Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung, Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Sind Ehegatten zusammen zur Vermögensabgabe veranlagt worden und verfolgt ein Ehegatte mit der Anfechtung des Veranlagungsbescheides Interessen, die denen des anderen Ehegatten entgegenstehen, so ist der Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid wie ein einheitlicher Feststellungsbescheid zu behandeln mit der Folge, daß der andere Ehegatte zum Prozeß beigeladen werden muß (notwendige Beiladung) und die Entscheidung nur einheitlich und gleichzeitig ergehen kann.

Wurde außer gegen den Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid auch gegen den Bescheid über die Aufteilung der Vierteljahrsbeträge wegen Auflösung der Ehe von dem einen Ehegatten Einspruch eingelegt und wurden die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, ohne daß die in beiden Verfahren notwendige Zuziehung bzw. notwendige Beiladung des anderen Ehegatten erfolgt ist, so führt dieser vom BFH von Amts wegen zu beachtende Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens auch dann zur Aufhebung der ganzen Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der beiden verbundenen Sachen an das FG, wenn der Revisionsantrag nur das Vermögensabgabe-Veranlagungsverfahren betrifft.

FGO §§ 60 Abs. 3, 96 Abs. 1 Satz 2, 118 Abs. 3, 184; AO §§ 239 Abs. 3 in der bis zum 31. Dezember

 

Normenkette

FGO § 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 S. 1, § 118/3, § 184; AO § 239 Abs. 3, § 241/3; LAG §§ 29, 38, 66; 14-AbgabenDV-LA 43; 14-AbgabenDV-LA 48

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin war am 21. Juni 1948 mit dem Kaufmann F. verheiratet. Die Ehegatten lebten zu diesem Zeitpunkt nicht dauernd getrennt. Unter dem damaligen Namen der Revisionsklägerin wurde das Unternehmen "Emma F., Raumkunst und Holzbearbeitungswerk" geführt. Durch unanfechtbar gewordenen Feststellungsbescheid wurde der Einheitswert des Betriebsvermögens des vorgenannten Unternehmens auf den 21. Juni 1948 auf 15.500 DM festgestellt und der Revisionsklägerin in vollem Umfang zugerechnet. Seit Ende 1950 lebte die Revisionsklägerin von ihrem damaligen Ehemann getrennt; im Jahre 1952 wurde die Ehe geschieden. Im November 1954 ist die Revisionsklägerin eine neue Ehe mit Herrn J., ihrem jetzigen Prozeßbevollmächtigten, eingegangen. Durch Veranlagungsbescheid vom 19. August 1957 zog das Finanzamt (FA) die Revisionsklägerin und deren geschiedenen Ehemann F. zur Vermögensabgabe heran. Als gesamtes der Vermögensabgabe unterliegendes Vermögen der zusammen veranlagten früheren Ehegatten wurde der Einheitswert des Betriebsvermögens in Höhe von 15.500 DM angesetzt; unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 5.000 DM wurden die verbleibende Abgabeschuld auf 5.250 DM und der ursprüngliche Vierteljahresbetrag auf 89,25 DM festgesetzt. Auf dem Bescheid war vermerkt, daß die Aufteilung der Vermögensabgabe nach § 66 LAG nach Rechtskraft des Bescheides erfolgen werde. Der Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid wurde jedem der früheren Ehegatten gesondert zugesandt. Die Revisionsklägerin ließ gegen diesen Bescheid Einspruch einlegen und u. a. vortragen, Abgabepflichtiger könne nicht sie, sondern nur ihr damaliger Ehemann sein, weil von diesem bzw. seiner Familie allein das abgabepflichtige Vermögen stamme. Am 19. September 1957 erschien der frühere Ehemann der Revisionsklägerin beim FA und gab zu dem ihm ebenfalls zugegangenen Vermögensabgabebescheid eine Erklärung zu Protokoll, in der er unter Ziff. 2 ausführte, er fühle sich nicht zur Zahlung der Vermögensabgabe verpflichtet, weil das abgabepflichtige Vermögen nicht ihm, sondern seiner damaligen Ehefrau gehört habe.

Vor Entscheidung über den Einspruch gegen den Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid nahm das FA mit Bescheid vom 14. Januar 1958 die Aufteilung der Vermögensabgabe gemäß § 66 LAG vor. Die Vermögensabgabe wurde ab 10. Februar 1958 (Rate 85) allein der Revisionsklägerin zugeteilt. Auf dem Aufteilungsbescheid, der sowohl der Revisionsklägerin als auch dem früheren Ehemann F. zugesandt wurde, war folgendes vermerkt: "Da kein gemeinsamer Aufteilungsantrag vorliegt, erfolgt die Aufteilung von Amts wegen im Verhältnis der der Abgabe unterliegenden Vermögen der Ehegatten. Am 21. 6. 48 gehörte das der Abgabe unterliegende Vermögen lt. rechtskräftiger Feststellung v. 5. 6. 57 Frau Emma F." Die Revisionsklägerin ließ gegen den Aufteilungsbescheid ebenfalls Einspruch einlegen und nahm zur Begründung auf den bisherigen Schriftwechsel in der Vermögensabgabesache Bezug.

Das FA hat mit einer Einspruchsentscheidung sowohl den Einspruch gegen den Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid als auch den Einspruch gegen den Vermögensabgabe-Aufteilungsbescheid als unbegründet zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es u. a. ausgeführt, das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen habe ausschließlich aus Vermögen bestanden, das der eingetragenen Firma Emma F., Raumkunst und Holzbearbeitung, gewidmet gewesen sei. Dieses Betriebsvermögen sei unanfechtbar der Revisionsklägerin zugerechnet worden. Einwendungen gegen diese Zurechnung könnten nach § 232 Abs. 2 AO in diesem Rechtsmittelverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Auch habe der frühere Ehemann F. auf Befragen erklärt, daß das Vermögen am Währungsstichtag nicht ihm, sondern seiner damaligen Ehefrau gehört habe. Aus welchen Mitteln seinerzeit die Firma gegründet worden sei, sei auf jeden Fall belanglos. Am 21. Juni 1948 könnten nicht mehr Schulden bestanden haben, als bei der Feststellung des Betriebsvermögens zu diesem Zeitpunkt von der Revisionsklägerin angegeben und vom FA berücksichtigt worden seien. Bei der Aufteilung der Vermögensabgabe nach § 66 LAG habe der Vierteljahresbetrag der Revisionsklägerin gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 LAG ganz zugeteilt werden müssen, weil die Vermögensabgabe ausschließlich auf Vermögen beruhe, das ihr unanfechtbar zugerechnet worden sei.

Soweit die Akten erkennen lassen, ist die Einspruchsentscheidung nur dem Bevollmächtigten der Revisionsklägerin zugesandt worden. Dieser hat mit der gegen die Einspruchsentscheidung eingelegten Berufung beantragt, den gegen die Revisionsklägerin gerichteten Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid aufzuheben, weil sie nicht für die Vermögensabgabe ihres früheren Ehemannes hafte, und die Aufteilung der Vermögensabgabe gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 LAG voll zu Lasten des früheren Ehemannes F. durchzuführen. Es sei unrichtig, wenn der frühere Ehemann dem FA gegenüber erklärt habe, das Vermögen am Währungsstichtag habe nicht ihm, sondern seiner Ehefrau gehört; hierzu werde die eidliche Vernehmung des F. beantragt. Für die Beurteilung der Vermögensabgabepflicht im Verhältnis der Ehegatten zueinander sei nicht bestimmend, wer von beiden aus den Schulden der Firma verpflichtet sei, sondern wer von beiden am 21. Juni 1948 das Vermögen besessen habe, denn nur der werde zum Lastenausgleich herangezogen. Die Revisionsklägerin habe kein Vermögen besessen und habe außerdem in Gütertrennung gelebt. Wenn aber das Vermögen der Firma Emma F. ausschließlich dem früheren Ehemann gehört habe, so sei dieser auch nur allein vermögensabgabepflichtig. Die Aufteilung nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 LAG entspreche nicht der tatsächlichen Vermögensverteilung unter den Ehegatten. Bei der Vermögensaufteilung zwischen den Ehegatten komme es nicht darauf an, daß der Revisionsklägerin das Betriebsvermögen allein zugerechnet worden sei, denn das Gesamtvermögen sei ausschlaggebend, und dieses könne sich aus verschiedenen Vermögenswerten zusammensetzen. Da der frühere Ehemann Vermögen besessen habe, habe damit jeder der Ehegatten einen Anspruch auf einen Freibetrag gehabt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Berufung wegen der Vermögensabgabeveranlagung und wegen der Aufteilung der Vermögensabgabe als unbegründet zurückgewiesen unter gleichzeitiger Verböserung hinsichtlich der gewährten Familienermäßigung. Da der Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens vom 5. Juni 1957, in welchem das Betriebsvermögen der Revisionsklägerin in vollem Umfang zugerechnet wurde, unanfechtbar geworden sei müsse diese Zurechnung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 LAG in Verbindung mit § 73 Abs. 3 BewG auch der Vermögensabgabeveranlagung zugrunde gelegt werden. Im Verfahren gegen die Vermögensabgabeveranlagung könnten gemäß § 232 Abs. 2 AO gegen die Zurechnung des Betriebsvermögens keine Einwendungen mehr geltend gemacht werden. Infolge dieser bindenden Zurechnung könne ein Freibetrag auch nur der Revisionsklägerin zuerkannt werden, ein zweiter Freibetrag komme nicht zur Anwendung. Auch die vom FA vorgenommene Aufteilung der Vermögensabgabe sei nicht zu beanstanden. Als Aufteilungsmaßstab komme nur § 66 Abs. 2 Nr. 3 LAG in Betracht. Zu Recht habe das FA den gesamten Vierteljahresbetrag der Revisionsklägerin zugeteilt, weil die Festsetzung der Vermögensabgabe ausschließlich auf Vermögen beruhe, das unanfechtbar der Revisionsklägerin zugerechnet worden sei. Das Urteil des FG ist ausweislich der Akten nur dem Prozeßbevollmächtigten der Revisionsklägerin und dem FA zugestellt worden.

Mit der Rb. wurde beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben, soweit sie die Ablehnung eines weiteren Freibetrages von 5.000 DM für den damaligen Ehemann F. betreffe, und damit das abgabepflichtige Vermögen um 5.000 DM auf 5.500 DM zu berichtigen. Dem Einheitswert des Betriebsvermögens, das hier allein der Vermögensabgabe unterliege, seien außergeschäftliche Schulden gegenüberzustellen; wenn es sich dabei um interne Schulden zwischen Ehegatten handle, seien diese nach dem BewG zwar nicht zu den Schulden zu rechnen; für die Beurteilung nach § 29 Abs. 1 LAG sei es aber erheblich, ob dem Betriebsvermögen, das rein formal-rechtlich der Revisionsklägerin zugerechnet worden sei, am Stichtag Schulden an den früheren Ehemann gegenübergestanden hätten. Diese Schulden ergäben sich schon aus der Gründung der Firma an sich. Die Kaufgelder zur übernahme des Holzbearbeitungsbetriebs stammten aus Mitteln des Ehemannes bzw. seiner Verwandten, wie die Revisionsklägerin wiederholt vorgetragen habe. Hierzu sei Beweis angetreten mit Auszügen aus dem Scheidungsurteil. Das Verfahren leide auch an wesentlichen Mängeln, denn das FG habe auf eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen F. verzichtet. Es werde noch einmal ausdrücklich die eidliche Vernehmung des früheren Ehemannes F. als Zeugen beantragt. Noch unter dem 8. Dezember 1949 habe der frühere Ehemann an das FA einen Stundungsantrag gestellt, dessen Inhalt eindeutig erkennen lasse, daß sich der Ehemann als tatsächlicher wirtschaftlicher Inhaber der Firma betrachtet habe. Auf Grund dieser Rechtslage seien die Freibeträge nach § 29 Abs. 1 LAG daher für jeden der beiden Ehegatten voll zu gewähren. Die Revisionsklägerin habe Beweis dafür angetreten, daß das Betriebsvermögen zu einem wesentlichen Teil von dem Ehemann herrühre und dieser daher auf den vollen Freibetrag von 5.000 DM Anspruch erheben könne. Der Revisionsklägerin müsse der gleiche Freibetrag zustehen, nachdem das FA entschieden habe, daß das Betriebsvermögen wegen ihrer Unternehmereigenschaft ihr zuzurechnen sei. In Wahrheit bestehe der Anteil der Revisionsklägerin am Betriebsvermögen nur aus den Gewinnen und evtl. Zuzahlungen, die sich heute nicht mehr würden nachprüfen lassen. Nachdem das FG eine Aufteilung der Vermögensabgabe aber ausschließlich auf die Revisionsklägerin vorgenommen habe, sei auch ihr in jedem Fall der Freibetrag von 5.000 DM einzuräumen. Nach dem Stichtagsprinzip seien mithin Freibeträge in Gesamthöhe von 10.000 DM zu gewähren, weil die Ehegatten am 21. Juni 1948 nicht dauernd getrennt gelebt haben. Das FG habe außer acht gelassen, daß das Betriebsvermögen intern auf beide Ehegatten entfalle und insoweit, wenn schon die Revisionsklägerin vermögensabgabepflichtig sein solle, sie dann auch das Recht auf Zuerkennung des doppelten Freibetrages habe. Die Revisionsklägerin habe im gesamten Rechtsmittelverfahren eindeutig vorgetragen, daß sie am Währungsstichtag eigenes Vermögen nicht besessen habe. Wenn trotzdem aus rein formal-juristischen Gründen eine Vermögensabgabepflicht konstruiert worden sei, dann nehme die Revisionsklägerin allerdings für sich das Recht nach § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 c LAG auf den doppelten Freibetrag für die damaligen beiden Ehegatten am Stichtag in Anspruch. Das FA verkenne den Akteninhalt wenn es behaupte, Forderungen bei der Auseinandersetzung aus Anlaß der Ehescheidung seien nicht geltend gemacht. Hierzu werde auf den vom Oberlandesgericht protokollierten Vergleich in der Ehescheidungssache verwiesen.

Das FA hat beantragt, die Rb. als unbegründet zurückzuweisen. Es schließt sich im wesentlichen den Ausführungen in der Vorentscheidung an. Im Hinblick auf das Begehren eines weiteren Freibetrages führt das FA aus, die Revisionsklägerin habe erstmalig in der Begründung ihrer Rb. erklärt, daß ihr Ehegatte am 21. Juni 1948 an sie Forderungen gehabt hätte. Im bisherigen Verfahren habe die Revisionsklägerin keinerlei diesbezügliche Anträge gestellt. Es lägen bis heute weder genaue Angaben über die Höhe der Forderungen an die Revisionsklägerin bzw. Schulden an ihren geschiedenen Ehemann vom 21. Juni 1948, noch Angaben darüber vor, wann diese Verpflichtungen entstanden seien, ob sie zu verzinsen und wie sie zu tilgen seien. Ohne diese detaillierten Einzelangaben sei eine Bewertung solcher Schulden nicht möglich. Nach Ansicht des FA bedürfe es aber dieser Angaben überhaupt nicht bzw. nicht mehr, da aus dem bisherigen Vorbringen klar hervorgehe, daß die Revisionsklägerin keine Schulden gegenüber ihrem damaligen Ehemann gehabt habe, die eine echte tatsächliche und wirtschaftliche Belastung dargestellt hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die im Februar 1962 beim FG eingegangene Rb. ist nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln (Hinweis auf § 184 FGO vom 6. Oktober 1965 - BGBl 1965 I S. 1477 ff.).

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sind zwei Verwaltungsakte, nämlich der Bescheid über die Veranlagung zur Vermögensabgabe vom 19. August 1957 und der Bescheid über die Aufteilung der Vermögensabgabe nach § 66 LAG vom 14. Januar 1958. Das FA hatte die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche stillschweigend zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden. Das FG hat, nachdem gegen die einheitlich ergangene Einspruchsentscheidung von der Revisionsklägerin Berufung eingelegt worden war, die Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung beibehalten und eine gemeinsame Berufungsentscheidung erlassen. Ob ein FG die in einer gemeinsamen Einspruchsentscheidung entschiedenen Streitfälle zur gesonderten Entscheidung wieder trennt oder die Verbindung beibehält, liegt grundsätzlich in seinem pflichtmäßigen Ermessen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Verbindung durch die Vorinstanz zu beachten, es sei denn, daß die Verbindung bzw. die Beibehaltung der Verbindung seitens des FG ohne sachlichen Grund erfolgt wäre (vgl. auch Urteil des BFH II 248/60 U vom 11. April 1962, BStBl 1962 III S. 320, Slg. Bd. 75 S. 143). Im Streitfall stellt die Beibehaltung der Verbindung der Streitsache auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 41 der Vierzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (14. AbgabenDV-LA), wonach eine Aufteilung nach oder in Verbindung mit der Veranlagung vorgenommen wird, keine Ermessensverletzung des FG dar. Der Senat hat daher über die Revision gegen die Vorentscheidung als einheitliche Entscheidung zu befinden.

Bei den beiden angefochtenen Bescheiden war von Anfang an streitig, welchem der beiden früheren Ehegatten das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen gehört habe und wie es dementsprechend gemäß § 66 LAG aufzuteilen sei. Nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 1 BvL 29/57 und 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1951 (BStBl 1961 I S. 55 ff.) über die verfassungskonforme Auslegung der Freibetragsregelung des § 29 LAG ergab sich hieraus die weitere Streitfrage, ob nur ein Freibetrag oder mit Rücksicht auf die Behauptung der Revisionsklägerin, beide Ehegatten hätten ihnen zuzurechnendes der Vermögensabgabe unterliegendes Vermögen gehabt, zwei Freibeträge bei der Vermögensabgabeveranlagung abzusetzen seien. Soweit es sich hierbei um die Frage handelt, wem das Betriebsvermögen des unter der Firma Emma F. betriebenen Holzbearbeitungswerkes mit dem Einheitswert von 15.500 DM zuzurechnen war, hat die Vorinstanz die Einwendungen der Revisionsklägerin gegen die auf letztere erfolgte Zurechnung unter Hinweis auf § 232 Abs. 2 AO für unzulässig gehalten, weil solche Einwendungen nur in einem Verfahren gegen den Feststellungsbescheid hätten berücksichtigt werden können. Der Senat hat zwar in dem zu § 55 c LAG ergangenen Grundsatzurteil III 195/64 S vom 5. Februar 1965 (BStBl 1965 III S. 304 ff., Slg. Bd. 82 S. 161) ausgesprochen, daß, wenn die in einem der Vermögensabgabeveranlagung zugrunde liegenden Einheitswertbescheid enthaltene Zurechnung nicht den Vermögensverhältnissen jedes einzelnen Ehegatten am Währungsstichtag entspricht und die Zurechnung nur deshalb vorgenommen und widerspruchslos hingenommen worden ist, weil sie nach den Zusammenrechnungs- und Zusammenveranlagungsvorschriften des BewG, des VStG und des LAG bisher ohne abgabenrechtliche Auswirkung gewesen war, dann zur Vermeidung einer Benachteiligung der Ehegatten bei der Bemessung der Freibeträge die Aufteilung des Einheitswerts in gewissen Fällen formlos und nur mit Wirkung auf die Freibetragsregelung nachgeholt werden können. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Gegen den Bescheid über die Feststellung des Betriebsvermögens auf den 21. Juni 1948, der ausweislich der Akten am 10. März 1954 dem zu diesem Zeitpunkt bereits von der Revisionsklägerin geschiedenen Ehegatten F. und am 1. November 1956 dann auch der Revisionsklägerin zugesandt worden war, hatte letztere durch ihren Bevollmächtigten Einspruch eingelegt und damals bereits ausgeführt, daß sie zwar als Inhaberin des Betriebs gezeichnet habe, die Mittel zum Kauf des Betriebs im Jahre 1946 aber aus der Familie des früheren Ehemannes F. gestammt hätten; die Firma sei nur darum unter dem Namen der Revisionsklägerin betrieben worden, weil die fehlende Entnazifizierung des Herrn F. keine andere Lösung zugelassen habe. Trotz dieser Darlegungen erging dann gemäß § 94 Abs. 1 AO der Einheitswertbescheid vom 29. Mai 1957 über das Betriebsvermögen auf den 21. Juni 1948, in welchem die Revisionsklägerin als Eigentümerin des Betriebes Raumkunst und Holzbearbeitungswerk bezeichnet wurde. Dieser Bescheid, in welchem zunächst der Wert des Anteils der Revisionsklägerin nur mit 10.900 DM bei einem Einheitswert von 15.500 DM angegeben war, wurde durch den nach § 92 Abs. 3 AO ergangenen Berichtigungsbescheid vom 5. Juni 1957 dahin abgeändert, daß nunmehr der Revisionsklägerin der volle Einheitswert zugerechnet wurde. Diesen Bescheid hat die bereits damals durch ihren jetzigen Bevollmächtigten vertretene Revisionsklägerin ausweislich der Akten unanfechtbar werden lassen. Bei dieser Sach- und Rechtslage und im Hinblick darauf, daß zu diesem Zeitpunkt die Ehe längst geschieden war, hat die Vorinstanz ohne Rechtsirrtum eine änderung in der Zurechnung des Betriebsvermögens bei der Vermögensabgabeveranlagung unter Hinweis auf § 232 Abs. 2 AO abgelehnt. Für eine änderung in der Zurechnung unter den Gesichtspunkten des oben angeführten Grundsatzurteils des erkennenden Senats III 195/64 S ist hier kein Raum.

Andererseits hat die Revisionsklägerin, wie bereits zuvor erwähnt, sowohl im Einspruchsverfahren als auch in der Berufungsinstanz vorgetragen, auch ihr früherer Ehemann F. habe Vermögen besessen, was die Zuerkennung eines weiteren Freibetrages rechtfertigen sollte. Im Hinblick darauf, daß die Vermögensabgabeveranlagung der früheren Ehegatten - mit Recht - als Zusammenveranlagung durchgeführt war, hätte es zur Nachprüfung und Entscheidung über dieses Vorbringen der Revisionsklägerin der Beteiligung des früheren Ehemannes F. am Rechtsmittelverfahren über die Vermögensabgabeveranlagung bedurft, denn die Entscheidung im Vermögensabgabeverfahren der zusammen veranlagten früheren Eheleute, die insoweit ihrem Wesen nach mehrere Beteiligte voraussetzt, konnte nur einheitlich mit Wirkung für und gegen beide Ehegatten ergehen, weil bei beiden Ehegatten einander entgegengesetzte Interessen vorlagen. Insoweit ist der Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid wie ein einheitlicher Feststellungsbescheid zu behandeln (vgl. auch die Entscheidung des Senats III 3/61 U vom 25. Oktober 1963, BStBl 1964, III S. 16, Slg. Bd. 78 S. 44, über die ähnliche Rechtssituation bei einem Hypothekengewinnabgabebescheid). Der frühere Ehemann F. ist jedoch weder im Einspruchsverfahren noch in der Berufungsinstanz zum Verfahren zugezogen worden.

Einer Beteiligung des früheren Ehemannes am Rechtsmittelverfahren hätte es ferner in jedem Fall im Hinblick auf das ebenfalls streitbefangene und rechtshängige Aufteilungsverfahren bedurft. Wie der BFH wiederholt ausgesprochen hat, sind die im LAG vorgesehenen Bescheide über die Aufteilung der Lastenausgleichsabgaben solche Bescheide, die ihrem Wesen nach mehrere Beteiligte voraussetzen und gegenüber diesen Beteiligten nur einheitlich ergehen können. Denn die Aufteilungsbescheide, auch der hier streitbefangene Aufteilungsbescheid nach § 66 LAG, regeln die Rechtsbeziehungen nicht nur zwischen der Finanzverwaltungsbehörde und den Abgabepflichtigen, sondern auch die Rechtsbeziehungen unter den an der Aufteilung beteiligten Abgabepflichtigen. Der Aufteilungsbescheid hat rechtsgestaltende Wirkung. Von der Bekanntgabe ab ist das Gesamtschuldverhältnis der zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Vierteljahrsbeträge nach Maßgabe des § 43 Abs. 1 der 14. AbgabenDV-LA aufgehoben, und jeder der Beteiligten schuldet gemäß § 43 Abs. 2 a. a. O. nur noch den auf ihn entfallenden Vierteljahresbetrag. Je nach dem Verhältnis, in welchem die Aufteilung erfolgt, wird der eine der Beteiligten in einem bestimmten Maße begünstigt und der andere in dem gleichen Maße belastet oder können beide gleichmäßig belastet werden. Die Entscheidung über die Anteile der Beteiligten muß gleichzeitig gegenüber beiden Beteiligten getroffen werden, weil nur auf diese Weise die Gewähr gegeben ist, daß der aufzuteilende Betrag, der zahlenmäßig in der Regel feststeht, durch die Aufteilung voll, aber auch nicht etwa doppelt erfaßt wird. Auch im Rechtsmittelverfahren können nur einheitliche Entscheidungen ergehen, da jede Verschiebung der Belastung durch eine Rechtsmittelentscheidung sich gleichzeitig bei dem einen Beteiligten zu dessen Gunsten, bei dem anderen zu dessen Lasten auswirken muß. Würde im Rechtsmittelverfahren nicht gleichzeitig und einheitlich gegenüber beiden Beteiligten entschieden, so könnte sich daraus wiederum ergeben, daß der - feststehende - Aufteilungsbetrag entweder nicht in voller Höhe oder teilweise bzw. in vollem Umfang doppelt erfaßt würde. Dergestalt einander überschneidende Aufteilungsergebnisse können nur durch eine einheitliche Entscheidung vermieden werden, vor der den Beteiligten aus rechtsstaatlichen Gründen auch rechtliches Gehör zu gewähren ist. Im Rechtsmittelverfahren gegen solche Bescheide sind daher alle Beteiligten von Amts wegen zum Verfahren zuzuziehen. Dies ergibt sich auch aus § 48 der 14. AbgabenDV-LA, wonach die Rechtsmittel mehrerer an einem Vermögensabgabe-Aufteilungsverfahren Beteiligter miteinander zu verbinden sind und Beteiligte, die keine Rechtsmittel eingelegt haben, zu dem Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zuzuziehen sind. Diese Bestimmung entspricht der Vorschrift des § 239 Abs. 3 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung. Der BFH hat weiter ausgesprochen, daß die Unterlassung einer solchen notwendigen Zuziehung sich als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellt (vgl. u. a. Urteile des BFH III 250/60 U vom 15. März 1963, BStBl 1963 III S. 309, Slg. Bd. 76 S. 851; III 346/60 vom 30. Mai 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 19; VI 77/63 U vom 13. November 1964, BStBl 1965 III S. 76, Slg. Bd. 81 S. 215).

Hieran ist auch nach Inkrafttreten der FGO festzuhalten. Nach § 60 Abs. 3 FGO sind, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, diese beizuladen. Es handelt sich dann um einen Fall der notwendigen Beiladung, die der notwendigen Zuziehung nach § 239 Abs. 3 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung insoweit gleichzuachten ist. Da im Streitfall die notwendige Zuziehung, nunmehr die notwendige Beiladung, des früheren Ehemannes F. unterblieben war, mußte dieser Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens nach der Rechtsprechung des BFH auch ohne Rüge und ohne Rücksicht auf die Revisionsanträge von Amts wegen berücksichtigt werden (vgl. Urteil des BFH VI 77/63 U, a. a. O.). Bei einem Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens oder beim Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung kommen die Vorschriften der §§ 96 Abs. 1 Satz 2 und 118 Abs. 3 FGO nicht zum Tragen. Dem steht daher auch nicht entgegen, daß das Revisionsbegehren sich nur auf die Anerkennung eines weiteren Freibetrages, nicht aber auch gegen die Aufteilung richtet. Denn infolge Beibehaltung der Verbindung beider Rechtsmittelverfahren durch die Vorinstanz ist durch die Revisionseinlegung das Urteil als Ganzes ohne Rücksicht auf die gestellten Anträge von Amts wegen daraufhin zu untersuchen, ob Verstöße gegen die Grundordnung des Verfahrens vorliegen, oder Verfahrensvoraussetzungen fehlen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Diese sich aus der Unterlassung einer notwendigen Beiladung ergebende verfahrensrechtliche Konsequenz entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 65 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung, der inhaltlich mit § 60 Abs. 3 FGO im wesentlichen übereinstimmt (vgl. Urteile des BVerwG V C 96/62 vom 27. März 1963 - Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 16 S. 23 ff. - und II C 97/61 vom 10. März 1964 - Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 18 S. 124 ff. -).

Das FG wird nunmehr nach Beiladung des früheren Ehemannes F. erneut über die Berufung zu verhandeln und zu entscheiden haben, wobei auch das neue Vorbringen zu würdigen ist. Gemäß § 143 Abs. 2 FGO war dem FG die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zu übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411965

BStBl III 1966, 327

BFHE 1966, 327

BFHE 85, 327

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