Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspäteter Antrag auf mündliche Verhandlung nach Vorbescheid

 

Leitsatz (NV)

Entscheidet der BFH durch Vorbescheid und stellt der Kläger persönlich, ohne durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen vertreten zu sein, nach Ablauf der Frist des § 90 Abs. 3 Satz 2 FGO Antrag auf mündliche Verhandlung, so ist der Antrag in sinngemäßer Anwendung des § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

 

Normenkette

FGO § 90 Abs. 3, §§ 121, 126 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der BFH hat die Revision des Klägers durch Vorbescheid vom 17. 7. 1985 als unbegründet zurückgewiesen. Der Vorbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 11. 10. 1985 zugestellt. Am 14. 11. 1985 ging ein vom Kläger persönlich gestellter Antrag auf mündliche Verhandlung ein.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist unzulässig.

Entscheidet der BFH gemäß § 121 und § 90 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Vorbescheid, so kann jeder der Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Vorbescheids mündliche Verhandlung beantragen (§ 90 Abs. 3 Satz 2 FGO). Im Streitfall wurde der mit dem Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung angefochtene Vorbescheid dessen Prozeßbevollmächtigten am 11. Oktober 1985 gemäß § 104, § 53 Abs. 2 FGO und § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes zugestellt. Die in den genannten Vorschriften vorgeschriebenen Formerfordernisse sind beachtet. Dies ergibt sich aus der Postzustellungsurkunde, die gemäß § 155 FGO und § 418 der Zivilprozeßordnung (ZPO) als öffentliche Urkunde Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen erbringt. Damit begann die einmonatige Antragsfrist mit Ablauf des 11. Oktober 1985 (§ 54 FGO, § 222 ZPO und § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Sie lief einen Monat später - also am 11. November 1985 - ab (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 ZPO). Da dieser Tag auf einen Montag fiel, verlängerte sich die Frist nicht.

Bis zum 11. November 1985 ging beim BFH kein Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung ein. Einen entsprechenden Antrag stellte der Kläger erstmalig mit seinem Schriftsatz vom 7. November 1985, der erst am 14. November 1985 beim BFH einging. Der Antrag aus dem Schriftsatz vom 7. November 1985 ist unwirksam, weil er vom Kläger persönlich gestellt wurde. Vor dem BFH muß sich - wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen FG-Urteil hervorgeht - jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932, in der Fassung des Gesetzes vom 4. Juli 1985, BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496). Dies gilt auch für den Antrag auf mündliche Verhandlung nach Erlaß eines Vorbescheides. Fehlt es, wie offensichtlich im Streitfall, an dem Erfordernis der ordnungsmäßigen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen, so ist die betreffende Prozeßhandlung - im Streitfall der Antrag auf mündliche Verhandlung - unwirksam (vgl. dazu Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 45 II 1, S. 238).

Zwar hindert dies den Kläger nicht, einen neuerlichen Antrag auf mündliche Verhandlung verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist nach § 90 Abs. 3 Satz 2 FGO zu stellen und sich dabei von einer der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG genannten Personen vertreten zu lassen. Diesem Antrag könnte jedoch aus den im Beschluß vom heutigen Tag in der Prozeßkostenhilfesache (I S 18/85) genannten Gründen nicht entsprochen werden. Eine Abschrift dieses Beschlusses ist als Anlage der Entscheidung beigefügt. Deshalb wirkt der Vorbescheid vom 17. Juli 1985 als Urteil (§ 121 und § 90 Abs. 3 Satz 3 zweiter Halbsatz FGO). Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist in sinngemäßer Anwendung des § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Oktober 1971 VI R 159/68, BFHE 103, 138, BStBl II 1971, 812). In dem Beschluß ist festzustellen, daß der Vorbescheid als Urteil wirkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 135 Abs. 2 FGO.

Der Beschluß ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers zuzustellen. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtigte dem Kläger gegenüber die Niederlegung des Mandats erklärt hat (§ 168 i.V.m. § 671 BGB, § 86 ZPO und § 155 FGO). Die Kündigung des Vollmachtsvertrages erlangt in Verfahren, in denen Vertretungszwang besteht, erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Bevollmächtigten rechtliche Wirksamkeit (§ 155 FGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO). Sollte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers diesem gegenüber eine wirksame Kündigung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses ausgesprochen haben, so beschränkt sich seine Verpflichtung darauf, Zustellungen entgegenzunehmen und die zugestellten Schriftstücke an den Kläger weiterzuleiten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 36

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