Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision nach Ergehen eines Änderungsbescheids

 

Leitsatz (NV)

1. Ist ein Änderungsbescheid ergangen, so kann der im Streit befindliche ursprüngliche Bescheid erst dann wieder in Kraft treten, wenn der Änderungsbescheid aufgehoben worden ist.

2. Wenn der Änderungsbescheid mangels eines Antrags des Klägers nach § 68 FGO nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden ist, sondern vom Kläger selbständig angefochten worden ist, so ist das Verfahren über den ursprünglichen Bescheid analog § 74 FGO solange auszusetzen, bis über die Rechtmäßigkeit des geänderten Bescheids rechtskräftig entschieden worden ist.

3. Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision im Streit um den ursprünglichen Bescheid.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 74

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) hatte dem Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 vom 17. November 1981 öffentlich zugestellt, nachdem mehrere an den Kläger gerichtete Schreiben des FA als unzustellbar zurückgekommen waren und seine Anschrift von der Gemeinde nicht zu erfahren gewesen war. Der Aushang erfolgte vom 19. November bis 8. Dezember 1981. Das FA verwarf den Einspruch des Klägers vom 18. Januar 1982 durch Einspruchsentscheidung vom 15. November 1984 als unzulässig.

Während des Klageverfahrens änderte das FA die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Kläger legte gegen sämtliche geänderten Bescheide Einspruch ein. Er stellte keinen Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die geänderten Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das Finanzgericht (FG) hob die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 mit der Begründung auf, die Voraussetzungen für ihre öffentliche Zustellung nach § 15 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) seien nicht erfüllt gewesen. Es lasse sich nicht feststellen, daß der Aufenthaltsort des Klägers allgemein unbekannt gewesen sei. Das FA habe nicht alle Möglichkeiten zur Ermittlung der Anschrift des Klägers ausgeschöpft.

Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht das FA geltend, das FG sei von dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Oktober 1985 IV B 67/85 (BFH / NV 1986, 576), und dem BFH-Urteil vom 26. Juni 1986 IV R 202/84 (BFH / NV 1987, 98) abgewichen. Nach diesen beiden Entscheidungen werde das FA seiner Ermittlungspflicht in der Regel dann gerecht, wenn es versuche, die Anschrift des Adressaten durch die Polizei oder durch das Einwohnermeldeamt zu ermitteln.

 

Entscheidungsgründe

Das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision war analog § 74 FGO auszusetzen, bis über die Rechtmäßigkeit der geänderten Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 rechtskräftig entschieden worden ist. Denn das Verfahren bezüglich der Änderungsbescheide 1975 bis 1978 genießt Vorrang vor dem Verfahren betreffend die ursprünglichen Bescheide 1975 bis 1978, zu dem auch die vorliegende Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gehört. Solange die Änderungsbescheide Bestand haben, können die ursprünglichen Bescheide keine Wirkung entfalten. Die Änderungsbescheide nehmen die ursprünglichen Bescheide in ihren Regelungsgehalt mit auf. Die Änderungsbescheide sind mangels eines Antrags des Klägers nach § 68 FGO nicht Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens geworden.

Die ursprünglichen Bescheide, um deren Wirksamkeit die Beteiligten streiten, können erst dann wieder in Kraft treten, wenn die Änderungsbescheide aufgehoben werden (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231; Urteil vom 8. Oktober 1985 VIII R 78/82, BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302). Erst dann kann sich die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage der Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung der ursprünglichen Bescheide stellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416498

BFH/NV 1990, 245

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