Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundstücksübertragung auf den Sohn und Rückanmietung

 

Leitsatz (NV)

Es ist nicht rechtsmißbräuchlich, wenn eine 64 Jahre alte Mutter ein Einfamilienhaus ihrem Sohn verkauft, die Kaufpreisforderung ohne eine Tilgungsvereinbarung stundet, sie durch eine Hypothek sichern und ferner verzinsen läßt und der Sohn ihr das übertragene Haus auf 30 Jahre vermietet.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; EStG § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Streitjahr 1990 von ihrer damals 64 Jahre alten Mutter ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Das Haus war und wird noch von der Mutter bewohnt. Der Kaufpreis von 195 000 DM wurde gestundet und sollte mit 5,5 v. H. jährlich verzinst werden. Zur Absicherung des Kaufpreises wurde eine Hypothek bestellt. Ein Tilgungszeitpunkt war nicht vereinbart.

Am Tag nach dem Abschluß des Kaufvertrages schlossen die Kläger mit ihrer Mutter einen bis 2020 befristeten Mietvertrag. Die Miete für die rd. 72 qm große Wohnung sollte monatlich 530 DM (d. i. 7,40 DM/qm) zuzüglich der Nebenkosten betragen; die ortsübliche Miete für eine vergleichbare Mietwohnung betrug im Streitjahr 4,20 DM pro qm Wohnfläche.

Miete und Zinsen wurden bei Fälligkeit bezahlt.

Die Kläger gaben eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab, in der sie für das Streitjahr einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 9 008 DM erklärten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte eine Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab. Sowohl der Darlehens- als auch der Mietvertrag seien steuerlich nicht anzuerkennen, da die Verträge ihrem Inhalt nach nicht dem unter Fremden Üblichen entsprächen. Der Darlehenszins liege etwa 50 v. H. unter dem üblichen Zinssatz für langfristige Darlehen; zudem sei eine Tilgung nicht vereinbart. Der Mietvertrag sei auf 30 Jahre unkündbar und der Mietzins auf diese Dauer festgeschrieben. Tatsächlich handle es sich um eine verschleierte Schenkung; das gesamte Vertragswerk sei als Gestaltungsmißbrauch gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) zu werten.

Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) abwies.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanz gerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen des § 42 AO 1977 bejaht. Im übrigen reichen die Feststellungen des FG nicht aus, die private Veranlassung (§ 12 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) der streitigen Leistungen aufgrund des sog. Fremdvergleichs zu be jahen.

1. a) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerrechtlich zuzurechnen sind. Diese Voraussetzungen können im Streitfall jedenfalls nicht deswegen verneint werden, weil der Mietvertrag und der Darlehensvertrag der Kläger mit ihrer Mutter wegen Rechtsmißbrauchs gemäß § 42 AO 1977 steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind.

Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß ein Rechtsmißbrauch i. S. des § 42 AO 1977 gegeben ist, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die -- gemessen an dem erstrebten Ziel -- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. März 1996 IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1994, 443, m. w. N.). Das FG ist allerdings zu Unrecht der Ansicht, daß im Streitfall nur die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks und der Vorbehalt eines lebenslänglichen (unentgeltlichen) Nutzungsrechts angemessen gewesen wären. Die vom FG genannte Gestaltung mag zwar die gebräuchlichere sein. Eltern steht es aber frei, ihren Kindern Vermögensgegenstände entgeltlich oder unentgeltlich zu übertragen und sich ferner die Nutznießung des übertragenen Gegenstandes entweder unentgeltlich oder entgeltlich zu sichern (zu letzterem vgl. BFH-Urteil vom 12. September 1995 IX R 54/93, BFHE 178, 542, BStBl II 1996, 158, zu 2. b, betreffend die Anmietung einer zuvor übertragenen Wohnung).

Die von den Beteiligten gewählte Gestaltung als solche ist nicht bereits von vornherein als eine Schenkung unter Vorbehalt eines unentgeltlichen Wohnungsrechts zu beurteilen. Die wirtschaftliche Situation des mit der Kaufpreisschuld belasteten Erwerbers, der jedoch bereits einen Mietertrag erzielt, ist grundsätzlich verschieden von der des Beschenkten, aber zur Nutzung nicht berechtigten Erwerbers. Der Umstand, daß ein Kündigungsdarlehen (§ 609 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) vereinbart wurde, stellt die Mutter wirtschaftlich nicht so, als habe sie keine Darlehensforderung gegen ihre Söhne (die Kläger). Dies setzt allerdings voraus, daß die Vereinbarung ernstlich gewollt war (§ 41 Abs. 2 AO 1977, § 117 BGB).

Unter dieser Voraussetzung führt die Gestaltung auch zu einer wirtschaftlichen Belastung der Erwerber und Darlehensschuldner: Sie sind zu Zinszahlungen verpflichtet, ihr Grundstück ist mit einer Hypothek belastet und sie müssen mit einer Kündigung und Rückzahlung rechnen. Mit Recht hat der BFH demgegenüber eine Belastung des Darlehensschuldners verneint, wenn eine Kündigung des Darlehens erst nach Ablauf der statistischen Lebenserwartung der Darlehensgeberin möglich war (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1991 IX R 142/90, BFHE 166, 276, BStBl II 1992, 397). Die vom FG aufgezeigte Möglichkeit allein, daß die Vertragsparteien im beiderseitigen Einvernehmen in Abänderung des Vertrages oder unter Abweichung vom schriftlichen Vertrag eine tatsächliche Belastung vermeiden können, macht die Gestaltung als solche noch nicht rechtsmißbräuchlich. Entscheidend ist, daß es nicht allein in der Macht der Darlehensschuldner steht, eine wirtschaftliche Belastung auszuschließen. Diese Möglichkeit hatten sie nach der Darlehensvereinbarung nicht. Die wirtschaft liche Belastung der Kläger durch das Dar lehen ist ferner nicht allein deshalb zu verneinen, weil sie die gesetzlichen Erben der Klägerin sind und der Vertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, zu dem Eltern üblicherweise die Erbfolge regeln. Bei einer statistischen Lebenserwartung der Mutter von ca. 16 Jahren stand nicht fest, ob die Mutter das Darlehen nicht aus eigenem Bedarf (z. B. Einkauf in ein Altenwohnheim) kündigen würde oder ob sie die Darlehensforderung nicht jemand anderem oder den Klägern zu ungleichen Teilen vererben würde.

b) Entgegen der Ansicht des FG führt auch die Höhe der Zinsen einerseits und der Miete andererseits nicht zur Annahme eines Rechtsmißbrauchs. Das gilt auch dann, wenn sie mit dem Ziel festgesetzt worden sind, die monatliche finanzielle Belastung der Kläger möglichst niedrig zu halten. Es ist ferner unerheblich, mit welchen laufenden monatlichen finanziellen Belastungen die Kläger zu rechnen hatten; denn eine überhöhte Miete würde sich nicht steuermindernd bei der Mutter des Klägers auswirken und niedrige Zinsen würden bei den Klägern den Werbungskostenüberschuß erhöhen.

An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn die Übertragung einschließlich der Darlehensvereinbarung einerseits und der Mietvertrag sowie die Vereinbarung der Zinshöhe andererseits zusammen gewürdigt werden. Entscheidend ist dabei, daß die Belastung durch das Darlehen grundsätzlich durch die Höhe des Darlehenszinses nicht berührt wird.

2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des Fremdvergleichs im Streitfall gegeben sind. Dieser Fremdvergleich dient der Feststellung, ob der zu beurteilende Sachverhalt dem privaten Bereich (§ 12 EStG) oder dem Bereich der Einkünfteerzielung (§ 21 EStG) zuzuordnen ist. Dabei ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu berücksichtigen (BFH-Beschluß vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, 571, BStBl II 1990, 160). Nicht jede Abweichung vom Üblichen muß die steuerrechtliche Unwirksamkeit des gesamten Vertragsverhältnisses zur Folge haben (BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. August 1996 2 BvR 3027/95, zu B. I., Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1996, 2174). Das FG hat zwar Merkmale des Fremdvergleichs gewürdigt, jedoch ausschließlich im Zusammenhang mit der Frage, ob die Voraussetzungen des § 42 AO 1977 vorliegen. Das reicht nach den zuvor dargelegten Grundsätzen nicht aus.

3. Das FG geht davon aus, daß eine wirtschaftliche Belastung der Kläger weder durch die Vereinbarung des Darlehens noch durch die Vereinbarung der laufenden Zinsen gewollt war. Danach könnte eine Scheinvereinbarung (§ 41 Abs. 2 AO 1977, § 117 BGB) gegeben sein, ohne daß das FG auf diesen Tatbestand bisher näher eingegangen ist. Auch dies wird im zweiten Rechtszug nachzuholen sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66150

BFH/NV 1997, 404

DStRE 1998, 49

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge