Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung, Vertretungszwang und substantiierter Vortrag

 

Leitsatz (NV)

Ein im Beschwerdeverfahren vor dem BFH unter Mißachtung des Vertretungsgebots erhobenes Ablehnungsgesuch, das lediglich damit begründet wird, daß absichtlich nicht binnen eines halben Jahres entschieden worden sei, ist unzulässig (Anschluß an BFH-Beschluß vom 31. Januar 1985 IV S 19/84, BFH/NV 1986, 751).

 

Normenkette

FGO § 51; ZPO § 42; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat im Jahre 1987 Klage erhoben, mit der er sich gegen die Ablehnung einer Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1983 wandte. Er lehnte mit Schreiben vom 1. September 1994 den Vorsitzenden und den Berichterstatter wegen Prozeßverschleppung als befangen ab und weitete sein Ablehnungsgesuch mit Schreiben vom 10. Januar 1995 auch auf die für die Entscheidung zuständigen Richter aus.

Das Finanzgericht (FG) wies mit Beschluß vom 25. September 1996 das Ablehnungsgesuch vom 10. Januar 1995 als unzulässig und das Ablehnungsgesuch vom 1. September 1994 als unbegründet zurück. Gegen den am 9. Oktober 1996 zugestellten Beschluß erhob der Kläger, ohne durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten zu sein, am 22. Oktober 1996 Beschwerde, die er nicht begründete. Die Beschwerde wurde beim Bundesfinanzhof (BFH) zunächst unter anderem Aktenzeichen geführt und erhielt sodann das Az. VI B 193/96, weil die Sache zu den Verfahren gehört, welche zum Jahreswechsel von einem anderen Senat des BFH übernommen worden sind. Mit Schreiben der Geschäftsstelle des erkennenden Senats vom 24. Januar 1997 wurde der Kläger unter Hinweis auf den -- auch in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses dargelegten -- Vertretungszwang des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) gebeten, sein Rechtsmittel ggf. zur Vermeidung von Kosten zu überprüfen. Danach wurden die Akten versehentlich mit übernommenen Sachen, die erst später zugeschrieben werden sollten, abgelegt. Auf das am 21. Mai 1997 eingegangene Schreiben des Klägers vom 16. Mai 1997 wurden vom Vorsitzenden des erkennenden Senats am 21. Mai 1997 Berichterstatter und Mitberichterstatter bestimmt.

In dem zuletzt genannten Schreiben macht der Kläger geltend, es dränge sich der Eindruck auf, die verantwortlichen Richter wollten ihn demütigen, indem sie seine Sache einfach liegen ließen. Als verantwortlich für die Rechtsverweigerung und Prozeßverschleppung müßten der Senatsvorsitzende und der Berichterstatter angesehen werden, die deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt würden. Eine Begründung in der Beschwerdeschrift ist nicht erfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat kann in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung entscheiden (vgl. u. a. BFH- Beschluß vom 13. Juni 1986 III R 162/82, BFH/NV 1988, 502). Das Ablehnungsgesuch enthält keine substantiierte und nachvollziehbare Darlegung eines Ablehnungsgrundes (§ 51 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 42 der Zivilprozeßordnung). Bei objektiver und vernünftiger Betrachtung ist es offensichtlich, daß sich aus dem vom Kläger beanstandeten Zeitablauf von sechs Monaten nicht ergibt, daß die vom Kläger abgelehnten Richter A (Berichterstatter) und B (Vorsitzender) unsachlich oder willkürlich entscheiden würden.

Das Ablehnungsgesuch und die Beschwerde sind unzulässig, weil sie nicht durch eine postulationsfähige Person eingelegt worden sind.

Vor dem BFH muß sich jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG). Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG) sowie für ein Ablehnungsgesuch (BFH-Beschluß vom 31. Januar 1985 IV S 19/84, BFH/NV 1986, 751). Fehlt es, wie offensichtlich im Streitfall, an diesem Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Personengruppe, so ist die betreffende Prozeßhandlung -- im Streitfall die Einlegung der Beschwerde und das Ablehnungsgesuch -- unwirksam.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422332

BFH/NV 1997, 889

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