Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung bei Streit über den Einheitswert des Betriebsvermögens einer KG

 

Leitsatz (NV)

Betrifft der Rechtsstreit einer aus einer Komplementärin und einer Kommanditistin bestehenden KG die Frage, ob der Einheitswert des Betriebsvermögens um das Darlehen zu mindern ist, das die Kommanditistin zur Finanzierung des Erwerbs des Anteils an der KG aufgenommen hat, so sind sowohl die Komplementärin als auch die Kommanditistin als klagebefugte Gesellschafter notwendig beizuladen, sofern sie nicht selbst Kläger sind.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 60 Abs. 3 S. 2; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des StEntlG 1984 § 95 Abs. 1; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des StEntlG 1984 § 97 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

An der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer KG, waren am Bewertungsstichtag 1. Januar 1983 die A als persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) und die B-GmbH als Kommanditistin beteiligt. Die GmbH hatte zur Finanzierung des Erwerbs des Anteils an der KG ein Darlehen von ... DM aufgenommen. Dieses, am 1. Januar 1983 noch nicht getilgte Darlehen wurde sowohl in der Steuerbilanz als auch in der Vermögensaufstellung der KG als Sonderbetriebsvermögen II der Kommanditistin ausgewiesen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte zunächst den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1983 nach Maßgabe ihrer Vermögensaufstellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) festgestellt. Nach einer Betriebsprüfung ließ das FA in dem nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Hauptfeststellungsbescheid die Darlehensverbindlichkeit der Kommanditistin jedoch nicht mehr zum Abzug zu, da Wirtschaftsgüter von Kapitalgesellschaften, die dem Betrieb einer Personengesellschaft dienen, stets Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft und nicht in die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Personengesellschaft einzubeziehen seien.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte die Klägerin, den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1983 um die Darlehensverbindlichkeit herabzusetzen. Das Finanzgericht (FG), das weder die Komplementärin der Klägerin noch die Kommanditistin zum Verfahren beigeladen hat, wies die Klage als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, daß die Darlehensverbindlichkeit der GmbH, die der Finanzierung der Kommanditeinlage gedient habe, unabhängig davon, ob es sich dabei sonst um Sonderbetriebsvermögen II handeln würde, bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der GmbH, nicht aber bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der KG als Betriebsschuld abzuziehen sei. Der Zuordnung der Darlehensverbindlichkeit der Kommanditistin zur wirtschaftlichen Einheit des gewerblichen Betriebs der Klägerin nach § 97 Abs. 1 Nr. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der im Streitfall maßgeblichen Fassung vor Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1984 (BGBl I 1983, 1583, BStBl I 1984, 14) i.V.m. § 95 Abs. 1 BewG als Sonderbetriebsvermögen II stehe der Wortlaut des § 97 Abs. 1 Nr. 1 BewG entgegen, wonach alle Wirtschaftsgüter, die einer Kapitalgesellschaft gehören, einen gewerblichen Betrieb bilden.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1983 um ... DM herabzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn das FG hat weder die Komplementärin der Klägerin noch die Kommanditistin zum Verfahren beigeladen, obwohl beide Gesellschafter durch die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin und die damit notwendig verbundene Aufteilung des Einheitswerts selbst berührt werden.

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 48 FGO müssen Dritte notwendig zum Verfahren beigeladen werden, wenn sie an einem Rechtsstreit derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Dritte klagebefugt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. April 1991 IX R 78/88, BFHE 163, 517, BStBl II 1991, 809).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall bezüglich beider Gesellschafter der Klägerin erfüllt, da diese gegen den Bescheid des FA über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens Klage erhoben und die Feststellung eines niedrigeren Einheitswerts begehrt hat, dessen Höhe und Aufteilung sich zwingend auch auf den Einheitswertanteil der einzelnen Gesellschafter auswirkt. Die Entscheidung kann deshalb gegenüber der klagenden Gesellschaft und ihren Gesellschaftern nur einheitlich ergehen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 99/88, BFH/NV 1990, 516).

Die Vorschrift des § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO, wonach Mitberechtigte nicht notwendig beizuladen sind, wenn sie nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind, steht dem nicht entgegen. Die Klagebefugnis der Komplementärin, die als zur Geschäftsführung befugte Gesellschafterin selbst keine Klage erhoben hat, ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Die Kommanditistin ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugt, da es sich bei der geltendgemachten Zuordnung ihrer Darlehensverbindlichkeit zum Betriebsvermögen der Klägerin um eine Frage handelt, die wegen der Behandlung als Sonderbetriebsvermögen die Kommanditistin persönlich angeht (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1991 XI R 48/88, BFH/NV 1992, 664).

Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung stellt einen von Amts wegen zu beachtenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1966 III 96/62, BFHE 85, 327, BStBl III 1966, 327). Auf die notwendige Beiladung kann weder verzichtet noch kann sie in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (§ 123 FGO; BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209). Ist eine notwendige Beiladung unterblieben, muß die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit die Beiladung nachgeholt werden kann (BFH-Urteil vom 21. Juni 1988 VIII R 93/87, BFH/NV 1989, 589).

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 223

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge