Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für Klage gegen Mineralölsteuerhaftungsbescheid

 

Leitsatz (NV)

1. An die Zulässigkeit der Übernahme von Feststellungen eines FG-Senats durch einen anderen FG-Senat dürfen keine strengeren Anforderungen gestellt werden als bei der Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen durch das FG.

2. Zur grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht eines Generalbevollmächtigten bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Firma.

 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1, §§ 35, 37 Abs. 1, §§ 69, 191 Abs. 1; FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114; MinöStDV § 31 Abs. 9 S. 2, § 36 Abs. 8 Nr. 1

 

Tatbestand

Das Hauptzollamt (HZA) hat den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) mit Steuerhaftungsbescheid ... auf Zahlung von Mineralölsteuer in Höhe von ... DM für Mineralöle in Anspruch genommen, die die Firma X in der Zeit vom 11. März bis 21. April ... aus ihrem Steuerlager in den steuerrechtlich freien Verkehr entnommen hatte. Da die Firma infolge Konkurses am 24. April ... die Steuer nicht entrichtet hatte, hielt sich das HZA an den Antragsteller mit der Begründung, er hafte wegen Verletzung der Anzeigepflicht nach § 31 Abs. 9 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) i.V.m. § 69, § 34 Abs. 1 und § 35 der Abgabenordnung (AO 1977).

Den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) und auf Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten für die hiergegen von dem Antragsteller nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Mit der Beschwerde hält der Antragsteller seinen PKH-Antrag für das Klageverfahren aufrecht.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG hat dem Antragsteller zu Recht die Bewilligung von PKH unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten versagt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Der beschließende FG-Senat durfte sich in tatsächlicher Hinsicht die von einem anderen Senat des FG in derselben Sache getroffenen Feststellungen zu eigen machen und sich auch dessen rechtlicher Beurteilung anschließen, weil der Antragsteller mit seiner Klage hiergegen keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und keine entsprechenden Beweisanträge gestellt hat, die das FG nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht hätte unbeachtet lassen können. Es können insoweit jedenfalls keine strengeren Anforderungen gestellt werden als bei der Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen durch das FG (vgl. hierzu Bundesfinanzhofs - BFH -, Urteile vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311; vom 23. Januar 1985 I R 30/81, BFHE 143, 117, BStBl II 1985, 305; vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463; Beschluß vom 17. Dezember 1991 VII B 163/91, BFH/NV 1992, 612). Auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller nichts vorgebracht, was bei der gebotenen summarischen Prüfung zu einer abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen könnte.

Das FG hat in seiner Entscheidung wesentlich darauf abgestellt, daß dem Antragsteller die drohende Zahlungsunfähigkeit der Firma X spätestens seit dem 6. März ... bekannt war. Hieran knüpft § 31 Abs. 9 Satz 2 MinöStDV i.d.F. von Art. 1 Nr. 20 der Siebzehnten Verordnung zur Änderung der MinöStDV (BGBl I 1979, 2282) eine Anzeigepflicht gegenüber dem HZA. Diese hatte der Antragsteller als Generalbevollmächtigter und Geschäftsführer der Firma X zu erfüllen (§ 35 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Wegen der zumindest grob fahrlässigen Verletzung dieser Pflicht konnte das HZA vor dem Antrag auf Konkurseröffnung keine Maßnahmen ergreifen, um die durch die Entnahme der Mineralöle aus dem Steuerlager in der Zeit vom 11. März bis 21. April ... nach § 36 Abs. 8 Nr. 1 MinöStDV unbedingt gewordenen Mineralölsteuerschulden zu sichern, so daß die entsprechenden Steueransprüche (§ 37 Abs. 1 AO 1977) nicht erfüllt worden sind. Für die durch sein pflichtwidriges Verhalten verursachten Steuerausfälle haftet der Antragsteller nach § 69 i.V.m. § 191 Abs. 1 AO 1977.

Aufgrund des Klagevorbringens des Antragstellers hatte das FG keine Veranlassung, den entscheidenden Ausgangspunkt seiner Beurteilung, das von dem Antragsteller und dem Prokuristen Y mit Vertretern der Bank S und des Hauptlieferanten, der Firma Z, am 6. März ... geführte Gespräch, aus dem sich die Kenntnis des Antragstellers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit ergab, erneut einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. In einer von dem Antragsteller der Klage beigefügten, von der Bank gefertigten Notiz über das Gespräch vom 6. März ... heißt es wörtlich: Aufgrund der aktuellen Lage droht die Zahlungsunfähigkeit der Firma X, da die Liquidität überaus angespannt ist. Außerdem war man sich einig, den Versicherer, der einen Teilbetrag von ... DM des Lieferantenkredites der Z versichert hatte, über die aktuelle Situation zu unterrichten.

Hiergegen hat der Antragsteller in seiner Klage keine substantiierten Einwendungen erhoben. Im Gegenteil hat er darin sogar eingeräumt, daß die nahende Zahlungsunfähigkeit erstmals aufgrund der Gespräche mit der Bank S v. 6./7. März ... bekannt wurde. Demgegenüber ist unmaßgeblich, daß der Antragsteller davon ausging, die Beteiligten täten das ihnen Mögliche, die Liquidität der Firma X zu sichern. Der Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit war eingetreten und dem Antragsteller bekannt geworden, so daß die Anzeigeverpflichtung nach § 31 Abs. 9 Satz 2 MinöStDV ausgelöst worden ist, und zwar unabhängig davon, welche künftigen Maßnahmen zur Erhaltung der Liquidität (Zahlungsplan, Erweiterung der Kreditlinie, Verlängerung von Zahlungszielen, Bestellung dinglicher Sicherheiten) vereinbart worden sind oder getroffen werden sollten.

Selbst wenn der Antragsteller hiernach, wie er vorträgt, fest von der Möglichkeit der Fortführung der Firma X ausging, war das Unterlassen der Anzeige gegenüber dem HZA zumindest grob fahrlässig. Die Erweiterung der Anzeigepflicht auf die Fälle der Überschuldung, der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, der Zahlungseinstellung und der Stellung des Konkurs- oder Vergleichsantrags ist nach hohen Mineralölsteuerausfällen in den Jahren ab 1975 infolge zum Teil gezielter Firmenzusammenbrüche und Konkurse erfolgt, so daß sich der Verordnungsgeber veranlaßt sah, die Inhaber von Steuerlagern zu rechtzeitiger Information zu verpflichten, um das Mineralölsteueraufkommen wirksamer als zuvor zu sichern. Die Anzeigeverpflichtung soll es dem HZA ermöglichen, Mineralölsteuerausfälle abzufangen oder wenigstens abzumildern (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer-Mineralölzoll, Stand Mai 1992, § 9 MinöStG Rz. 46, § 6 MinöStG Rz. 40). Dieser rechtzeitigen Informationspflicht ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Daß dies zumindest grob fahrlässig geschah, bedarf angesichts der bei der Besprechung vereinbarten Unterrichtung des Kreditversicherers des größten Privatgläubigers der Firma X keiner näheren Darlegung, denn der Fiskus - und damit die Allgemeinheit - als Steuergläubiger kann nicht hinnehmen, daß er bewußt schlechter gestellt werden soll als private Gläubiger. Es kann daher dahinstehen, ob dem Antragsteller bereits deshalb grobe Fahrlässigkeit vorzuhalten ist, weil er nicht auf eine Abstandnahme von Entnahmen aus dem Steuerlager hingewirkt hat, obwohl er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, daß er die Verpflichtungen der Firma X zur Zahlung der Mineralölsteuer am Fälligkeitstag nicht würde erfüllen können (vgl. BFH, Beschluß vom 18. März 1986 VII B 33/85, BFH/NV 1987, 143).

Den Antragsteller kann auch nicht entlasten, daß die schon seit längerer Zeit bestehende Liquiditätsschwäche der Firma X dem HZA bekannt gewesen sein soll und es dennoch keine Sicherheitsleistung verlangt habe. Liquiditätsschwäche stellt noch keine anzeigepflichtige drohende Zahlungsunfähigkeit dar. Außerdem war das HZA an dem entscheidenden Gespräch am 6. März ..., bei dem sich die drohende Zahlungsunfähigkeit der Firma X erst - auch für den Antragsteller - herausgestellt hatte, nicht beteiligt und hat auch in der Folge bis zur Stellung des Konkursantrags nichts darüber erfahren, so daß schon deshalb der Vorwurf eines Mitverschuldens am Ausfall der Mineralölsteuern für den hier interessierenden Zeitraum vom 11. März bis 21. April ... nicht erhoben werden kann.

Der Antragsteller kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Anzeigeverpflichtung sei in den Verantwortungsbereich des Prokuristen Y gefallen, der auch als einziger über die wahren finanziellen Verhältnisse der Firma X informiert gewesen sei. Der Antragsteller war als Generalbevollmächtigter Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO 1977 und damit tatsächlich und rechtlich in der Lage, den Pflichten eines gesetzlichen Vertreters im Hinblick auf die Erfüllung steuerlicher Pflichten nachzukommen (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1990 VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284). Als solcher hatte er sich spätestens zu dem Zeitpunkt um die Gesamtbelange der Firma zu kümmern, also auch um die Erfüllung der steuerlichen Pflichten, als ihm die drohende Zahlungsunfähigkeit der Firma bei dem besagten Gespräch am 6. März ... bekannt geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776).

Der Einwand, er hafte allenfalls subsidiär nach Y oder als Gesamtschuldner mit ihm, geht schon deshalb fehl, weil das HZA in der Einspruchsentscheidung ausgeführt hat, Y sei mit Urteil des FG vom ... aus der Haftung hinsichtlich der Steueransprüche des HZA, die sich aus den Entnahmen aus dem Steuerlager in den Monaten Februar, März und April ... ergäben, entlassen worden. Daher stellt sich die Frage eines Ermessensfehlers bei der Auswahl des Haftungsschuldners nicht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 7. April 1992 VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213 m.w.N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 128

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