Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Fluggastbrücken

 

Leitsatz (amtlich)

Bewegliche Fluggastbrücken sind keine Maschinen, Apparate oder Geräte des Kap.84 KN. Sie gehören als "Konstruktionen" zur Position 7308 KN.

 

Orientierungssatz

1. Unter Maschinen, Apparaten oder Geräten i.S. des Kap. 84 KN sind solche technischen Gegenstände zu verstehen, deren Zweck, deren funktionsprägendes Merkmal die Leistung einer bestimmten Arbeit ist (z.B. Klimatisierung, Kühlen, Stoffbehandlung, Reinigen, Heben, Papierherstellen, Biegen von Metallen oder eine entsprechende sonstige "Funktion"). Dabei gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Maschinen einerseits und Apparaten und Geräten andererseits (vgl. EuGH-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung).

2. Die Allgemeine Vorschrift 3 KN ist nicht schon in allen Fällen anwendbar, in denen über die Auslegung einer Position Zweifel bestehen. Vorrangig gilt der Wortlaut der einzelnen Positionen und Anmerkungen; die Allgemeine Vorschrift KN ist subsidiär heranzuziehen. Die Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 3 KN setzt voraus, daß für die Einreihung einer Ware "zwei oder mehr Positionen in Betracht" kommen.

3. NV: Trotz der Verwendung eines Briefkopfes mit der Bezeichnung "… Gesellschaft …" ist eine Klage wegen verbindlicher Zolltarifauskünfte zulässig, wenn der Text der Klageschrift keinen Zweifel darüber aufkommen läßt, daß die Klage von einem Steuerberater und nicht von der Gesellschaft erhoben worden ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

KN Pos 7308 UPos 9099; KN Pos 8428; KN Pos 8479; KN AllgVorschr. 1; KN Abschn. 15 Anm 1 Buchst. f.; KN Kap 84; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; KN AllgVorschr. 3

 

Tatbestand

In ihrer auf Antrag der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) 483/1988 vom 11.August 1988 wies die Beklagte (Oberfinanzdirektion ―OFD―) die "X Fluggastbrücken (Teleskopbrücke und Noseloader)" der Unterposition 7308 9099 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu. Bei den zu tarifierenden Waren handelt es sich nach der Warenbeschreibung in der vZTA um tunnelförmige Brückenkonstruktionen, die im wesentlichen aus Stahl (Träger, Profile, Bleche usw.) mit einem geringen Anteil an Aluminium und anderen nichtmetallischen Stoffen bestehen. Der Noseloader ist fest mit dem Boden und dem Flughafengebäude verbunden. Er kann gehoben und gesenkt werden. Der vordere Teil der Brücke kann ausgefahren werden. Das Heben und Senken erfolgt durch einen hydraulischen Hubantrieb, das Ausfahren durch Drehstrommotore und Kettenantriebe. Die Teleskopbrücke ist über ein Fahrwerk beweglich und ihr Vorderteil kann ausgefahren werden. Sie kann gehoben, gesenkt und seitlich geschwenkt werden. Der Fahrantrieb erfolgt durch Gleichstrommotore, das Schwenken über Drehstrommotore, das Heben und Senken über einen hydraulischen Hubantrieb. Die Brücke ist fest mit dem Flughafengebäude verbunden.

Gegen diese vZTA legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, bei den Fluggastbrücken handle es sich um Maschinen zum Heben, Beladen, Entladen oder Fördern, weswegen sie in die Unterposition 8428 9099 KN einzureihen seien. Die OFD wies den Einspruch im wesentlichen mit der Begründung zurück, nach der Bedeutung in bezug auf die Verwendung des Erzeugnisses bestimme der überdachte Passagier-Laufgang (Durchgang) eindeutig den Charakter der Fluggastbrücken; die mechanische Hub-, Schwenk- und Fahreinrichtung und die Steuer- und Regelanlage seien notwendige Hilfseinrichtungen. Da der Stahl gegenüber dem Aluminium gewichtsmäßig vorherrsche, sei der Passagier-Laufgang als eine Konstruktion aus Stahl anzusehen und in die Position 7308 KN einzureihen.

 

Entscheidungsgründe

++/ Die Klage ist zulässig. Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) sind Gesellschaften nicht vertretungsberechtigt. Die Klageschrift könnte darauf schließen lassen, daß die "X + Y Gesellschaft für …" die Klage namens der Klägerin erhoben hat. Denn der Kopf des Schreibens trägt diese Bezeichnung ohne den später in der Klagebegründung enthaltenen Hinweis "X, Steuerberater, in …". Der Text der Klageschrift ("erhebe ich namens … Klage … X, Steuerberater") läßt jedoch keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Klage für die Klägerin von dem Steuerberater X und nicht von der genannten Gesellschaft erhoben worden ist (vgl. auch z.B. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. März 1986 IV R 118/84, BFH/NV 1986, 466; vom 18. Februar 1986 IV B 15/86, BFH/NV 1986, 627, und vom 26. Juni 1986 VIII B 57/85, BFH/NV 1986, 756). Das belegt auch die nachgereichte Vollmacht der Klägerin auf den Steuerberater X. /++

Die Klage ist nicht begründet.

Die OFD hat die zu tarifierenden Fluggastbrücken zu Recht der Unterposition 7308 9099 KN zugewiesen ("Konstruktionen und Konstruktionsteile, z.B. Brücken und Brückenelemente, Schleusentore …, aus Eisen oder Stahl"). Die Waren sind nach ihrer objektiven Beschaffenheit solche Konstruktionen. Sie bestehen zwar aus verschiedenen Metallen. Gewichtsmäßig vorherrschend ist aber Eisen und Stahl, so daß sie entsprechend der Anm.5 zu Abschn.XV KN tariflich als Konstruktionen aus diesem Metall anzusehen sind.

Eine andere Tarifierung käme nur in Betracht, wenn die Fluggastbrücken als "Waren des Abschn.XVI (Maschinen und Apparate; elektrotechnische Waren)" anzusehen wären; denn solche Waren sind nach Anm.1 f zu Abschn.XV KN von diesem Abschnitt ausgeschlossen. Die Fluggastbrücken sind aber keine Maschinen, Apparate oder technische Geräte i.S. des Abschn.XVI KN.

Die KN definiert den Begriff "Maschinen, Apparate und mechanische Geräte" i.S. des Abschn.XVI und des Kap.84 KN nicht ausdrücklich. Sein Inhalt ergibt sich jedoch aus dem Wortlaut der einzelnen Positionen des Kap.84 KN. Er stellt jeweils auf den Verwendungszweck, die Funktion der Ware, ab (z.B. Klimageräte ―8415―, Kühlschränke ―8418―, Apparate zum Behandeln von Stoffen ―8419―, Maschinen zum Reinigen ―8422―, Maschinen zum Heben usw. ―8428―, Maschinen zum Herstellen von Papier ―8439―, Werkzeugmaschinen zum Biegen von Metallen ―8462―, Maschinen mit eigener Funktion, in Kap.84 anderweit weder genannt noch inbegriffen ―8479―). Unter Maschinen, Apparaten oder Geräten i.S. des Kap.84 KN sind also solche technischen Gegenstände zu verstehen, deren Zweck, deren funktionsprägendes Merkmal die Leistung einer bestimmten Arbeit ist (z.B. Klimatisierung, Kühlen, Stoffbehandlung, Reinigen, Heben, Papierherstellen, Biegen von Metallen oder eine entsprechende sonstige "Funktion"). Dabei gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Maschinen einerseits und Apparaten und Geräten andererseits; Maschinen weisen allenfalls eine erhöhte Kompliziertheit im Vergleich zu Apparaten und Geräten auf (siehe Ausführungen der Kommission in der Rs.108/76, EuGHE 1977, 1051).

Entsprechend hat der EuGH in seinem Urteil vom 26.Mai 1977 Rs.108/76 (EuGHE 1977, 1047, 1054) entschieden. Ohne zwischen Maschinen, Apparaten und Geräten zu unterscheiden, hat er in Absatz 5 seiner Entscheidung ausgeführt, Kap.84 stelle auf den Zweck der Ware ab, "deren funktionsprägendes Merkmal in der mehr oder weniger konstanten Bewirkung mechanischer Bewegungsvorgänge besteht", wobei als Bewegungsvorgang auch die Leistung einer bestimmten Arbeit verstanden werden kann ("zweckgerichtete Bewegung", Senatsbeschluß vom 26.Oktober 1976 VII K 2/75, BFHE 120, 315, 316; vgl. auch die Äußerungen der Kommission in der Rechtssache des EuGH 108/76, EuGHE 1977, 1051).

Das tariflich allein relevante funktionsprägende Merkmal der zu tarifierenden Fluggastbrücken ist, als Verbindung zwischen dem Flughafengebäude ―mit dem die Brücke fest verbunden ist― und dem Flugzeug zu dienen, d.h. wie eine Brücke von Personen begangen (oder befahren) zu werden. Die Beweglichkeit der Brücken hat mit diesem funktionsprägenden Merkmal nichts zu tun. Sie ist zwar von entscheidender Bedeutung für die Zuführung der Ware zu ihrer Zweckbestimmung und mag auch, wie die Klägerin vorträgt, technisch aufwendig und teuer sein. Sie dient aber nur dazu, mit der Brücke ―unabhängig von der Größe und der Bauweise des jeweils abzufertigenden Flugzeugs― die Verbindung zwischen diesem und dem Flughafengebäude wirksam und bequem herzustellen und tritt nach Erreichung dieses Ziels nicht mehr in Erscheinung. Prägend für die Funktion der Ware als Brücke ist sie also nicht. Diese ist rein statisch, d.h. die zu tarifierende Ware erfüllt ihre Funktion als Brücke erst, wenn sie in Ruhestellung ist. Bei der Erfüllung dieser Funktion leistet die Fluggastbrücke keine Arbeit durch mechanische Bewegungsvorgänge, sie hebt, belädt, entlädt und fördert nicht i.S. der Position 8428 KN. Die Ware kann daher nicht als Maschine, Apparat oder Gerät i.S. des Kap.84 KN angesehen werden. Dafür sprechen im übrigen auch die Erläuterungen zur KN (7308/1 Rdz.03.0), wonach zu den Konstruktionen dieser Position auch z.B. Gangways zählen, wobei kein Unterschied gemacht wird, ob diese in der Art der zu tarifierenden Fluggastbrücken beweglich sind.

Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt das EuGH-Urteil in EuGHE 1977, 1047, 1054. Der EuGH hat zur Abgrenzung zwischen einer Konstruktion i.S. der Tarifnr. 73.21 GZT und einer Maschine i.S. des Kap.84 GZT in Absatz 4 und 5 seines Urteils darauf abgestellt, ob das funktionsprägende Merkmal in der mehr oder weniger konstanten Bewirkung mechanischer Bewegungsvorgänge besteht (vgl. auch Senatsurteil vom 20.September 1983 VII K 8-10/82, BFHE 139, 444, 446) oder grundsätzlich statischen Charakter hat. Dabei hat er eine etwaige Beweglichkeit der Ware ―wie bei den von ihm erwähnten hydraulischen Grubenstempeln oder beweglichen Brücken― als für die Tarifierung nach Kap.73 irrelevant bezeichnet, wenn die Ware nach ihrer Aufstellung bei ihrem Einsatz entsprechend ihrem Zweck in Ruhestellung verbleibt (vgl. auch das aufgrund dieses EuGH-Urteils ergangene Senatsurteil vom 26.Oktober 1977 VII K 2/75, BFHE 124, 266). Das aber ist bei den zu tarifierenden Waren der Fall.

Nicht stichhaltig ist der Einwand der Klägerin, im zitierten Urteil habe der EuGH eine den Fluggastbrücken vergleichbare Ware als Maschine des Kap.84 GZT angesehen. Die vom EuGH zu tarifierende Ware unterschied sich von den vorliegenden in wesentlichen Punkten. Dort handelte es sich um ein Gerät, das im Bergbau zur Sicherung der Strebraumdecke eingesetzt wird und die Funktion hatte, die Abbauarbeiten ständig zu begleiten. Der EuGH konnte in Anwendung der von ihm entwickelten allgemeinen Kriterien zum Ergebnis gelangen, daß bei dieser Maschine die Beweglichkeit zur prägenden Funktion gehörte. Bei den Fluggastbrücken ist dagegen, wie ausgeführt, prägend die Brückenfunktion, bei deren Erfüllung sie in Ruhestellung verharren.

Auf die AV 3 KN kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Deren Anwendung setzt voraus, daß für die Einreihung einer Ware "zwei oder mehr Positionen in Betracht" kommen. In Betracht kommen aber nur Positionen, deren Voraussetzungen nach ihrem Wortlaut und erforderlichenfalls nach ihrer Auslegung grundsätzlich erfüllt sind. Das ergibt sich bereits aus AV 1, wonach vorrangig der Wortlaut der einzelnen Positionen und Anmerkungen gilt und die AV erst subsidiär heranzuziehen ist. AV 3 ist also nicht schon, wie die Klägerin offenbar meint, in allen Fällen anwendbar, in denen über die Auslegung einer Position Zweifel bestehen. Wählte man das für die Tarifierung maßgebende Recht (Tarifposition oder AV 3) nach dem weitgehend subjektiven Merkmal der Zweifelhaftigkeit aus, so ersetzte man im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin gerade nicht die "mehr oder weniger subjektiv beeinflußte, zweifelhafte Auslegung" durch eine "sachgerechte" Methode, sondern erreichte das Gegenteil.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63056

BFH/NV 1991, 19

BFHE 162, 528

BFHE 1991, 528

BB 1991, 336 (T)

HFR 1991, 365 (LT)

StE 1991, 66 (K)

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