Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerb eines bebauten Grundstücks bei getrennten Verträgen über Grundstück und Bauverpflichtung (Grunderwerbsteuer); Beginn der Festsetzungsfrist; Gegenleistung

 

Leitsatz (NV)

1. Hat der Erwerber eines ,unbebauten` Grundstücks neben dem Grundstückskaufvertrag ,,in Ergänzung zu diesem Vertrag" einen Baubetreuungsvertrag geschlossen, in dem der Festpreis für die Bauverpflichtung vereinbart ist, so ist die Fertigstellungsverpflichtung Teil eines rechtlich einheitlichen Rechtsgeschäfts, das auf die Übereignung eines bebauten Grundstücks gerichtet ist.

2. Voraussetzung dafür, daß die Verjährung in Abweichung von der Regel vor Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch beginnt, ist, daß dem FA alle für die Beurteilung des konkreten Erwerbsvorgangs maßgeblichen rechtlich zusammenhängenden Verträge vorgelegt worden sind.

3. Zur Gegenleistung.

 

Normenkette

GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG NW § 16a

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Kläger erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 15. Oktober 1970 eine Grundstücksteilfläche zu gleichen Bruchteilen zum Preis von . . . DM. Auf dem Grundstück sollte, wie im Kaufvertrag erwähnt wird, ein dreigeschossiges Wohnhaus errichtet werden. Nach § 2 des Vertrages sollten Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr auf die Käufer übergehen. Am 7. November 1970 wurde der Kaufvertrag geringfügig geändert.

Die Verträge wurden dem Finanzamt (FA) vom beurkundenden Notar im August 1971 übersandt. Das FA stellte durch interne Verfügung die Erwerbsvorgänge antragsgemäß nach § 1 Nr. 1, 3, 4 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG) i. d. F. vom 20. Juli 1970 (BStBl I, 989) vorläufig von der Grunderwerbsteuer frei und erteilte am 27. August 1971 die Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Kläger wurden am 26. Februar 1973 ins Grundbuch eingetragen.

Im November 1977 stellte das FA aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung fest, daß die Kläger am Tag des Abschlusses des Kaufvertrages, am 15. Oktober 1970, mit dem Veräußerer gleichzeitig ,,in Ergänzung des Kaufvertrages vom 15. Oktober 1970" einen inhaltlich formularmäßig vorbereiteten Baubetreuungsvertrag folgenden Inhalts abgeschlossen hatten:

Der Veräußerer wurde beauftragt, auf dem Grundstück einen Wohnblock mit sechs Wohnungen ,,gemäß den bekannten Plänen und der beigefügten Baubeschreibung" zu errichten. Den Klägern stand innerhalb der vorgesehenen Qualitäten die Farbauswahl bei Fliesen etc. zu. Der Veräußerer wurde bevollmächtigt, alle zur Durchführung notwendigen Maßnahmen zu treffen und Erklärungen im Namen und für Rechnung der ,,Bauherren" abzugeben. Für das Vorhaben wurde ein Festpreis von . . . DM garantiert (§ 4), in dem außer den Finanzierungskosten alle Aufwendungen einschließlich des Grundstückskaufpreises enthalten waren. Zur Finanzierung übernahmen die Kläger eine Hypothek über . . . DM und ein AZ-Darlehen der Bausparkasse über . . . DM zu näher bezeichneten Bedingungen. Dazu heißt es, ,,eventuelle Abzüge sind vom Bauherrn an den Verkäufer gesondert zu zahlen". Der Restkaufpreis von . . . DM war in drei Raten entsprechend dem Baufortschritt zu bezahlen. Der Kaufpreis für das Grundstück mit . . . DM lag innerhalb der Gesamtpauschale und wurde im Rahmen der einzelnen Zahlungen beglichen. In § 5 war vereinbart, daß die Auflassung nach Bezugsfertigkeit erfolgen soll. Die Kläger konnten den Vertrag nur fristlos bei Vorliegen im einzelnen aufgeführter Voraussetzungen kündigen. Im Fall der Kündigung war ,,die Betreuungsgebühr entsprechend den bis dahin erbrachten Leistungen des Betreuungsunternehmens" zu bezahlen.

Die im Bauvertrag erwähnten Finanzierungskosten und Nebenkosten von insgesamt . . . DM wurden in den Jahren 1971 und 1972 bezahlt; hinzu kamen Darlehensgebühr und Darlehensbearbeitungsgebühr von insgesamt . . . DM.

Die Baugenehmigung für das gesamte Vorhaben war bereits 1968 dem früheren Voreigentümer, einem Architekten, erteilt worden und nach dem Erwerb des Grundstücks durch . . ., dem Veräußerer, wurde der Bauschein auf diesen übertragen. Rohbauabnahme vom 2. Dezember 1970 und Schlußabnahme am 3. August 1971 wurden jeweils dem Veräußerer bescheinigt. Das Gebäude war seit 23. Juni 1971 an die X vermietet und die Mieten bis einschließlich 31. August 1971 vom Veräußerer vereinnahmt worden.

Das FA vertrat die Auffassung, Gegenstand des Erwerbs sei das Grundstück mit dem noch fertigzustellenden Gebäude, und erhob mit Bescheiden vom 3. Januar 1978 aus einer Gegenleistung von . . . DM (Gesamtkaufpreis zuzüglich Finanzierungskosten) anteilig von jedem Kläger jeweils Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM.

Einspruch und Klage, mit denen die Kläger geltend machten, es handle sich um rechtlich selbständige Verträge und im übrigen sei die Grunderwerbsteuer verjährt, blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung der §§ 144, 145 der Reichsabgabenordnung (AO) sowie des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWoBauG. Sie sind der Auffassung, die Verjährung beginne schon mit Ablauf des Jahres, in dem der Erwerbsvorgang dem zuständigen FA in einer Weise bekanntgegeben worden sei, daß es, gegebenenfalls nach weiteren Ermittlungen, prüfen könne, ob ein grunderwerbsteuerlicher Vorgang vorliege. Dem FA sei der Erwerbsvorgang 1971 angezeigt worden und das Gesamtprojekt der Wohnsiedlung für . . . sei nach umfangreicher Werbung auch vor 1971 so bekannt gewesen, daß das FA eine umfassende Prüfung hätte vornehmen können und müssen.

Im übrigen handle es sich um zwei selbständige Verträge, die rechtlich nicht miteinander verknüpft seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Entgegen der Auffassung der Kläger war Gegenstand der Erwerbsvorgänge jeweils das Grundstück mit bezugsfertigem Gebäude. Die Erwerbsvorgänge waren nicht steuerfrei, weil die Kläger die Grundstücke nicht zur Bebauung bzw. zur Fertigstellung der Bebauung erworben hatten. Das Urteil war jedoch wegen des Ansatzes der Gegenleistung aufzuheben.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unterliegen Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, der Grunderwerbsteuer. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWoBauG ist der Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen steuerfrei. Was Gegenstand des Eigentumsverschaffungsvertrages ist, bestimmt sich nach dem erklärten Inhalt der getroffenen Vereinbarungen. Zwar sind im Streitfall der notarielle Kaufvertrag über das Grundstück und der am selben Tag abgeschlossene Baubetreuungsvertrag formal getrennt. Nach dem in den beiden äußerlich selbständigen Vereinbarungen zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien besteht zwischen beiden Verträgen jedoch nicht nur eine wirtschaftliche, sondern eine rechtliche Verbindung derart, daß eine Vereinbarung nicht für sich allein, sondern nur in Verbindung mit der anderen Bestand haben und beide Teil eines Gesamtgeschäfts bilden sollen. Zur Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ist nicht notwendig, daß zwischen den mehreren Akten ein rechtlicher Zusammenhang in Form einer rechtsgeschäftlichen Bedingung hergestellt wird (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. April 1976 V ZR 143/74, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1976, 1931; vgl. auch BGH-Urteile vom 4. Dezember 1975 VII ZR 269/73, BGHZ 65, 359; vom 5. Mai 1977 VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372, und vom 5. April 1979 VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204). Der inhaltlich formularmäßig vorbereitete Baubetreuungsvertrag ist schon ausdrücklich als ,,Ergänzung zum Kaufvertrag vom 15. Oktober 1970" abgeschlossen worden und war inhaltlich durch die vorhandenen und genehmigten Pläne in einer Weise vorgezeichnet, die den Klägern, abgesehen von Ausstattungswünschen, wie sie auch dem Mieter einer Neubauwohnung zugestanden werden, keine Einflußmöglichkeit auf das Bauvorhaben einräumte. Der garantierte Festpreis von . . . DM umfaßte neben den Bauleistungen auch die Grundstückskosten. Der Baubetreuungsvertrag enthielt darüber hinaus Bestimmungen über die Auflassung des Grundstücks, die ohne einen Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag sinnlos wären, nämlich die Bestimmung, daß die Auflassung erst vorgenommen werden soll, wenn sämtliche Zahlungsverpflichtungen erfüllt sind, d. h., wenn der Veräußerer seine Fertigstellungsverpflichtung erfüllt hat. Aus allem folgt, daß die Fertigstellungsverpflichtung Teil eines einheitlichen, auf die Übereignung des bebauten Grundstückes gerichteten Rechtsgeschäfts war (vgl. dazu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, m. w. N.; Beschluß vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627). Die Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWoBauG kam danach nicht in Betracht.

2. Entgegen der Auffassung der Kläger war das FA nicht verfahrensrechtlich daran gehindert, die angefochtenen Steuerbescheide zu erlassen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung vorlagen, denn im Zeitpunkt des Erlasses des Grunderwerbsteuerbescheides war die Grunderwerbsteuer nicht verjährt.

Gemäß § 16a GrEStG NW in der für das Erwerbsjahr geltenden Fassung beginnt die Festsetzungsfrist in den Fällen, in denen der Rechtsvorgang zu einer Eintragung ins Grundbuch führen kann, mit Ablauf des Jahres, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen worden ist. Da die Kläger erst am 26. Februar 1973 in das Grundbuch eingetragen worden sind, begann die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres 1973 zu laufen und endete am 31. Dezember 1978 (§ 144 AO i. V. m. Art. 97 § 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -), mithin nach Erlaß der umstrittenen Grunderwerbsteuerbescheide.

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats, wonach die Festsetzungsfrist bereits dann zu laufen beginnt, wenn dem zuständigen FA der Erwerbsvorgang in einer Weise bekanntgeworden ist, daß es - gegebenenfalls nach weiteren Ermittlungen - prüfen kann, ob ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 II R 75/81, BFHE 136, 509, BStBl II 1983, 82, m. w. N.), ergibt sich nichts anderes, denn dem FA hat vor der Steuerfahndungsprüfung nur ein Teil der für die Beurteilung der konkreten Erwerbsvorgänge maßgeblichen, rechtlich zusammenhängenden Verträge vorgelegen.

3. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 10 Abs. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelten beim Kauf als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Gegenleistung ist danach zunächst der Gesamtkaufpreis in Höhe von . . . DM. Nicht zur Gegenleistung rechnen jedoch Leistungen, die nicht den Gegenstand des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäfts betreffen.

Das beklagte FA hat zur Gegenleistung auch Finanzierungskosten in Höhe von . . . DM und Darlehens- und Bearbeitungsgebühren in Höhe von insgesamt . . . DM gerechnet. Ob es sich dabei um Aufwendungen handelt, die bereits beim Veräußerer angefallen und von diesem zusätzlich zum Kaufpreis auf die Kläger übergewälzt worden und damit Teil der Gegenleistung sind, oder ausschließlich um Finanzierungsaufwendungen, die in der Person der Kläger selbst entstanden und lediglich über das Baukonto des Veräußerers abgerechnet worden sind, ergibt sich aus den Feststellungen des FG nicht. Aus diesem Grund war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

Zur Gegenleistung gehören auch die dem Veräußerer vorbehaltenen Nutzungen, d. h. Nutzungen, die dem Veräußerer über den Zeitpunkt verbleiben, in dem sie kraft Gesetzes übergehen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Veräußerer bis zum 31. August 1971 die Miete selbst vereinnahmt, obwohl nach dem Kaufvertrag die Übergabe des Grundstücks sofort erfolgt war. Gemäß § 446 des Bürgerlichen Gesetzbuches gebühren von der Übergabe an dem Käufer die Nutzungen der Sache, so daß die vom Veräußerer vereinnahmte Miete grundsätzlich zur Gegenleistung zählt. Dieser Umstand könnte wegen des Verböserungsverbotes allerdings nur dann berücksichtigt werden, falls die Finanzierungskosten aus der Gegenleistung auszuscheiden hätten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414584

BFH/NV 1987, 670

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