Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten im finanzgerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (NV)

Die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten setzt voraus, daß der Beteiligte zumindest eine gewisse Zahl von zur Vertretung befugten Personen nachweisbar vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 142, 155; ZPO §§ 78b, 114 Abs. 1, § 117 Abs. 2, 4

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Antragstellers gegen die Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1987 und die Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1984 und den 1. Januar 1985 abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

Das Urteil des FG vom 6. April 1995 wurde dem Antragsteller am 26. April 1995 zugestellt. Mit Schreiben vom 22. Mai 1995 -- beim FG am 24. Mai 1995 eingegangen -- hat der Antragsteller persönlich gegen das Urteil Revision eingelegt. Durch ein weiteres von ihm persönlich unterzeichnetes Schreiben vom 23. Mai 1995 hat er die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten.

Für die Durchführung des Revisionsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision beantragt der Antragsteller, ihm die Anwaltskanzlei X als Notanwalt beizuordnen. Zur Begründung trägt er vor, daß er zur Zeit genötigt sei, seinen Lebensunterhalt durch die Begehung von Straftaten zu beschaffen und deshalb nicht die Möglichkeit habe, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen. Der Antragsteller weist ferner darauf hin, daß er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfüge, um einen Rechtsanwalt zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 78 b Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hat das Prozeßgericht einem Beteiligten auf seinen Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn eine Vertretung durch Anwälte etc. geboten ist, er einen zu seiner Vertretung bereiten Angehörigen dieses Personenkreises nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Seit der Einführung des Vertretungszwang vor dem Bundesfinanzhof (BFH) hat dieser als Prozeßgericht für die durchzuführende Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde über die Beiordnung zu entscheiden (BFH-Beschluß vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57). Voraussetzung für die Beiordnung eines Prozeßvertreters ist nach ständiger Rechtsprechung, daß der Beteiligte zumindest eine gewisse Zahl von zur Vertretung befugten Personen nachweisbar vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat (BFH- Beschlüsse vom 9. Dezember 1988 VI S 10/88, BFH/NV 1989, 381; vom 27. November 1989 IX S 15/89, BFH/NV 1990, 503, und vom 8. Januar 1991 IV S 11/90, BFH/NV 1992, 471). Der Antragsteller hat hierzu nichts vorgetragen. Er hat insbesondere nicht dargelegt, daß er sich bei der Anwaltskanzlei X oder einer anderen zur Vertretung vor dem BFH befugten Person erfolglos um die Übernahme des Mandats bemüht hat.

Soweit der Antragsteller geltend macht, er verfüge nicht über die erforderlichen Mittel, um einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, den Antrag auf Beiordnung eines Bevollmächtigten nach § 78 b ZPO (i. V. m. § 155 FGO) zu begründen. Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozeßführung nicht aufbringen können, erhalten auf Antrag Prozeßkostenhilfe -- PKH -- (§ 142 FGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO). Einen solchen Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt. Selbst wenn der Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten als Antrag auf Bewilligung von PKH auszulegen sein sollte, könnte ein solcher Antrag keinen Erfolg haben. Es fehlte nicht nur an der Vorlage einer Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen amtlichen Vordruck (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 4 ZPO), sondern auch an der weiteren Voraussetzung, daß die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten muß (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO).

Die vom Antragsteller angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision muß nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand als aussichtslos beurteilt werden. Die vom Antragsteller bereits persönlich eingelegten Rechtsmittel sind mangels Postulationsfähigkeit unzulässig. Denn nach Art. 1 Nr. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs hätte er sich durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen müssen.

Da die Frist für die Einlegung der Revision und/oder der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG inzwischen verstrichen ist, hängt der Erfolg einer ggf. erneut eingelegten Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde durch einen hierzu befugten Prozeßbevollmächtigten von der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (§ 56 FGO). Die Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht gegeben. Die Wiedereinsetzung setzt nämlich voraus, daß der Antragsteller innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde den Antrag auf Bewilligung von PKH mit den nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderlichen Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einreicht (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1992, 471, und vom 29. Oktober 1991 VIII S 15/90, BFH/NV 1992, 623 m. w. N.). Innerhalb dieser Frist hat der Antragsteller jedoch weder einen Antrag auf Bewilligung von PKH gestellt, noch den Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420928

BFH/NV 1996, 221

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