Leitsatz (amtlich)

1. Über die sachliche Vermögensteuerbefreiung nach § 3 a Nr. 1 Satz 2 VStG ist im Verfahren zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu entscheiden.

2. Das Vermögen einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ist für die Zurechnung bei der Besteuerung wie das Vermögen einer Kommanditgesellschaft zu behandeln. Dabei wird es so angesehen, als hätte die KGaA nur einen Kommanditisten, der durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre dargestellt wird.

 

Normenkette

AO §§ 214-216; VStG § 3a Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, hat den satzungsmäßigen Zweck, Hafenumschlagseinrichtungen zu betreiben und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte durchzuführen. Die Aktien der Klägerin befinden sich in privater Hand.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) setzte zum 1. Januar 1970 die Vermögensteuerjahresschuld zunächst auf 10 380 DM und nach Klageerhebung durch berichtigten Bescheid aufgrund des festgestellten Gesamtvermögens von 1 806 000 DM auf 18 060 DM fest. Die Klägerin beantragte, den berichtigten Vermögensteuerbescheid zum Gegenstand dieses Verfahrens zu machen. Sie begehrt, ihr Hafenvermögen von der Vermögensteuer freizustellen.

Die Sprungklage gegen die Steuerfestsetzung war erfolglos.

Das FG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Revision der Klägerin rügt, das FG habe § 216 AO unrichtig ausgelegt und zu Unrecht § 3 a Nr. 1 VStG bei der Vermögensteuerfestsetzung nicht berücksichtigt. Die §§ 214, 215, 216 AO bezweckten die Vorbereitung der endgültigen Steuerfestsetzung. Sie könnten nicht das Bestehen einer Steuerpflicht und demgemäß auch nicht die volle oder teilweise Befreiung von der Steuerpflicht präjudizieren. Ihr Anwendungsbereich sei auf die Bewertung und die Zurechnung des Vermögens begrenzt. Diese gesetzliche Beschränkung lasse sich entgegen der Auffassung des FG nicht deshalb, weil ihr Vermögen mehreren Vermögensträgern zugerechnet werden müsse, d. h. aus Zweckmäßigkeitsgründen erweitern, mit der vom FG ausgesprochenen Folge, daß über Fragen der Steuerfestsetzung im Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Einheitswerts entschieden würden. Dies ergebe sich aus der Regelung des § 3 a Nr. 1 Satz 2 VStG, die ausdrücklich die Anwendung des § 59 BewG ausschließe. Wenn aber die Befreiung nur die Vermögensteuer und nicht auch die Gewerbesteuer betreffe, so müsse über sie zwangsläufig im Verfahren zur Festsetzung der Vermögensteuerschuld entschieden werden.

Die Klägerin trägt weiter vor, daß sie sämtliche Voraussetzungen für die Vermögensteuerbefreiung ihres Hafenvermögens erfülle, denn ihr Vermögen diene dem öffentlichen Verkehr und sie stehe unter Betriebspflicht, Kontrahierungspflicht und Tarifzwang.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Festsetzung der Vermögensteuerjahresschuld 1970 dahin zu ändern, daß die Hafeneinrichtungen als vermögensteuerfrei anerkannt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. § 3 a VStG regelt sowohl persönliche wie auch sachliche Befreiungen von der Vermögensteuer. Nach dem für die Klägerin in Betracht kommenden § 3 a Nr. 1 Satz 2 VStG sind Unternehmen, die sich nicht ausschließlich im Eigentum von juristischen Personen des öffentlichen Rechts befinden, von der Vermögensteuer befreit, soweit ihr Vermögen dazu bestimmt ist, unter der Auflage der Beförderungspflicht, der Betriebspflicht und des Tarifzwangs dem öffentlichen Verkehr zu dienen. Diese Vorschrift bewirkt, wie der Senat in anderem Zusammenhang schon entschieden hat (vgl. Entscheidung des BFH vom 19. November 1971 III R 124/69, BFHE 104, 365, BStBl II 1972, 324), eine sachliche Befreiung von Vermögen, das in der von dem Befreiungstatbestand beschriebenen Weise qualifiziert ist. Unter "Vermögen" im Sinne dieser Befreiungsvorschrift sind einzelne Vermögensgegenstände oder anders ausgedrückt, einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zu verstehen. Dies ergibt sich zunächst daraus, daß für eine wirtschaftliche Einheit, die sich aus einer Mehrzahl selbständiger Wirtschaftsgüter zusammensetzt, nur jeweils für das einzelne Wirtschaftsgut bestimmt werden kann, ob es dem öffentlichen Verkehr dient. Es folgt aber auch daraus, daß § 59 BewG (= § 101 BewG 1965) nicht anzuwenden ist. Letztere Vorschrift befaßt sich nur mit einzelnen Wirtschaftsgütern, so daß ihre Anwendung überhaupt nicht in Betracht kommen könnte, wenn der Gesetzgeber § 3 a Nr. 1 Satz 2 VStG nicht im Sinne einer sachlichen Vermögensteuerbefreiung einzelner Wirtschaftsgüter verstanden hätte. Dieser Befreiungstatbestand kann damit nicht dahin ausgelegt werden, daß das persönlich qualifizierte Unternehmen mit einem Bruchteil des Werts seines Betriebsvermögens von der Vermögensteuer befreit sei. Dies hat der Senat auch schon im Urteil III R 124/69 ausgesprochen und begründet.

2. Nach § 214 AO werden die der Besteuerung zugrunde zu legenden Einheitswerte für das gewerbliche Betriebsvermögen gesondert festgestellt. Die gesonderte Feststellung wird einheitlich getroffen, wenn an dem Betriebsvermögen mehrere beteiligt sind (§ 215 AO). In letzterem Fall ist in dem Feststellungsbescheid über den Einheitswert auch eine Feststellung darüber zu treffen, wie der festgestellte Wert sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt (§ 216 Abs. 1 Nr. 2 AO), d. h., wie er ihnen für die Besteuerung zuzurechnen ist.

Die Klägerin ist Inhaberin gewerblichen Betriebsvermögens, für das ein Einheitswert gesondert festzustellen ist. Sie ist als Kommanditgesellschaft auf Aktien zwar eine juristische Person (vgl. § 278 Abs. 1 AktG); für die Zurechnung ihres Vermögens wird sie aber wie eine Kommanditgesellschaft behandelt, deren einziger Kommanditist die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist. Deshalb ist der für das Betriebsvermögen einer Kommanditgesellschaft auf Aktien festgestellte Einheitswert auf den oder die persönlich haftenden Gesellschafter einerseits und auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre andererseits aufzuteilen (vgl. Entscheidung des RFH vom 20. Februar 1936 III A 376/34, RStBl 1936, 231). Die Klägerin ist deshalb nur mit dem ihr zugerechneten Vermögen steuerpflichtig, nicht auch mit dem Vermögen, das ihren persönlich haftenden Gesellschaftern zugerechnet wird.

3. Die Steuerpflicht erfaßt sachlich nicht immer eine ganze wirtschaftliche Einheit. Dies zeigt der Entscheidungsfall.

Nach dem am Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1970 maßgebenden § 101 Nr. 1 BewG 1965 (= § 59 BewG in der Fassung vor dem Bewertungsgesetz 1965) gehören solche Wirtschaftsgüter nicht zum Betriebsvermögen, die von der Vermögensteuer befreit sind. Die Anwendung des § 101 Nr. 1 BewG hätte zur Folge, daß das nach § 3 a Nr. 1 Satz 2 VStG befreite Vermögen bei der Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens der Klägerin außer Betracht bleiben müßte. Dadurch, daß die Anwendung des § 101 Nr. 1 BewG durch § 3 a Nr. 1 Satz 2 Abs. 2 VStG ausgeschlossen wird, sind aber auch die befreiten Vermögensteile in die wirtschaftliche Einheit des Betriebsvermögens mit einzubeziehen. Die Bedeutung dieser Regelung liegt auf dem Gebiet der Gewerbekapitalsteuer (vgl. § 12 GewStG), auf die sich die Befreiung nicht auswirken soll.

Unterliegt eine wirtschaftliche Einheit nur mit einem ihrer Teile der Vermögensteuer oder einer Realsteuer, so wird nach § 214 Nr. 3 b AO für diese Teile der Einheitswert gesondert festgestellt. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß der Gesetzgeber auch die Feststellung der Werte für Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die als Besteuerungsgrundlage für eine bestimmte Steuer in Betracht kommen, nicht dem Steuerfestsetzungsverfahren, sondern dem Verfahren, zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlage zugewiesen hat (so auch Baltzer, DStZ A 1953 S. 422). Dabei ist es nach dem Wortsinn des § 214 Nr. 3 b AO gleichgültig, ob nur die Teile einer wirtschaftlichen Einheit mit Steuer belastet werden, so daß es lediglich einer Wertfeststellung für diese Teile bedarf, oder ob daneben auch die ganze wirtschaftliche Einheit Besteuerungsgrundlage für eine andere Steuer ist. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nach Auffassung des Senats, daß für jede dieser Steuern die Werte gesondert festzustellen sind, die der jeweiligen Steuer unterliegen. Dies bedeutet, daß für die verschiedenen Steuern auch verschiedene Einheitswerte festzustellen sind. Dadurch, daß in der sachlichen Befreiungsvorschrift des § 3 a Nr. 1 Satz 2 VStG die Anwendung des § 101 BewG ausgeschlossen wurde, hat sich gegenüber den bisher bekannten Fällen unterschiedlichen Umfangs der gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlage, nämlich des Unterschieds zwischen Vermögensteuer und Grundsteuer, eine weitere Fallgruppe ergeben, die in den Anwendungsbereich des § 214 Nr. 3 b AO fällt. Das FG hat deshalb im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Klägerin mit ihrem Vorbringen, ein Teil ihres Betriebsvermögens sei von der Vermögensteuer befreit, im Verfahren zur Festsetzung der Jahressteuerschuld nicht gehört werden kann (vgl. § 42 Abs. 2 FGO). Der Revision mußte deshalb der Erfolg versagt bleiben.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 470

BFHE 1975, 501

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