Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für die Beschwerde gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (NV)

1. Prozeßkostenhilfe kann auch für das Beschwerdeverfahren gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe gewährt werden.

2. Wird die Beschwerde vom Kläger persönlich eingelegt, so kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist nur in Betracht, wenn der Kläger innerhalb der Beschwerdefrist einen formgerechten Antrag auf Prozeßkostenhilfe gestellt hat.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 142 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) begehrte die Ausstellung einer Lohnsteuerkarte für 1985 von der Gemeinde A. Die Gemeinde verweigerte die Ausstellung, weil der Kläger dort keine Wohnung innehabe. In der Folgezeit ließ der Kläger der Gemeinde verschiedene Schreiben zukommen, die nach Auffassung der Gemeinde nicht eindeutig als Rechtsbehelf gegen die Verweigerung der Ausstellung der Lohnsteuerkarte für 1985 angesehen werden konnten.

Nachdem der Antrag des Klägers durch einen Verweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts (VG) an das Finanzgericht (FG) gelangt war, teilte die Gemeinde dem FG im Schreiben vom 9. Mai 1985 mit, sie habe über einen ,,gegebenenfalls anzuerkennenden Rechtsbehelf" noch nicht entschieden. Das Finanzamt (FA) F erklärte auf Anfrage des FG mit Schreiben vom 19. Juni 1985, daß mit der Ausstellung einer Lohnsteuerkarte für 1985 durch das Steueramt der Stadt F gerechnet werden könne.

Der Kläger, der mit Schreiben vom 29. April 1985 unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe beim FG beantragt hatte, erklärte im Schreiben vom 3. Juli 1985, daß er beide Verfahren weiterführen wolle, beantragte jedoch das Ruhen beider Verfahren.

Das FG wies die Klage durch Vorbescheid vom 5. Juli 1985 als unzulässig ab. Es führte aus, es fehle an dem für die Klage notwendigen Vorverfahren. Eine Untätigkeitsklage i.S. des § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liege nicht vor, da die 6-Monats-Frist noch nicht abgelaufen sei (Antrag des Klägers vom 26. Februar 1985; Mitteilung der Gemeinde, es werde nicht abgeholfen 17. April 1985; Verlangen des Klägers nach Ausstellung der Lohnsteuerkarte 30. April 1985). Im übrigen habe die Gemeinde auch einen Grund gehabt, nicht förmlich in der Sache zu entscheiden; denn der Kläger habe immer noch nicht erklärt, ob er ausdrücklich einen Einspruch bei der Gemeinde mit dem Ziel eingelegt habe, eine Einspruchsentscheidung zu erreichen. Die Klage erscheine aber auch unbegründet. Der Kläger habe jedes Schreiben des Gerichts von F aus beantwortet. Nach Auskunft der Gemeinde und nach dem Inhalt der Akten des VG sei A nicht der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers i.S. des § 39 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Schließlich bestehe für den Kläger die Möglichkeit, die Lohnsteuerkarte von der Stadt F zu erhalten; damit könne seinem Begehren abgeholfen werden. Da er aber auf der Ausstellung der Karte durch die Gemeinde bestehe, sei die Klage abzuweisen. Für ein Ruhen des Verfahrens habe bei dieser Sachlage kein Grund bestanden.

Ebenfalls am 5. Juli 1985 lehnte das FG den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe ab. Zur Begründung verwies es auf den Vorbescheid vom gleichen Tage und die daraus folgende mangelnde Erfolgsaussicht in der Sache.

Beide Entscheidungen sind dem Kläger am 19. Juli 1985 zugestellt worden. Gegen den Vorbescheid vom 5. Juli 1985 legte der Kläger ,,Beschwerde oder/die oder das sonst zulässige Rechtsmittel" ein. Mit Schreiben vom 22. Juli 1985, beim FG am selben Tage eingegangen, legte er gegen den Beschluß vom 5. Juli 1985 Beschwerde ein. Das FG ging davon aus, daß der Kläger im Schreiben vom 20. Juli 1985 sinngemäß mündliche Verhandlung beantragt und sich mit der Beschwerde vom 22. Juli 1985 gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe gewandt habe; der Beschwerde half es nicht ab.

Mit Schreiben vom 27. August 1985 wies die Geschäftsstelle des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) unter Bezugnahme auf die Beschwerdeschrift vom 22. Juli 1985 darauf hin, daß dem Vertretungszwang vor dem BFH nicht genügt sei. Daraufhin beantragte der Kläger mit dem Hinweis, daß er mittellos sei und von Sozialhilfe lebe, mit am 9. September 1985 eingegangenen Schreiben Prozeßkostenhilfe. Die Geschäftsstelle des VI. Senats des BFH machte ihn mit Schreiben vom 10. September 1985 darauf aufmerksam, daß Prozeßkostenhilfe bereits dann zu versagen sei, wenn die auf dem vorgeschriebenen Vordruck abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Gericht vorgelegt werde. Mit am 19. September 1985 beim BFH eingegangenen Schreiben sandte der Kläger einen Vordruck, in dem lediglich das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung verneint und die Frage nach laufenden Leistungen vom Sozialamt bejaht ist, zurück. Gleichzeitig bat er um Beiordnung des Rechtsanwalts und Fachanwalts für Steuerrecht Dr. . . .

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag kann keinen Erfolg haben.

Zwar kann Prozeßkostenhilfe grundsätzlich - wegen des Vertretungszwangs beim BFH - auch für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozeßkostenhilfe gewährt werden (BFH-Beschluß vom 18. Juli 1985 V S 3/85, BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499). Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung setzt die Gewährung von Prozeßkostenhilfe jedoch u.a. voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Rechtsverfolgung hätte nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn damit zu rechnen wäre, daß dem Kläger nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Versäumung der Frist von zwei Wochen für die Einlegung der Beschwerde nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses durch eine zur Vertretung vor dem BFH befugte natürliche Person Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO gewährt werden könnte (vgl. auch Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. Juni 1985 IV a ZA 16/84, Versicherungsrecht - VersR - 1985, 889). Das ist nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 1. September 1982 I S 4/82, BFHE 136, 354, BStBl II 1982, 737), der sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Beschluß vom 13. April 1981 11 BA 46/81, Monatsschrift für Deutsches Recht 1981, 1052) und des BGH (Beschluß vom 9. Juli 1981 VII ZR 127/81, VersR 1981, 884) angeschlossen hat, kommt die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn die Partei alles in ihren Kräften Stehende getan hat, um das der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels entgegenstehende Hindernis zu beheben. Dazu hätte der Kläger hier innerhalb der Beschwerdefrist einen formgerechten Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe vorlegen müssen. Das hat er nicht getan. Einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe hat der Kläger in diesem Verfahren erst am 9. September 1985 gestellt. Das war verspätet, da die Beschwerdefrist gemäß § 129 FGO bereits am 2. August 1985 abgelaufen war. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Antrag auf Prozeßkostenhilfe als ordnungsmäßig angesehen werden kann.

Wegen der Versäumung der fristgerechten Vorlage eines Antrags auf Prozeßkostenhilfe kann dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Denn er hat trotz eines Hinweises auf die Fristversäumung keine Wiedereinsetzungsgründe vorgetragen. Solche Gründe sind auch nicht aus den Akten ersichtlich.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 486

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