Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage bei Verträgen unter Angehörigen

 

Leitsatz (NV)

1. Die Gesamtbetrachtung von Verträgen unter Angehörigen nach dem Maßstab des Fremdvergleichs bedeutet die Abwägung der Bedeutung unterschiedlicher Beweisanzeichen im Einzelfall, die in ihrer Gesamtheit einer Verallgemeinerung nicht zugänglich ist. Wird insoweit lediglich die inhaltliche Lückenhaftigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Würdigung des FG geltend gemacht, reicht dies zur Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage nicht aus.

2. Das Vorbringen, aus der Vorentscheidung ergebe sich ein Steuersparmodell, reicht zur Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage jedenfalls dann nicht aus, wenn das FG aufgrund seiner das Revisionsgericht bindenden Tatsachenwürdigung im konkreten Einzelfall zu dem Ergebnis gelangt ist, das Vertragswerk sei nach dem Maßstab des Fremdvergleichs nicht zu beanstanden und verstoße auch nicht gegen §42 AO 1977.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 115 Abs. 3 S. 3; AO 1977 §42; EStG §12

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil ein Zulassungsgrund i. S. von §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht hinreichend dargelegt ist.

1. Die Rüge, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ist unzulässig. Zwar geht der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) zutreffend davon aus, daß grundsätzliche Bedeutung gegeben ist, wenn die für den Streitfall maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, und wenn sich die Bedeutung der Sache nicht in der Entscheidung des Einzelfalls erschöpft, sondern eine Vielzahl gleichartiger Fälle betrifft (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, §115 Anm. 7). Das FA hat jedoch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen nicht schlüssig dargelegt.

a) Aus dem Rechtssatz, daß es an der Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (ständige Rechtsprechung, z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496; s. ferner Gräber/Ruban, a. a. O. §115 Anm. 9), zieht das FA zu Unrecht den Umkehrschluß, eine Rechtsfrage sei schon dann klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden sei und aus den Steuergesetzen nicht ohne weiteres entschieden werden könne. Auf diesem unzutreffenden Ausgangspunkt beruht das weitere Vorbringen des FA, die im Streitfall zu prüfenden Normen (§42 der Abgabenordnung -- AO 1977 --; §12 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) enthielten konkretisierungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe, die für Sachverhalte wie den Streitfall noch nicht höchstrichterlich konkretisiert worden seien. Dies genügt für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht; denn darin liegt letztlich allein die -- nach ständiger Rechtsprechung nicht ausreichende -- Rüge, der BFH habe über einen vergleichbaren Fall bisher noch nicht entschieden (vgl. Beschluß des BFH vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610; Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 62, m. w. N.).

b) Die Rüge, das FG sei der Frage nicht nachgegangen, ob das branchenübliche Verhalten der kreditgebenden Bank Einfluß auf die Maßstäbe des Fremdvergleichs hat, es habe diese Frage nur unter dem Aspekt des §42 AO 1977 gewürdigt, reicht ebenfalls zur Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage nicht aus, weil das FA damit lediglich die inhaltliche Lückenhaftigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Würdigung des Finanzgerichts (FG) geltend macht. Die vom FG auf der Grundlage des Senatsurteils vom 7. Mai 1996 IX R 69/94 (BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196) durchgeführte Gesamtbetrachtung nach dem Maßstab des Fremdvergleichs bedeutet die Abwägung der Bedeutung unterschiedlicher Beweisanzeichen im Einzelfall. Wenn auch die Gewährung des Kredits an beide Eheleute im Streitfall ein gewichtiges Indiz für eine private Veranlassung der Kreditaufnahme ist, handelt es sich dabei nur um ein Merkmal im Rahmen der Gesamtwürdigung, das einer Verallgemeinerung nicht zugänglich ist. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird insoweit nicht aufgeworfen.

c) Auch das Vorbringen des FA, aus der Vorentscheidung ergebe sich ein Steuersparmodell der Superlative, aufgrund dessen es in Millionen von Fällen keine privaten Schuldzinsen unter Ehegatten mehr geben werde, reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus. Abgesehen davon, daß mit dem Hinweis auf die große Anzahl von Fällen noch nicht die inhaltliche Klärungsbedürftigkeit der strittigen Rechtsfragen dargelegt ist (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 62, mit Rechtsprechungsnachweisen), ist dieses Vorbringen jedenfalls deshalb unschlüssig, weil das FG aufgrund seiner Tatsachenwürdigung im konkreten Einzelfall (vgl. §118 Abs. 2 FGO) zu dem Ergebnis gelangt ist, der Grundstücksverkauf zwischen den Klägern und Beschwerdegegnern (Kläger) sei nach dem Maßstab des Fremdvergleichs nicht zu beanstanden, außerdem verstoße der Kaufvertrag nicht gegen §42 AO 1977, da für ihn -- nach Ansicht des FG gewichtige -- außersteuerliche Gründe bestanden hätten. Hingegen hat das FG nicht einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, nach dem kreditfinanzierte Grundstücksübertragungen unter Eheleuten, auch wenn beide Kreditnehmer sind, stets der Besteuerung zugrunde gelegt werden müßten.

Auch wenn die Rügen des FA dahin zu verstehen sein sollten, das FG habe zu Unrecht nicht die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§41 Abs. 2 AO 1977) geprüft (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 IX R 85/93, BFHE 180, 265, BStBl II 1997, 52; vom 26. November 1996 IX R 51/94, BFH/NV 1997, 404; vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655), läge darin allenfalls die Beanstandung einer im Einzelfall rechtlich lückenhaften Prüfung des FG, nicht aber die Darlegung einer im allgemeinen Interesse klärungsbedürftigen Rechtsfrage.

2. Auch die Rüge, die Vorentscheidung weiche vom Urteil des BFH in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196 ab, ist unschlüssig. Das FG hat nicht -- auch nicht stillschweigend -- den Rechtssatz aufgestellt, Verträge zwischen Angehörigen seien auch dann anzuerkennen, wenn sie nicht dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen, die unübliche Gestaltung aber auf dem branchenüblichen Verhalten eines fremden Dritten beruht. Vielmehr hat das FG die entgeltliche Grundstücksübertragung zwischen den Klägern -- unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Senatsurteil in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196 -- unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs nicht beanstandet, mithin als unter Fremden üblich angesehen. Mit dem Vorbehalt, das FG habe die Vereinbarungen am Maßstab des Fremdvergleichs nur lückenhaft geprüft und hätte zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen (s. auch oben 1. b), rügt das FA im Kern, das FG habe die in dem genannten BFH-Urteil aufgestalteten Rechtsgrundsätze unzutreffend angewandt. Mit der Behauptung eines Fehlers in der Rechtsanwendung ist jedoch noch keine Abweichung i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO dargelegt (Beschluß des BFH vo 14. Juni 1994 VII B 239/93, BFH/NV 1995, 89; Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 63, m. w. N.).

3. Eine weitere Begründung ist nicht erforderlich (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 302831

BFH/NV 1999, 36

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