Entscheidungsstichwort (Thema)

Gericht der Hauptsache bei AdV; unterlassene Würdigung vorliegender Unterlagen durch FG; zur Ermittlung des Nutzungswerts einer Wohnung im Zweifamilienhaus

 

Leitsatz (NV)

1. Wird vor Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils beim FG Antrag auf AdV gestellt, wird mit der Einlegung der NZB der BFH das Gericht der Hauptsache.

2. Das FG legt seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis der Verhandlung zugrunde (Verstoß gegen § 96 FGO), wenn es private Aufzeichnungen des Klägers, die sich in den Akten des FA befinden, nicht würdigt.

3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung eines Zweifamilienhauses im Jahr 1986 nach § 21a EStG zu ermitteln ist, wenn die zweite Wohnung erst in einem späteren VZ bezugsfertig wird.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3, § 96; EStG § 21a

 

Tatbestand

Streitig ist im Hauptsacheverfahren wegen Einkommensteuer 1986 bis 1989, ob der Kläger und Antragsteller (Kläger) Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehen darf und ob der Nutzungswert der vom Kläger und seiner Ehefrau eigengenutzten Wohnung ihres Zweifamilienhauses nach § 21 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln ist.

Der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) hat den Betriebsausgabenabzug und die beantragte Nutzungswertermittlung abgelehnt. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil des FG legten der Kläger und seine Ehefrau Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Auf diese hat der Senat mit Beschluß vom heutigen Tag die Revision zugelassen.

Vor der Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils hatte der Kläger beim FG die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1993 und der Einkommensteuervorauszahlungsbescheide 1994 und 1995 beantragt.

Mit Beschluß vom 19. Juli 1995 lehnte das FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Dabei sah es sich in den Gründen des Beschlusses für eine Entscheidung über die Streitjahre 1986 bis 1989 als nicht zuständig an, weil nach Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde der Bundesfinanzhof (BFH) das Gericht der Hauptsache sei.

 

Entscheidungsgründe

Zur Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1989 ist nunmehr der BFH zuständig; denn er ist seit Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Gericht der Hauptsache (vgl. BFH-Beschluß vom 17. November 1988 VIII S 11/88, BFH/NV 1989, 448). Der gemäß § 70 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 17a Abs. 2 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) notwendige Verweisungsbeschluß ist in dem Beschluß des FG über die Aussetzung der Vollziehung vom 19. Juli 1995 enthalten.

Der Antrag ist zulässig; er ist insbesondere nicht deswegen unzulässig geworden, weil er von dem Kläger beim FG persönlich und demnach nicht durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person gestellt worden ist (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1989, 448).

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zum überwiegenden Teil auch begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn die in § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO genannten Voraussetzungen vorliegen. Ernstliche Zweifel, die nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).

Solche ernstlichen Zweifel hat der Senat hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen für die Streitjahre 1987 und 1988.

Das FG hat bei seiner Entscheidung zum Betriebsausgabenabzug die privaten Aufzeichnungen des Klägers zu den Kontenbewegungen der Jahre 1987 und 1988 nicht gewürdigt, obwohl sich diese in den Akten des FA befanden. Es hat seiner Entscheidung damit nicht die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung zugrunde gelegt (§ 96 FGO). Der Senat geht zwar davon aus, daß mit den handschriftlichen Aufzeichnungen allein der Nachweis der betrieblichen Veranlassung der Schuldzinsen kaum zu führen sein wird. Bei einer lückenlosen Aufstellung sämtlicher Kontenbewegungen über alle Streitjahre hinweg und entsprechenden (mündlichen oder schriftlichen) Erläuterungen des Klägers zu nicht eindeutig bezeichneten Vorgängen erscheint dies aber nicht ausgeschlossen.

Hinsichtlich der Schuldzinsen für das Streitjahr 1989 kommt eine Aussetzung allerdings nicht in Betracht, weil insoweit nicht einmal handschriftliche Aufzeichnungen vorliegen.

Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hält es der Senat für ernstlich zweifelhaft, ob eine Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung des Zweifamilienhauses im Jahr 1986 nach § 21a EStG durchzuführen ist, wenn die zweite Wohnung erst in einem späteren Veranlagungszeitraum bezugsfertig wird, ein Zweifamilienhaus damit im Jahr 1986 noch gar nicht erstellt war (vgl. dazu Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 19. September 1986 in BStBl I 1986, 480 unter II.2; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21a EStG Rz. 91; Märkle, u. a. in Betriebs-Berater, Beilage 8/1986 unter C.II.2.; Rupp, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1986, 337).

Die Höhe der auszusetzenden Beträge errechnet sich wie folgt:

...

 

Fundstellen

Haufe-Index 421139

BFH/NV 1996, 473

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