Entscheidungsstichwort (Thema)

Frist für Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts für Einlegung eines Rechtsmittels

 

Leitsatz (NV)

Einem Kläger, der keinen geeigneten Prozessvertreter für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde findet, kann wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden, wenn der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Prozessgericht gestellt worden ist.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 62a, 115, 116 Abs. 2 S. 1, § 155; ZPO § 78b

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 12.02.2003; Aktenzeichen 1 K 2636/02 Kg)

 

Gründe

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

1. Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) muss sich ―wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem vorbezeichneten Urteil hervorgeht― jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwalt, niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden (§ 62a der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Im Streitfall ist die Beschwerde nicht von einer solchen Person oder Gesellschaft eingelegt worden; die Einlegung der Beschwerde ist daher unwirksam.

2. Die Beschwerde ist außerdem deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach der Zustellung des Urteils (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) eingelegt worden ist. Denn die Beschwerde gegen das am 1. März 2003 zugestellte Urteil ist erst am 15. Juni 2003 beim BFH eingegangen.

3. Selbst wenn die Ausführungen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) in seinem Schriftsatz vom 27. Juli 2003 als Antrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten gemäß § 155 FGO i.V.m. § 78b Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen sein sollten, könnte der Mangel der Vertretung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr nachträglich beseitigt werden. Dies träfe auch dann zu, wenn der Kläger sein Vorbringen, keinen geeigneten Prozessvertreter gefunden zu haben, glaubhaft gemacht hätte.

Denn wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zwingend geboten und der Beteiligte nicht in der Lage ist, einen zur Vertretung bereiten Prozessvertreter zu finden, so muss er in sinngemäßer Anwendung des § 78b ZPO rechtzeitig innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Prozessgericht den Antrag stellen, ihm einen Notanwalt beizuordnen (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 1992 VI B 124/91, BFH/NV 1993, 118; vom 20. Februar 1997 VII S 2/97, BFH/NV 1997, 431). Ist der Antrag nicht fristgemäß gestellt worden, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1993, 118; BFH/NV 1997, 431, und vom 3. Dezember 1999 IX B 97/99, BFH/NV 2000, 479).

Im Streitfall wäre ein in dem Schriftsatz vom 27. Juli 2003 gestellter Antrag verspätet, weil er nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellt worden ist und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheidet.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174914

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