für die kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundstücke eine Sonderregelung bestanden habe, wonach Wertfortschreibungen der Einheitswerte wegen Kriegsschäden regelmäßig nicht vorgenommen werden konnten, und daß für den Feststellungszeitpunkt vom 1. Januar 1946 und die folgenden Feststellungszeitpunkte eine entsprechende Einschränkung der Wertfortschreibungen gemäß § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 vorgelegen habe. Diese Einschränkung der Wertfortschreibungen sei erforderlich gewesen, weil die Vermögensteuerveranlagung 1946 durch eine vorhergehende Wertfortschreibung der Einheitswerte wegen Kriegsschäden um Monate hinausgezögert worden wäre. Die auf die Kriegsschäden an Grundbesitz entfallende Vermögensteuer sei jedoch erlassen worden. Für die bevorstehende Abgabe auf den Lastenausgleich könne indessen das Erlaßverfahren nicht beibehalten werden. Für die Berechnung der Abgaben müsse bei ihrer großen Tragweite ein fortgeschriebener Einheitswert auch für den kriegsbeschädigten Grundbesitz festgestellt werden, der mit den ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar sei. Der Gesetzeszweck erschöpft sich hiernach in der Schaffung allgemein gültiger, klarer Bewertungsgrundlagen für den Lastenausgleich. Es spricht nichts dafür, daß außerdem noch die auf den angeführten Bestimmungen, insbesondere auf § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 beruhende Beschränkung der Wertfortschreibung gesetzlich untermauert werden sollte. Höchstens ist aus dem Inhalt der Begründung des Gesetzes zu schließen, daß der Gesetzgeber die mehrfach erwähnte Beschränkung der Wertfortschreibung durch § 6 Absatz 3 a. a. O. für zulässig angesehen, nicht jedoch daß er diese Bestimmung nachträglich sanktioniert hat. Ebensowenig läßt sich ein derartiger Wille aus dem Gesetz selbst ableiten. Ein positiver Ausspruch darüber, daß vorgenommene Wertfortschreibungen der Einheitswerte des kriegsbeschädigten oder zerstörten Grundstückes auf einen vor dem 21. Juni 1948 liegenden Feststellungszeitpunkt rechtsunwirksam seien, findet sich im Gesetz nicht, obwohl dem Gesetzgeber bekannt sein mußte, daß in manchen Ländern trotz der angeordneten Beschränkung solche Wertfortschreibungen vorgenommen worden waren. Diese Frage ist in dem auf Grund des § 8 des Gesetzes vom 10. März 1949 ergangenen Erlaß des Direktors der Verwaltung für Finanzen vom 5. September 1949 (StuZBl. 1949 S. 357) behandelt. In II Ziffer 3 letzter Absatz des Erlasses wird ausgeführt:

Soweit in einzelnen Ländern oder Landesteilen Wertfortschreibungen wegen Kriegssachschäden ohne die Voraussetzungen des § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 auf den 1. Januar 1946, 1947 oder 1948 vorgenommen worden sind, können diese für die Bemessung der Wertgrenzen nach § 1 des Gesetzes außer Betracht bleiben.

Das angefochtene Urteil meint allerdings, daß damit die Zulässigkeit dieser Wertfortschreibungen auf einen vor dem 21. Juni 1948 liegenden Feststellungszeitpunkt nicht allgemein anerkannt worden sei. Die Richtigkeit dieser Auffassung ist zu bezweifeln. Mindestens sieht jedoch der Erlaß diese entgegen § 6 Absatz 3 der Durchführungsbestimmungen zum KontrRG Nr. 13 vorgenommenen Wertfortschreibungen als rechtsgültig an, da andernfalls die Bestimmung überflüssig gewesen wäre, daß sie für die Bemessung der Wertgrenzen nach § 1 des Gesetzes vom 10. März 1949 außer Betracht bleiben können.

Es bedarf noch der Prüfung, ob überhaupt ein beachtliches Interesse der Bfin. an der begehrten Wertfortschreibung vorliegt, obwohl die auf die Kriegsschäden entfallende Vermögensteuer zu erlassen war. Ein solches Interesse wird mindestens hinsichtlich der Grundsteuer zu bejahen sein. Denn die Steuermeßbeträge sind zwar nach den auf den 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswerten neu zu veranlagen (Fortschreibungsveranlagungen). Die fortgeschriebenen Steuermeßbeträge werden jedoch der Berechnung der Grundsteuer bei Fortschreibungen der Einheitswerte des kriegsbeschädigten oder kriegszerstörten Grundbesitzes erst vom Rechnungsjahr 1951 an zugrunde gelegt (ß 33 Absatz 2 a des Grundsteuergesetzes in der Fassung vom 10. August 1951, Bundessteuerblatt Teil I S. 466). Für die vorhergehende Zeit war die Bfin. lediglich auf Billigkeitsmaßnahmen der Gemeinde gemäß den Grundsteuerbilligkeits-Richtlinien als unvollkommenen Ersatz für die beantragte Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1948 angewiesen. Es besteht hiernach ein begründetes Interesse der Bfin. an der Vornahme der Wertfortschreibung.

Danach ist der Antrag der Bfin. auf Wertfortschreibung des Einheitswertes ihres Fabrikgrundstückes auf den 1. Januar 1948 zulässig. Die Abweichung des Einheitswertes, die sich für den 1. Januar 1948 gegenüber dem zuletzt festgestellten Einheitswert ergibt, beträgt unstreitig mehr als 200.000 RM. Die Wertgrenze des § 22 RBewG ist somit erreicht. Hiernach war das angefochtene Urteil nebst den ihm zugrundeliegenden Entscheidungen aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird - und zwar zweckmäßigerweise an das Finanzamt - zur Vornahme der beantragten Wertfortschreibung zurückverwiesen.

 

Fundstellen

BStBl III 1952, 1

BFHE 1953, 1

BFHE 56, 1

StRK, AO:12 R 4

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