Leitsatz (amtlich)

Erklärt das FG gegen den Widerspruch eines Beteiligten die Hauptsache streitentscheidend für erledigt, ist ein Rechtsbehelf allein gegen die zugleich getroffene Kostenentscheidung unzulässig.

 

Normenkette

FGO § 145 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kostengläubigerin und Beschwerdeführerin hatte beim FG beantragt, die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 10. November 1970, in welchem die ihr zu erstattenden Aufwendungen auf 1 718,59 DM nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 1. Oktober 1970 festgesetzt worden waren, zu verfügen. Vor Benachrichtigung des Kostenschuldners (FA) von der beabsichtigten Vollstrekkung teilte die Beschwerdeführerin mit, daß der Erstattungsbetrag einschließlich der Zinsen auf dem Bankkonto ihres Prozeßbevollmächtigten mit Wertstellung vom 11. Dezember 1970 eingegangen sei. Sie erklärte zugleich die Hauptsache für erledigt und beantragte, dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das FA widersprach der Erledigungserklärung. Es habe den zu erstattenden Betrag schon am 2. Dezember 1970 überwiesen. Der Vollstreckungsantrag sei aber erst am 8. Dezember 1970 bei Gericht eingegangen. Das Vollstreckungsbegehren habe sich schon vor Antragstellung erledigt.

Das FG entschied durch Beschluß, daß das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben.

Das FG führte aus, mit der Auszahlung des Erstattungsbetrags nebst Zinsen sei das Vollstreckungsverfahren sachlich abgeschlossen. Der Vollstreckungsantrag der Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt der Antragstellung zulässig gewesen. Der Erstattungsbetrag sei ihr nämlich erst nach Stellung des Vollstreckungsantrags gutgeschrieben worden, und es komme nicht darauf an, wann das FA den Überweisungsauftrag erteilt habe. Über die Kosten sei nach § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes sei es nach billigem Ermessen nicht angängig, dem FA die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang aufzuerlegen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde. Sie rügt die Verweigerung rechtlichen Gehörs, die Verletzung des (GG) und führt weiterhin aus, nach den Grundsätzen der ZPO, die auch für das Vollstreckungsverfahren nach der FGO gelten, habe ein Schuldner, der nicht binnen sieben Tagen zahle, die Vollstreckungskosten, die durch seine Säumnis entstanden seien, zu übernehmen. Der öffentlichen Hand seien keine Sonderrechte eingeräumt, wenn gegen diese vollstreckt werde.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluß hinsichtlich der Kostentragungspflicht aufzuheben und dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Das FA hat keinen besonderen Antrag gestellt. Es hält die Ausführungen der Beschwerdeführerin für unzutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrem Rechtsbehelf ausschließlich gegen die ihr nachteilige Kostenentscheidung des finanzgerichtlichen Beschlusses; denn bei gegenseitiger Aufhebung der Kosten fallen nach § 136 Abs. 1 Satz 2 FGO jedem Teil die Gerichtskosten zur Hälfte zur Last. Die Beschwerdeführerin verliert ferner jeden Anspruch auf Aufwendungsersatz, den sie insbesondere durch Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten gehabt hat. Die Anfechtung einer Kostenentscheidung ist jedoch nur zulässig, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist, somit der Ausspruch des Gerichts sich ausschließlich - im Wege einer sog. isolierten Kostenentscheidung - auf den Kostenpunkt erstreckt (§ 145 Abs. 2 FGO). Ist aber eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen, ist die Anfechtung der Kostenentscheidung nur zusammen mit der Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache möglich (§ 145 Abs. 1 FGO). Das beruht letzten Endes darauf, daß die aus §§ 135 ff. FGO folgende Kostenpflicht notwendig an den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache anknüpft. Durch § 145 Abs. 1 FGO, der wörtlich mit § 99 Abs. 1 ZPO übereinstimmt, sollen Rechtsmitteleinlegungen nur wegen der Kosten eingeschränkt und es soll verhindert werden, daß die übergeordnete Instanz die Hauptsache nur wegen der Kosten nachprüfen muß.

Im vorliegenden Fall ist eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen. Zwar hat das FG nicht darüber befunden, ob dem Vollstreckungsbegehren der Beschwerdeführerin stattzugeben ist. Es hat statt dessen darüber entschieden, ob die Hauptsache, nachdem die Beschwerdeführerin eine entsprechende Erklärung abgegeben hatte, erledigt ist. Dieser Entscheidung war das FG nicht enthoben, da das FA der Erledigungserklärung der Beschwerdeführerin ausdrücklich widersprochen hatte. Erklärt nämlich eine klagende Partei oder, wie im vorliegenden Fall, die Beschwerdeführerin als die damalige Antragstellerin gegen den Widerspruch des Gegners die Hauptsache für erledigt, tritt an die Stelle des durch den ursprünglich gestellten Antrag bestimmten Streitgegenstandes der Streit über die Behauptung der Antragstellerin, ihrem Begehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden. Trifft diese Behauptung - wie im Streitfall - zu, und ist mithin der Widerspruch des Gegners unbegründet, ist die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Urteil - in anderen Verfahren durch Beschluß - ausdrücklich festzustellen (Urteil des BFH VII R 32/69 vom 19. Januar 1971, BFH 101, 201, BStBl II 1971, 307, und die dort angeführte Rechtsprechung des BVerwG). Diese Entscheidung ist zwar keine Sachentscheidung, jedoch eine prozessuale Entscheidung in der Hauptsache, weil über das Begehren des Beklagten oder Antragsgegners auf Zurückweisung des sachlichen Antrags in der Weise entschieden worden ist, daß diesem Antrag in dem nun beendeten sachlichen Streit die Grundlage entzogen und er somit unbegründet oder unzulässig war (Urteile des BGH II ZR 287/54 vom 18. Februar 1957, BGHZ 23, 333 [340], und IV ZR 215/61 vom 16. Mai 1962, BGHZ 37, 137 [142]; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 91a Anm. III 3).

Diese Grundsätze sind auch auf das Kostenrecht (§§ 135 ff. FGO) anzuwenden. Somit sind Entscheidungen, die streitentscheidend auf Erledigung einer Hauptsache erkennen, Entscheidungen in der Hauptsache im Sinne des § 145 Abs. 1 FGO mit der Folge, daß ihre Kostenentscheidung nicht selbständig angefochten werden kann. Diese Auffassung vertritt die herrschende Meinung zu dem gleichlautenden § 99 Abs. 1 ZPO (Stein-Jonas, a. a. O., § 99 Anm. I 1; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 30. Aufl., § 99 Anm. 1 B und die dort angeführte Rechtsprechung und Literatur), der sich der erkennende Senat anschließt. Da somit im vorliegenden Fall das FG eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat, ist es der Beschwerdeführerin nach § 145 Abs. 1 FGO verwehrt, allein die Kostenentscheidung, auch wenn sie lediglich im Kostenpunkt beschwert ist, anzugreifen. Die Beschwerde war somit schon aus vorstehenden Gründen mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unzulässig zu verwerfen. Der Senat brauchte daher nicht mehr die weitere und hier zweifelhafte Frage zu prüfen, ob im vorliegenden Fall der für Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 50 DM überschritten ist (§ 128 Abs. 3 FGO).

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 17

BFHE 1973, 94

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