Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unzureichender Fristenkontrolle durch den Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

1. Voraussetzung für eine ordnungsgemäße und eine die zureichende Fristenkontrolle sicherstellende Büroorganisation ist ein Fristenkontrollbuch (oder eine vergleichbare Einrichtung), in dem der Ablauf der Fristen aller einzelnen Sachen vermerkt sein muß und in dem die Frist erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen werden darf (ständige Rechtsprechung).

2. Beruft sich der Prozeßbevollmächtigte zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages auf ein Büroversehen, so muß er jedenfalls vortragen, überhaupt ein Fristenkontrollbuch oder ein zur Fristüberwachung vergleichbares Verfahren eingerichtet zu haben.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 129 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beiladungsbeschluß des FG ist dem Kläger und Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 3. Februar 1992 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist am 18. Februar 1992 beim FG eingegangen. Auf den Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats, daß die vorliegende Beschwerde verspätet erhoben worden sei, beantragen die Kläger mit Schreiben vom 26. Juni 1992 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legen erneut Beschwerde gegen den Beschluß vom 28. Januar 1992 ein.

Der Kläger sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist einzuhalten. Er habe die Beschwerde am 12. Februar 1992 verfügt. Eine Mitarbeiterin habe die Reinschrift am 13. Februar gefertigt und sie am gleichen Tage nebst einer Abschrift in ihre Postmappe gelegt. Die Mitarbeiterin führe persönlich über alle Schriftstücke Buch, welche sie in Reinschrift fertige und in die Postmappe lege. Sie habe die Postmappe - wie üblich - am Abend des 13. Februar 1992 dem Kläger vorgelegt und dieser habe - wie immer - alle Briefe in der Postmappe unterschrieben. Die Beschwerdeschrift sei kurz vor der Entnahme aus der Postmappe gefallen und in einen Stapel Konzeptpapier geraten. Sie sei erst am 17. Februar 1992 von einer weiteren Mitarbeiterin dort gefunden und abgefertigt worden, ohne daß diese Mitarbeiterin gemerkt habe, daß es sich um eine Eilsache handele, bei der Fristablauf drohe.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Nach § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Diese Frist ist im Streitfall überschritten. Denn sie endete gemäß § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO), §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit Ablauf des 17. Februar 1992; die Beschwerde ist aber erst am 18. Februar 1992 beim FG eingegangen.

Den Klägern ist nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 und 2 FGO für die von ihnen versäumte Beschwerdefrist zu gewähren.

Auf Antrag kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten; der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten ist einem Beteiligten zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO; vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. August 1977 II R 89/77, BFHE 123, 14, BStBl II 1977, 769; Senatsentscheidung vom 20. Dezember 1989 IX B 27/89, BFH/NV 1991, 167).

Im Streitfall ist davon auszugehen, daß die Beschwerdefrist durch schuldhaftes Verhalten des Klägers zu 1 und Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu 2 versäumt worden ist. Ein Verschulden ist schon in einer unzureichenden Fristenkontrolle zu sehen; denn ein Prozeßbevollmächtigter hat durch die Organisation seines Bürobetriebs sicherzustellen, daß Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Unerläßliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung (BFH-Urteil vom 9. Mai 1961 I 237/60 S, BFHE 73, 491, BStBl III 1961, 445; BFH-Beschluß vom 17. August 1988 III B 174/86, BFH/NV 1989, 240; BFH-Urteil vom 6. Mai 1987 II R 40/86, BFH/NV 1988, 444; Senatsbeschluß in BFH/NV 1991, 167). In diesem Buch muß der Ablauf der Fristen aller einzelnen Sachen vermerkt sein. Die Frist darf erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen werden. Eintragungen und spätere Streichungen sind erforderlich, damit die rechtzeitige Absendung der Schriftstücke gewährleistet ist (BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 444, m.w.N.).

Die Kläger haben nicht vorgetragen, ob der Kläger überhaupt ein Fristenkontrollbuch oder ein zur Fristüberwachung vergleichbares Verfahren eingerichtet hat. Allein der Vortrag, die Mitarbeiterin führe über alle Schriftstücke Buch, welche sie in Reinschrift fertige und in die Postmappe lege, reicht hierzu bereits deshalb nicht aus, weil diese Aufzeichnungen eine Fristenkontrolle ebensowenig ermöglichen wie die vorgetragene Postausgangsüberwachung durch den Kläger selbst. Das vom Kläger beschriebene Verfahren ist nicht dazu geeignet, in irgendeiner Weise organisatorisch sicherzustellen, daß rechtzeitige Fertigung und Absendung des fristwahrenden Schriftsatzes überwacht werden können. Es ist nicht erkennbar, daß hierzu ausreichende Vorkehrungen getroffen worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418996

BFH/NV 1993, 738

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