Normenkette

RAO §§ 109, 103, 112; AO 1977 §§ 69, 34, 71

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Der Kläger war - neben dem Maurermeister A - Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die seit Mai 1972 persönlich haftende Gesellschafterin der auf dem Bausektor tätigen A und B Kommanditgesellschaft (Kommanditgesellschaft) gewesen war. In den Jahren 1972 bis 1975 leistete die Kommanditgesellschaft aufgrund unrichtig abgegebener Voranmeldungen zu geringe Umsatzsteuervorauszahlungen. Die Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1972 mit 1975 wurden jeweils erheblich verspätet eingereicht. Die sich aus den Veranlagungen für diese Jahre ergebenden Steuerschulden sind nicht bezahlt worden.

Mit Vertrag vom 14. Mai 1974 trat die Kommanditgesellschaft ihre sämtlichen "gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus Lieferungen, Bauleistungen und sonstigen Leistungen" an die X-Kreditbank ab. Im September 1975 von der GmbH und von der Kommanditgesellschaft gestellte Anträge auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaften wurden vom Amtsgericht als unzulässig abgewiesen. Einen weiteren Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Kommanditgesellschaft hat das Amtsgericht am 15. Mai 1976 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse abgelehnt. Am 11. Juni 1976 ist die Kommanditgesellschaft im Handelsregister von Amts wegen gelöscht worden.

Am 18. Mai 1976 hat das Finanzamt gegen den Kläger als Geschäftsführer der GmbH einen Haftungsbescheid erlassen. In diesem ist vermerkt:

"Die Firma A und B KG schuldet dem Finanzamt folgende Steuerbeträge und Säumniszuschläge:

Umsatzsteuer 1972 24 441,83 DM

Umsatzsteuer 1973 23 424,78 DM

Umsatzsteuer 1974 (

Oktober bis Dezember) 13 838,25 DM

Umsatzsteuer 1975 23 821,70 DM

85 526,56 DM

+ Säumniszuschläge 1 657,- DM

Gesamtbetrag 87 283,56 DM

Die Umsatzsteuer 1972 beruht auf dem nach Betriebsprüfung geänderten Steuerbescheid vom 28. August 1975, 1973 auf dem Steuerbescheid vom 22. Oktober 1975 laut Steuererklärung, 1974 (Oktober bis Dezember) auf den eingereichten Voranmeldungen und 1975 auf der Steuerfestsetzung vom 15. März 1976 gemäß § 18 des Umsatzsteuergesetzes. Die Säumniszuschläge sind begründet durch § 1 des Steuersäumnisgesetzes."

Der Kläger hat die Aufhebung des Haftungsbescheids begehrt.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter. Er rügt unrichtige Anwendung der §§ 109, 103 der Reichsabgabenordnung (RAO):

Eine schuldhafte, für die Nichtentrichtung der Steuerrückstände ursächliche Pflichtverletzung könne ihm nicht angelastet werden. Zum einen sei er aufgrund interner Aufgabenverteilung nur für die technischen Belange der Kommanditgesellschaft zuständig gewesen, während die steuerlichen Angelegenheiten von dem Mitgeschäftsführer A wahrzunehmen gewesen seien. Zum anderen seien sämtliche dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerfestsetzungen erst nach dem 14. Mai 1974, an dem der Globalzessionsvertrag abgeschlossen, und nach dem 8. September 1975, an dem erstmals Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt worden war, fällig geworden. Im Fälligkeitszeitpunkt hätten der Kommanditgesellschaft keine Mittel zur Begleichung der Steuerrückstände zur Verfügung gestanden. Der Kläger sei somit nicht in der Lage gewesen, die Steuerschulden zu tilgen. Eine Pflichtwidrigkeit liege auch nicht im Abschluß des mit der Bank vereinbarten Globalzessionsvertrages. Zu diesem Abschluß sei er in dem geschehenen Umfang genötigt gewesen, um mit Hilfe der Bank die Kommanditgesellschaft am Leben zu erhalten. Der von der Bank vorgeschriebene Vertragsinhalt habe wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft nicht abgelehnt oder verändert werden können.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

1. Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils reichen nicht aus, die Haftung des Klägers durchweg dem Grunde nach und in Höhe der festgesetzten Beträge zu bejahen. Es ist nicht zu ersehen, ob und inwieweit dem Kläger die Abgabe oder das Dulden falscher Umsatzsteuervoranmeldungen und die nicht ordnungsgemäße Tilgung von Umsatzsteuervorauszahlungen durch die Kommanditgesellschaft zur Last gelegt wird oder ob er wegen unterlassener Tilgung der aufgelaufenen Rückstände haften soll. Weiter ist nicht festgestellt, inwieweit dem Kläger Mittel zur Tilgung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden haben oder bei anderem Verhalten (in bezug auf die Globalzession) zur Verfügung gestanden hätten.

Das angefochtene urteil war daher aufzuheben. Andererseits lassen es die tatsächlichen Feststellungen nicht zu, den Kläger durchweg von der Haftung freizustellen. Die Sache ist daher nicht zur abschließenden Entscheidung reif.

2. Bei einer Kommanditgesellschaft haben die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 161, 114, 125, 164, 170 HGB) die Pflichten zu erfüllen, welche dieser Gesellschaft wegen der Besteuerung auferlegt sind (§ 105 Abs. 1 RAO, § 34 Abs. 1 AO 1977). Ist persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, haben deren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG) die steuerlichen Pflichten dieser Gesellschaft (§ 103 Satz 1 RAO, § 34 Abs. 1 AO 1977) und mit diesen die steuerlichen Pflichten der Kommanditgesellschaft zu erfüllen. Sie haften bei Pflichtverletzungen bis zum 31. Dezember 1976 (Artikel 97 § 11 EGAO) insoweit persönlich neben der Kommanditgesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, als durch schuldhafte Verletzung dieser Pflichten Steueransprüche verkürzt oder Erstattungen oder Vergütungen zu Unrecht gewährt worden sind (§ 109 Abs. 1 RAO).

a) Maßstab der Pflichten eines Geschäftsführers ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG), unabhängig von der Person des jeweiligen Geschäftsführers. Lediglich in der Zurechnung eines Verschuldens bei Verletzung dieser Pflichten (§ 109 Abs. 1 RAO) können subjektive Gesichtspunkte von Bedeutung sein.

b) Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, trifft jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung und grundsätzlich die Verantwortung für die Geschäftsführung im ganzen. Denn die Führung der Geschäfte - sei es einer Kapitalgesellschaft, sei es einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft - umfaßt nicht in erster Linie die Besorgung eines bestimmten Geschäftsbereichs, sondern die verantwortliche Leitung der Geschäfte in ihrer Gesamtheit. Diese erfordert - unbeschadet der Handlungsbefugnisse jedes einzelnen Geschäftsführers und seiner etwaigen Befugnis, die Gesellschaft allein zu vertreten - eine einheitliche Willensbildung (vgl. § 77 Abs. 1 AktG, § 115 Abs. 1 HGB). Daraus folgt die solidarische Verantwortlichkeit aller Geschäftsführer (§ 43 Abs. 2 GmbHG) für diejenigen Belange, welche die Existenz der Gesellschaft im ganzen berühren, insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (vgl. § 84 GmbHG) unabhängig von einer sonst gegebenen Verteilung der Aufgaben. Die Gesamtverantwortung eines jeden Geschäftsführers verlangt zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im ganzen. Sie ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes wahrzunehmen (§ 43 Abs. 1 GmbHG).

c) Die Geschäftsführer sind im Bereiche des § 103 Satz 1 RAO (§ 34 Abs. 1 AO 1977) auch dem Steuergläubiger zur Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verpflichtet, daneben und grundsätzlich gegenüber der Gesellschaft (§ 43 Abs. 2 und 3 GmbHG). Sie können folglich weder den Umfang ihrer Pflichten noch den Maßstab der gebotenen Sorgfalt aus eigener Befugnis einengen. Auch die Gesellschaft selbst ist nicht in der Lage, sie im Gesellschaftsvertrage oder durch Beschluß einer Gesellschafterversammlung von der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu dispensieren. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG) wird von den Geschäftsführern nämlich nicht nur um der Gesellschafter willen erwartet, sondern auch wegen der Gesellschaftsgläubiger (vgl. §§ 7, 78, 9, 43 Abs. 3, §§ 64, 84 GmbHG), denen nur die beschränkte Masse des Gesellschaftsvermögens haftet (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Die Gesellschaft kann folglich im Gesellschaftsvertrage oder durch Beschluß der Gesellschafter (§ 37 Abs. 1 GmbHG) unter mehreren Geschäftsführern zwar eine Arbeitsteilung verfügen, bei der für jeden Bereich stets mindestens ein Geschäftsführer zuständig sein muß (§ 6 Abs. 1 GmbHG); sie kann aber keinen Geschäftsführer von seinem Anteil an der Gesamtverantwortung entlasten.

d) Hat der Gesellschaftsvertrag oder ein förmlicher Beschluß der Gesellschafter die Wahrnehmung der steuerlichen Belange der Gesellschaft einem von mehreren Geschäftsführern zugewiesen (§ 37 Abs. 1 GmbHG) oder ist dies kraft Zulassung in dem Gesellschaftsvertrage oder durch Beschluß der Gesellschafter in einer Geschäftsordnung der Geschäftsführer festgelegt (vgl. § 77 Abs. 2 AktG), treffen die steuerlichen Pflichten in erster Linie diesen Geschäftsführer (§ 103 Satz 1 RAO). Die Verantwortung der anderen Geschäftsführer wird dadurch aber nicht im ganzen aufgehoben (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG). Vielmehr tritt der Umfang ihrer Pflichten nur insoweit und so lange zurück, wie für sie unter den Maßstäben der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG) kein Anlaß besteht anzunehmen, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft würden nicht exakt erfüllt. Die Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer wird spätestens dann wirksam, wenn die laufende Erfüllung aller Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet ist und infolgedessen Unregelmäßigkeiten in der Erklärung der Steuern oder der Erfüllung der Steuerschulden zu besorgen sind, oder wenn die Person des für die steuerlichen Belange primär zuständigen Geschäftsführers diese Besorgnis rechtfertigt.

e) Von der Verantwortung eines jeden einzelnen Geschäftsführers für die Geschäftsführung im ganzen unberührt bleibt die (interne) Aufteilung der Geschäfte des regelmäßigen Geschäftsablaufs unter den Geschäftsführern. Sie ist je nach der Größe des Geschäftsbetriebes und der Art der vorzunehmenden Geschäfte möglich oder sogar notwendig. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG) erfordert aber eine vorweg eindeutige Klarstellung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist, damit nicht im Haftungsfalle - sei es gegenüber der Gesellschaft (§ 43 Abs. 2 GmbHG), sei es gegenüber dem Steuergläubiger (§ 109 Abs. 1 RAO) - jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit eines anderen verweist. Folglich muß eine vorgegebene - und damit zumindest schriftliche - Aufteilung vorliegen, die jede einzelne Aufgabe in den Zuständigkeitsbereich mindestens eines Geschäftsführers verweist. Fehlt es daran, bleibt es zumindest hinsichtlich eines Unterlassens bei der solidarischen Haftung aller Geschäftsführer (§ 43 Abs. 2 GmbHG) wegen Organisationsverschuldens.

f) Hinsichtlich der von einem Geschäftsführer vorgenommenen Geschäfte des laufenden Geschäftsverkehrs, die für die Gesellschaft nicht von existentieller Bedeutung sind, können und dürfen sich zwar auch im übrigen der oder die anderen Geschäftsführer in etwa gleichem Umfang auf deren Ordnungsmäßigkeit verlassen, wie sie sich auf die ordnungsmäßige Geschäftsbesorgung eines Prokuristen (§§ 48 ff. HGB) verlassen dürften und unter Umständen müßten. Voraussetzung ist aber die persönliche Vertrauenswürdigkeit des anderen Geschäftsführers, eine generelle Kenntnis von der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung und die Gewähr, daß die vorgenommenen Geschäfte die Grenzen laufenden Geschäftsverkehrs nicht übersteigen, bei auch nur entfernt zu besorgender Gefährdung der Liquidität oder des Vermögens der Gesellschaft aber alle anderen Geschäftsführer unverzüglich unterrichtet werden. Zeichnet sich die nahende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft ab (§ 63 GmbHG), ist jeder einzelne Geschäftsführer verpflichtet, sich um die Gesamtbelange der Gesellschaft zu kümmern (§§ 64, 84 GmbHG). Nicht anders ist es bei dem Geschäftsführer, der erkennt, daß ein anderer Geschäftsführer in seinem Wirkungskreis die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vermissen läßt.

3. Bei gegebenem Verschulden - für die Zeit vor dem 1. Januar 1977 (Artikel 97 § 11 EGAO) ohne Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (nunmehr § 69 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) - haftet der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für die durch seine schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Verkürzung der Steueransprüche (hier aus bewirkten Umsätzen) und für die zu Unrecht gewährten Erstattungen (hier in Zuerkennung nicht zustehender Vorsteuerabzugsansprüche) und Vergütungen (§ 109 Abs. 1 RAO). Grund und Umfang der Haftung sind demnach nicht unabhängig von der Art der verletzten Pflicht und dem Zeitpunkt ihrer Verletzung.

a) Die gesetzlichen Vertreter haben zwar dafür zu sorgen, daß die Steuern aus "den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden" (§ 103 Satz 1 RAO, § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Befinden sich im Gesellschaftsvermögen keine Mittel zur Zahlung der Steuern und können diese auch nicht beschafft werden, handelt der Geschäftsführer - sofern ihm nicht auf einen früheren Zeitpunkt eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist - nicht pflichtwidrig, wenn er es unterläßt, die fälligen Steuerschulden (aus eigenen Mitteln) zu tilgen. Reichen die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller Steuerschulden aus, kann zumindest hinsichtlich des überschießenden Betrages in der unterlassenen Zahlung keine Pflichtverletzung liegen. Demzufolge muß jeweils der Umfang der im maßgebenden Zeitpunkt verfügbaren Mittel festgestellt werden (Urteil vom 8. Juli 1982 V R 7/76, BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249). Den in Anspruch genommenen gesetzlichen Vertreter trifft in diesem Rahmen aber die Pflicht, die in seinen Wissensbereich fallenden Angaben zu machen.

b) Die Pflicht des Geschäftsführers, dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden, besteht nicht erst bei Fälligkeit der Steuerschuld. Zwar richtet sich die Höhe der Haftungssumme nach dem Umfang der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld eingetretenen Steuerverkürzung. Die dem Steuergläubiger gegenüber bestehenden Pflichten verletzt ein Geschäftsführer jedoch schon dann, wenn er sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich oder fahrlässig außerstande setzt, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Diesfalls haftet der Geschäftsführer, der unter den eingangs genannten Grundsätzen für die Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten verantwortlich ist, gemäß §§ 103, 109 RAO insoweit, als der Steuergläubiger bei pflichtgemäßem Verhalten im Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden wäre.

Auf dieser Grundlage kommt es, wenn die Voranmeldungen oder Steuererklärungen nicht, nicht rechtzeitig oder mit falschem Inhalt abgegeben wurden und dem Geschäftsführer dieserhalb eine fahrlässige Verletzung von Sorgfaltspflichten vorzuwerfen ist, für die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nicht darauf an, wann Steuernachforderungen (z. B. aufgrund von Jahresveranlagungen) festgesetzt oder fällig werden. Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen sind dabei Umfang der Pflichten und Maßstab für das Verschulden bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer nicht notwendig bei den einzelnen Geschäftsführern einheitlich zu beurteilen, weil die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen zum laufenden Geschäftsverkehr gehört. Wird diese im regelmäßigen Geschäftsablauf durchweg von einem bestimmten Geschäftsführer vorgenommen, so sind andere Geschäftsführer auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht zu einer inhaltlichen Nachprüfung verpflichtet, es sei denn, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft oder die Person des erklärenden Gesellschafters gäben hierzu Veranlassung.

c) Finanzamt und Finanzgericht sind davon ausgegangen, der Geschäftsführer sei verpflichtet, die Mittel der Kommanditgesellschaft vorrangig, also vor Befriedigung anderer Gläubiger, zur Tilgung der Umsatzsteuerschulden einzusetzen. Diese Erwägung könnte beruhen auf den für die Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers (§ 42 d EStG) maßgebenden Grundsätzen (vgl. Urteil vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521) oder auf § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO, wonach den im letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens fällig gewordenen (oder gemäß § 65 KO als fällig geltenden) Abgabenforderungen der Vorrang vor den anderen - mit Ausnahme der in § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO genannten - Konkursforderungen eingeräumt ist.

Beide Gesichtspunkte sind nicht einschlägig: Die Umsatzsteuerschuld entsteht bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (Regelfall) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 UStG 1967), ohne Rücksicht auf die Vereinnahmung des Entgelts. Die Höhe der Steuerschuld ergibt sich aus den bewirkten Umsätzen (einschließlich der Hinzurechnungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967) abzüglich der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 16 Abs. 2 UStG 1967) und unter Berücksichtigung der Berichtigungen gemäß § 17 UStG 1967 (vgl. Urteil vom 30. September 1976 V R 109/73, BFHE 120, 562, BStBl II 1977, 227). Es fehlt somit jene unmittelbare Verbindung zwischen der abzuführenden Steuer und den jeweils verfügbaren Mitteln des Steuerschuldners, wie sie bei der vom Arbeitslohn einzubehaltenden und an das Finanzamt abzuführenden Lohnsteuer (§§ 38 Abs. 1, 41 a Abs. 1 EStG) gegeben ist (vgl. auch Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 1977 II 70/75, EFG 1977, 565).

Auch der Rechtsgedanke des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO begründet vor Eröffnung des Konkursverfahrens keine Vorrangigkeit von Umsatzsteuerforderungen.

Die Geschäftsführer einer GmbH oder einer Kommanditgesellschaft mit einer GmbH als dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter sind nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der von ihnen vertretenen Gesellschaft verpflichtet, die Eröffnung des Konkursverfahrens oder die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen (§ 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 130 a Abs. 1 HGB). Sie dürfen - vorbehaltlich des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG und des § 130 a Abs. 2 Satz 2 HGB - keine Zahlungen mehr leisten. Dies gilt auch hinsichtlich der Umsatzsteuer. Eine nur vorübergehende, noch als behebbar erachtete Zahlungsunfähigkeit aber könnte häufig zur alsbaldigen Zahlungseinstellung führen, wenn die Geschäftsführer verpflichtet wären, die vorhandenen Mittel ausschließlich zur vorrangigen Tilgung der Umsatzsteuerforderungen zu verwenden.

Demzufolge kann bei Fehlen ausreichender Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten - für den Zeitraum einer noch als behebbar erachteten Zahlungsunfähigkeit bis zum Eintritt der Verpflichtung, die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des Vergleichsverfahrens zu beantragen (vgl. §§ 177 a, 130 a Abs. 1 HGB) - von dem Geschäftsführer nur eine angemessene Tilgung der Umsatzsteuerschulden verlangt werden. Die Umsatzsteuerrückstände sind in etwa gleicher Weise zu tilgen, wie die Forderungen anderer Gläubiger.

d) Die Verpflichtung des Geschäftsführers, bei Einstellung der Zahlungen oder Überschuldung der Gesellschaft die Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen (§§ 177 a, 133 a HGB), bleibt hiervon unberührt.

e) Unabhängig vom Vorhandensein oder Fehlen ausreichender Mittel bleibt die uneingeschränkte Haftung eines Geschäftsführers für hinterzogene Steuerbeträge bei vorsätzlich unrichtig abgegebenen Steuererklärungen (§ 112 RAO, § 71 AO 1977).

4. Tatsachen, welche den letztgenannten Haftungsgrund ergeben könnten, sind nicht festgestellt. Wird dies als Entscheidungsgrundlage vorausgesetzt, kommt es darauf an, von welchem Zeitpunkt an dem Kläger eine schuldhafte Verletzung seiner steuerlichen Verpflichtungen (§ 103 RAO) vorzuwerfen ist, und welche Beträge er bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zur Tilgung der Umsatzsteuerforderungen hätte abführen müssen.

a) Dieser Zeitpunkt lag jedenfalls schon vor Fälligkeit der im Haftungsbescheid genannten Steuerforderungen. Denn selbst wenn eine Aufgabenverteilung zwischen dem Kläger und dem anderen Geschäftsführer in dem behaupteten Sinn bestanden haben sollte, stand der Kläger in der Verantwortung als Geschäftsführer der GmbH jedenfalls von der Zeit an, in der sich die Kommanditgesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten befand. Spätestens geraume Zeit vor Abschluß des Globalzessionsvertrages war der Kläger somit als Geschäftsführer der GmbH verpflichtet, sich um die steuerlichen Belange der Kommanditgesellschaft zu kümmern. Dies hat der Kläger zufolge seiner eigenen Darlegungen nicht getan.

b) Der Globalzessionsvertrag vom Mai 1974 führt auch dann nicht zur Freistellung des Klägers von der Haftung, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, er habe bei dessen Abschluß nicht mit erheblichen Umsatzsteuernachforderungen zu rechnen brauchen. Dabei kann auf sich beruhen, ob der Globalzessionsvertrag vom 14. Mai 1974 zivilrechtlich wirksam ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. März 1978 VIII ZR 180/76, BB 1978, 577). Dahingestellt bleiben kann ferner, ob sich die Bank mit dem Vertrag eine Sicherung verschafft hat, die sie zum damaligen Zeitpunkt nicht oder nicht in dieser Form zu beanspruchen hatte (vgl. § 30 KO). Denn die Globalzession hatte - ihre Rechtswirksamkeit unterstellt - nicht zur Folge, daß der Kommanditgesellschaft die Mittel zur Begleichung der Steuerschulden entzogen waren. Sie war ersichtlich nur Teil einer weitergehenden Vereinbarung, welche unter anderem die Bank zu Krediten an die Kommanditgesellschaft verpflichtete und dadurch deren Zahlungseinstellung hinausschob. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit noch bis mindestens Ende des Jahres 1975, also über einen Zeitraum von ein und einhalb Jahren, fortsetzen konnte. Die geschäftliche Tätigkeit konnte nur fortgeführt werden, wenn in diesem Zeitraum an Zahlungseingängen neben der Bank auch andere Gläubiger - also Lieferanten - befriedigt wurden. Daher hätten auch nach der Globalzession noch Mittel zur Tilgung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden. Die Pflichtwidrigkeit des Klägers bestand darin, sich nicht darum gekümmert zu haben, daß entsprechende Zahlungen erbracht wurden.

c) Der Umfang der Haftungsschuld bemißt sich nach dem Grund der Pflichtwidrigkeit in bezug auf die Nichterfüllung der Steuerschulden: Wurden inhaltlich richtige Voranmeldungen (bzw. Jahressteuererklärungen) abgegeben, reichten aber die Mittel der Gesellschaft zur Erfüllung der sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen nicht aus, so hätte der Steuergläubiger angemessen befriedigt werden müssen (vgl. dazu oben Ziff. 3 c). Wurden bewußt inhaltlich unrichtige Erklärungen abgegeben, so besteht die Haftung in voller Höhe hinterzogener Steuerbeträge (§ 112 RAO, vgl. § 71 AO 1977).

Die Sache war daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 75094

BStBl II 1984, 776

BFHE 1985, 443

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