Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff der stillen Gesellschaft im Sinne des § 8 Ziff. 3 GewStG ist nicht Beteiligung an einem Handelsgewerbe erforderlich. Es genügt die Beteiligung an einem Gewerbe schlechthin.

Auch im Bereich der Gewerbesteuer kann der Begriff der stillen Gesellschaft nicht anders ausgelegt werden als nach Handelsrecht. Der Senat gibt seine in der Entscheidung IV 593/56 U vom 17. April 1958 (BStBl 1958 III S. 278) vertretene Auffassung auf, daß bei einem gewinnbeteiligten Verpächter zur Anwendung des § 8 Ziff. 3 GewStG ein der stillen Gesellschaft wirtschaftlich ähnliches Verhältnis genügt.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Gewerbesteuermeßbeträge II/1948 bis 1955.

Das Finanzamt rechnete dem gewerblichen Gewinn des Steuerpflichtigen (Stpfl.) als Gewinnanteile aus stiller Gesellschaft (§ 8 Ziff. 3 GewStG) folgende Beträge hinzu: II/1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 --- DM --- DM -- DM -- DM -- DM -- DM -- DM -- DM 19.268 28.991 32.451 49.748 63.046 60.554 56.608 57.976.

Diese Beträge leistete der Stpfl., dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, auf Grund des Vertrages vom 24. April 1946 an seine im Jahre 1956 verstorbene Mutter für die pachtweise überlassung der von ihr bis zum Jahre 1945 selbst geführten Baumaterialien- und Kohlengroßhandlung. Es handelte sich bei diesen Beträgen um die Hälfte der vom Stpfl. erzielten, in seinen Handelsbilanzen ausgewiesenen Gewinne, die als Pachtentgelt vereinbart waren. Das Pachtentgelt betrug monatlich mindestens 200 RM. Die auf die verpachteten Gebäudeteile und Grundstücke entfallenden Steuern und Lasten bezahlte der Stpfl. Die Verpächterin war befugt, jederzeit in die Bücher durch einen Sachverständigen Einblick zu nehmen, um sich von dem ordentlichen Zustand des Geschäfts zu überzeugen.

Im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung war streitig, ob der Mutter des Stpfl. die genannten Beträge als Mitunternehmerin und damit als gewerblicher Gewinn oder als Verpächterin und damit als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugeflossen seien. Die Vorinstanz entschied durch rechtskräftiges Urteil vom 15. November 1957 II 230 - 243/1956, daß der Vertrag vom 24. April 1946 nicht ein Gesellschaftsvertrag, sondern ein Pachtvertrag war.

Von dieser Rechtsauffassung gehen die Beteiligten auch in dem jetzt anhängigen Verfahren aus. Streit besteht jedoch darüber, ob es sich - wie das Finanzamt meint - wegen Gewinnabhängigkeit der Pacht, Erheblichkeit der Gewinnbeteiligung (50 v. H.) und Langfristigkeit des Pachtverhältnisses - eine Kündigung war erst zum 1. Januar 1951 möglich - um eine der stillen Gesellschaft ähnliche Beteiligung der Mutter des Stpfl. handelte, wie sie die Rechtsprechung in erweiternder Auslegung zur Anwendung des § 8 Ziff. 3 GewStG genügen läßt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 593/56 U vom 17. April 1958, BStBl 1958 III S. 278, Slg. Bd. 67 S. 14).

Das Finanzgericht wies die Berufung des Stpfl. zurück. Mit der Rb. macht der Stpfl. im wesentlichen geltend, daß die Voraussetzungen für die Annahme einer gesellschaftsähnlichen Beteiligung im Sinne der bezeichneten Rechtsprechung nicht gegeben seien, weil die Gewinnbeteiligung über eine angemessene Verzinsung des verpachteten Kapitals nicht hinausgehe. Bereits im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung II 230 - 243/1956 habe er darauf hingewiesen, daß die Pachtzahlungen nur zwischen 2 bis 4 v. H. des Umsatzes betragen hätten. Es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -), daß das Finanzamt die erheblich unter einer normalen Umsatzpacht liegenden Pachtleistungen dem gewerblichen Gewinn nur deshalb zurechne, weil es sich um eine Gewinnbeteiligungspacht handle. Nach § 8 Ziff. 8 (jetzt § 8 Ziff. 7) GewStG dürfe dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nur der Teil der Pacht hinzugerechnet werden, der auf die nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter entfalle. Auch das habe die Vorinstanz nicht beachtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Stpfl. hat im Ergebnis Erfolg. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

Nach § 335 HGB ist stiller Gesellschafter, wer sich an dem Handelsgewerbe eines anderen beteiligt. Nach § 20 Abs. 1 Ziff. 2 EStG sind Einkünfte aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter nur dann Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn es sich um eine Beteiligung an einem Handelsgewerbe handelt. Die steuerliche Rechtsprechung läßt bei Anwendung des § 8 Ziff. 3 GewStG abweichend von diesen Vorschriften die Beteiligung an einem Gewerbe schlechthin genügen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 154/38 vom 16. März 1938, RStBl 1938 S. 556). Diese Auslegung wird vom Wortlaut und vom Sinn der Vorschrift des § 8 Ziff. 3 GewStG gedeckt, die anders als § 20 EStG keinen einschränkenden Hinweis auf Beteiligung an einem Handelsgewerbe enthält. Sie verwendet lediglich den Begriff der stillen Gesellschaft als solchen. Daraus kann geschlossen werden, daß das Gesetz im Hinblick auf den Objektcharakter der Gewerbesteuer und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Beteiligung an einem Gewerbe schlechthin genügen läßt. Denn es läßt sich nicht rechtfertigen, die steuerliche Behandlung einer Beteiligung entscheidend davon abhängig zu machen, ob ein Handelsgewerbe im Sinn des HGB oder ein Gewerbebetrieb im steuerlichen Sinn vorliegt, der auch das Kleingewerbe und den Handwerker umfaßt.

Darüber hinaus hat bereits die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs abweichend vom Begriff der stillen Gesellschaft im Sinne des § 335 HGB unter bestimmten Voraussetzungen in erweiternder Auslegung des § 8 Ziff. 3 GewStG Darlehnsverhältnisse, Arbeitsverhältnisse und Pachtverhältnisse als gesellschaftsähnliche Verhältnisse der stillen Gesellschaft gleichgestellt, wenn die vereinbarten Zinsen oder Vergütungen gewinnabhängig waren. Damit erledigten sich zwar in vielen Einzelfällen schwierige Abgrenzungsprobleme zwischen stiller Gesellschaft, den bezeichneten Rechtsverhältnissen und partiarischen Verträgen. Es fragt sich jedoch, ob es heute noch vertretbar ist, dem dem Handelsrecht zugehörigen Begriff der stillen Gesellschaft im Wege der erweiternden Auslegung eine veränderte steuerliche Bedeutung zu geben.

Bislang ist allerdings auch der Bundesfinanzhof der erweiternden Auslegung des Reichsfinanzhofs im Grundsatz gefolgt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 139/54 S vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 4, Slg. Bd. 62 S. 9, und I 108/58 U vom 18. November 1958, BStBl 1959 III S. 49, Slg. Bd. 68 S. 127; IV 593/56 U a. a. O.). Die aus dem Charakter der Gewerbesteuer begründete Umdeutung bürgerlich-rechtlich eindeutiger Rechtsverhältnisse ist jedoch schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht ohne Bedenken geblieben. So hat der I. Senat in seiner Entscheidung I 139/54 S zu bedenken gegeben, daß die Rechtsprechung mit dieser ausdehnenden Auslegung den Begriff der stillen Gesellschaft abweichend vom Einkommensteuerrecht bestimmt, damit sogar im Bereich des Steuerrechts verschieden ausgelegt und damit auch die Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis erschwert wird. Auch in neueren Entscheidungen kommen Bedenken zum Ausdruck (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 225/61 vom 15. November 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 8 Ziff. 2 bis 9, Rechtsspruch 46; I 236/59 U vom 27. Februar 1963, BStBl 1963 III S. 370, Slg. Bd. 77 S. 145).

Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Aus der Verwendung feststehender bürgerlich-rechtlicher Begriffe - hier nach §§ 335 ff. HGB - durch den Steuergesetzgeber ist in der Regel zu schließen, daß er damit an das bürgerliche Recht anknüpfen will. Das Steuerrecht ist ein Bestandteil der allgemeinen Rechtsordnung. Der Inhalt seiner Rechtsbegriffe muß sich deshalb mit dem auch sonst üblichen Inhalt dieser Rechtsbegriffe decken, wenn sich eine vom bürgerlichen Recht abweichende Begriffsbestimmung nicht zwingend aus dem Sinn und Zweck des Steuerrechts ergibt. Solche Gründe liegen hier nicht vor. Die wirtschaftliche Betrachtung des Steuerrechts darf jedenfalls in aller Regel nicht dazu verwendet werden, um abweichend von dem Wortlaut des Gesetzes und der bürgerlich- rechtlichen Begriffsbestimmung zu einem nach der Auffassung des Gerichts wirtschaftlich sinnvolleren Ergebnis zu gelangen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 106/60 U vom 5. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 52, Slg. Bd. 74 S. 130). Hiernach kann eine Zurechnung nach § 8 Ziff. 3 GewStG nur erfolgen, wenn die Mutter des Stpfl. handelsrechtlich die Stellung einer stillen Gesellschafterin hatte (§§ 335 ff. HGB).

Das Finanzamt hat im Einkommensteuerverfahren Pacht anerkannt und die Veranlagung demgemäß durchgeführt. Es entspricht im allgemeinen dem Willen des Gesetzes und dient der Vereinfachung, diese im Einkommensteuerverfahren vertretene rechtliche Beurteilung auch für die Zwecke der Gewerbesteuer zu übernehmen. (Urteil des Bundesfinanzhofs I 139/54 S). Das muß besonders dann gelten, wenn - wie hier - die Sachbehandlung des Finanzamts auf der Entscheidung eines Steuergerichts beruht. Die Vorinstanz hat sich in dem die einheitliche Gewinnfeststellung für II/1948 bis 1954 betreffenden Urteil vom 15. November 1957 eingehend mit der rechtlichen Stellung der Mutter des Stpfl. befaßt. Wenn ihre Entscheidung auch zur Frage der Mitunternehmerschaft ergangen ist, so läßt sie doch eindeutig erkennen, daß sie in gesellschaftsrechtlicher Beziehung nur eine Alternative zur gesellschaftsähnlichen Beteiligung im Sinne der ausdehnenden, vom Senat nunmehr aufgegebenen Auslegung des § 8 Ziff. 3 GewStG für gegeben hält.

Die Vorinstanz hat in dieser Entscheidung den Sachverhalt unter umfassender Berücksichtigung des Vertragszwecks und der wirtschaftlichen Ziele der Vertragschließenden gewürdigt. Sie ist zu der Feststellung gelangt, daß der Mutter des Stpfl. keine wie immer geartete gesellschaftsrechtliche Stellung zustehen sollte, daß eine solche Stellung von ihr auch nicht beansprucht, vielmehr ausdrücklich abgelehnt wurde, da es ihr nur darauf ankam, "sich mindestens bescheidene monatliche Einkünfte auch für Verlustjahre zu sichern und schlimmstenfalls mindestens ihr Grundvermögen aus jeder Haftung für Schulden des Unternehmers herauszuhalten (§ 6 des Pachtvertrages)". Die in § 4 des Vertrages vorgesehenen Kontrollbefugnisse hat die Entscheidung im Sinne eines einseitigen Sicherungsbedürfnisses der Verpächterin gewürdigt, deren Befugnisse nach der Feststellung des Gerichts zudem in der Praxis noch eingeengt wurden.

Hiernach trägt der Senat keine Bedenken, in übereinstimmung mit den Beteiligten und der Vorinstanz davon auszugehen, daß der Vertrag vom 24. April 1956 rechtlich als Pachtvertrag anzusehen ist, der nur bei Umdeutung in ein gesellschaftsähnliches Verhältnis im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zur Anwendung des § 8 Ziff. 3 GewStG führen könnte, was, wie dargelegt, nicht zulässig ist.

Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, inwieweit die Pachtzinsen nach § 8 Ziff. 8 (jetzt § 8 Ziff. 7) GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen sind. Gegenstand der Verpachtung war im wesentlichen Grundbesitz. Es wird festzustellen sein, welcher Teil der Pacht auf nicht im Grundbesitz bestehende Wirtschaftsgüter entfällt.

Das Finanzgericht wird jedoch zuvor vor allem die Angemessenheit der Pacht zu prüfen haben. Da im Vertrag keine Umsatzpacht vereinbart ist, kann diese Prüfung - entgegen der Auffassung des Stpfl. - auch nicht nach dem Verhältnis der Pacht zum Umsatz erfolgen, sondern nur nach Massgabe der im Vertrage vorgesehenen Bemessung nach dem Gewinn. Die Gewinne (vor Abzug der Pacht) sind - zum Teil sprunghaft - von rund 22.000 RM (1946) auf 116.000 DM (1955) angestiegen.

Die Vorinstanz wird sich bei der Prüfung der Angemessenheit besonders mit der in ihrer Entscheidung vom 15. November 1957 II 230 - 243/1956 getroffenen Feststellung auseinanderzusetzen haben, daß der Betrieb vom Stpfl. aus den in der Entscheidung im einzelnen dargelegten Gründen wie von einem fremden Eigentümer übernommen wurde und der Stpfl. sich lediglich die künftige Erbfolge gesichert habe. Mag danach auch die Pacht während der zunächst bis zum Jahre 1950 vorgesehenen Vertragsdauer den wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten entsprochen haben, so ist nach der Entwicklung der Verhältnisse jedenfalls eine weitere Prüfung dahingehend geboten, ob ein Dritter das Pachtverhältnis darüber hinaus unter den gleichen Bedingungen fortgesetzt haben würde oder ob die Fortsetzung des Pachtverhältnisses mit dem bisherigen Pachtzins durch die Stellung des Beschwerdeführers als Sohn und künftiger Erbe und damit insoweit durch außerbetriebliche Gründe bedingt ist. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, welche Bedeutung der Tatsache zukommt, daß die Pacht jeweils nicht voll ausbezahlt bzw. entnommen wurde, so daß sich im Zeitpunkt des Todes der Mutter die Pachtschuld auf 177.000 DM belief.

Da die Vorentscheidung schon aus den dargelegten Gründen aufzuheben ist, braucht auf die vom Stpfl. gerügten Verfahrensmängel nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411264

BStBl III 1965, 49

BFHE 1965, 138

BFHE 81, 138

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