Leitsatz (amtlich)

Ein Verkehrsunternehmen, das in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird und dessen Anteile sich nicht ausschließlich in der öffentlichen Hand befinden, unterliegt auch dann der Mindestbesteuerung, wenn sein gesamtes Vermögen sachlich von der Vermögensteuer befreit ist.

 

Normenkette

VStG § 3a Nr. 1 S. 2, § 6 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.11.1972; Aktenzeichen 1 BvR 119/72)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH. Sie betreibt eine Seilbahn. Der Seilbahnbetrieb unterliegt der Beförderungspflicht, der Betriebspflicht und dem Tarifzwang. Das FA hat den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1966 auf minus 10 000 DM festgestellt. Es hat die Vermögensteuer nach einem Mindestvermögen von 20 000 DM auf jährlich 200 DM festgesetzt.

Die Sprungklage, mit der die Klägerin Freistellung von der Steuer begehrte, hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision machte die Klägerin geltend, sie habe nur Vermögen, das dem öffentlichen Verkehr unter der Auflage der Beförderungspflicht, der Betriebspflicht und dem Tarifzwang diene. Ihr Vermögen sei damit nach § 3a Nr. 1 Satz 2 VStG in vollem Umfang von der Vermögensteuer befreit. Die Mindestbesteuerung setze voraus, daß eine Körperschaft wenigstens mit einem Teil ihres Vermögens der Vermögensteuer unterliege. Dies ergebe sich aus der Gliederung des VStG, das in Kapitel I die Steuerpflicht und die Bemessungsgrundlage und in Kapitel II die Steuerberechnung behandle. Die Mindestbesteuerung sei in Kapitel II geregelt und setze damit voraus, daß eine Kapitalgesellschaft überhaupt der Vermögensteuer unterliege.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Steuerbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Die Klägerin ist als Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Bereich des Grundgesetzes unbeschränkt vermögensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a VStG). Sie ist von der Vermögensteuer nicht persönlich befreit. Als Verkehrsbetrieb, dessen Anteile nicht ausschließlich der öffentlichen Hand zustehen, genießt sie allerdings die Befreiung nach § 3a Nr. 1 Satz 2 VStG. Das FG hat unangefochten festgestellt, daß das gesamte Vermögen der Klägerin unter der Auflage der Beförderungspflicht, der Betriebspflicht und des Tarifzwangs dem öffentlichen Verkehr dient. Damit führt die Befreiung des § 3a Nr. 1 Satz 2 VStG für die Klägerin dazu, daß sie überhaupt kein steuerpflichtiges Vermögen hat. Insoweit besteht im Ergebnis kein Unterschied zu einem Unternehmen, das persönlich von der Vermögensteuer befreit ist. Trotzdem kann die Klägerin nicht so behandelt werden, als wäre sie persönlich von der Vermögensteuer befreit. Denn das VStG unterscheidet eindeutig zwischen persönlichen Befreiungsgründen und sachlichen Befreiungsvoraussetzungen. Die persönlichen Befreiungsgründe erfordern eine bestimmte Qualifikation der Person des Vermögensträgers (vgl. z. B. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 oder Nr. 5 und 6 VStG), während die sachlichen Befreiungstatbestände ohne Rücksicht auf die Person des Vermögensträgers eine bestimmte Qualifikation des Vermögens verlangen (vgl. z. B. §§ 115 und 117 BewG 1965). Auch § 3a Nr. 1 Satz 2 VStG führt, wie das FG zutreffend angenommen hat, zu einer sachlichen Befreiung der Vermögensteuer. Zwar könnte aus den einleitenden Worten "Sonstige Unternehmen dieser Art", wobei die Art des Satzes 1 gemeint ist, auf eine persönliche Befreiung geschlossen werden. Aus der weiteren Regelung ergibt sich aber eindeutig, daß nur bestimmtes, in besonderer Weise qualifiziertes Vermögen von der Vermögensteuer freigestellt wird. Auf die Person des Vermögensträgers kommt es dabei nicht an.

Der Klägerin ist darin zuzustimmen, daß das VStG nicht dadurch äußerlich zwischen persönlichen und sachlichen Befreiungstatbeständen unterscheidet, daß es jede Gruppe einem besonderen Paragraphen zugewiesen hat. Dies erschwert das Verständnis der gesetzlichen Vorschriften für den Rechtsunterworfenen. Es wäre deshalb wünschenswert, alle sachlichen Befreiungstatbestände im Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage zu regeln. Wenn demnach im geltenden VStG zwischen persönlichen und sachlichen Befreiungstatbeständen nicht durch die äußere Anordnung der Regelungen unterschieden wird, so kann doch nicht angenommen werden, daß dieser Unterschied nicht besteht. Denn er ergibt sich eindeutig aus dem Wortsinn der einzelnen Rechtsvorschriften. Bei persönlich von der Vermögensteuer befreiten Vermögensträgern ist weder eine Ermittlung des Vermögens noch eine Wertfeststellung veranlaßt. Die sachliche Befreiung erfordert dagegen eine Vermögensermittlung unter Berücksichtigung der sachlichen Befreiungstatbestände. Deshalb hat die Klägerin auch ein Gesamtvermögen im Sinn des § 7 Nr. 1 Buchst. b VStG, wenn auch ein negatives, das das FA zu Recht festgestellt hat. Die Tatsache, daß die Klägerin nur Vermögen besitzt, das sachlich von der Vermögensteuer freigestellt ist, kann damit nicht als persönliche Befreiung gewertet werden.

Da die Klägerin nicht persönlich von der Vermögensteuer befreit ist, müssen auf sie die Vorschriften des II. Abschnitts über die Steuerberechnung angewendet werden. Aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 7 Nr. 1 Buchstabe b VStG ergibt sich, daß sie als GmbH ungeachtet der individuellen Bemessungsgrundlage jedenfalls ein Mindestvermögen von 20 000 DM versteuern muß. Die Mindestbesteuerung setzt nicht voraus, daß die Klägerin wenigstens in geringem Umfang steuerpflichtiges Vermögen hat, sondern sie wäre auch durchzuführen, wenn sie völlig vermögenslos wäre. Dies ergibt sich auch aus § 6 Abs. 1 Satz 2 VStG, wonach eine teilweise sachliche Vermögensteuerbefreiung, durch die sich für eine GmbH ein Vermögen von weniger als 20 000 DM ergibt, die Mindestbesteuerung nicht ausschließt. Unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, in den diese Vorschrift hineingestellt ist, muß dies auch gelten, wenn die sachliche Befreiung dazu führt, daß sich überhaupt kein positives Vermögen ergibt. Die Mindestbesteuerung von Kapitalgesellschaften verstößt, wie das BVerfG mit Beschluß 1 BvL 10/69 vom 13. Oktober 1971 entschieden hat, nicht gegen das GG. Die Festsetzung der Vermögensteuer für 1966 erweist sich damit als rechtmäßig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413053

BStBl II 1972, 324

BFHE 1972, 365

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