Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Revisionsfrist wegen innerdienstlicher Vorgänge

 

Leitsatz (NV)

Hat das Finanzamt verspätet Revision eingelegt, so ist wegen der Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn nicht dargelegt und glaubhaft gemacht ist, ob die Revisionsschrift zur Post gegeben oder verwaltungsintern durch Boten übermittelt wurde.

 

Normenkette

BGB § 188 Abs. 2; FGO §§ 54, 56 Abs. 1-2, § 120; ZPO § 222 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) machten in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1976 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Prämien für zwei im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Bauspardarlehen abgeschlossene Risikolebensversicherungen in Höhe von insgesamt 1 141 DM als Werbungskosten geltend. Das lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ab, weil es sich um Sonderausgaben handle, die sich wegen der Ausschöpfung des Sonderausgabenhöchstbetrags nicht auswirkten. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.

Nach Zustellung des FG-Urteils am 7. Mai 1982 legte das FA hiergegen mit einem Schriftsatz, der das Datum vom 2. Juni 1982 trägt und ohne Briefumschlag am 8. Juni 1982 bei dem FG eingegangen ist, Revision ein. Das FA bittet wegen Versäumung der Revisionsfrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die vom FA gefertigte Revisionsschrift sei am Donnerstag, dem 3. Juni 1982, von der Oberfinanzdirektion (OFD) ,,abgesandt" worden, wozu u. a. eine Absendeverfügung der OFD vom gleichen Tage in Fotokopie beigelegt wird. Unter Berücksichtigung einer normalen Postlaufzeit sei mit einer bis zum 8. Juni 1982 verzögerten Übermittlung nicht zu rechnen gewesen. In der Sache rügt das FA Verletzung materiellen Rechts, nämlich von § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, zum Teil sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils - oder des Zulassungsbeschlusses - einzulegen. Das FA hat die Revisionsfrist, die am 7. Mai 1982 in Lauf gesetzt wurde und am 7. Juni 1982 endete (§ 54 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung sowie § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches), versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen dieser Fristversäumung kommt nicht in Betracht, da das FA nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, daß es ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 und 2 FGO).

Aus dem Wiedereinsetzungsgesuch und den beigefügten Aktenauszügen ergibt sich schon nicht, ob und wie die Revisionsschrift zur Post gegeben wurde. Denn wenn das Schriftstück, wie durch die OFD ohne Angabe zur Versendungsart vermerkt, am 3. Juni 1982 ,,abgesandt" wurde, läßt dies auch die Möglichkeit offen, daß die Absendung lediglich im Rahmen einer verwaltungsinternen Übermittlung, etwa durch Boten oder zusammen mit anderen Schriftstücken geschehen ist. Hierfür spricht jedenfalls die Tatsache, daß die Revisionsschrift bei dem FG ohne Umschlag eingegangen ist, und der Zusammenhang mit der von der OFD gleichzeitig verfügten Aktenrücksendung an das FA. Steht mithin die Aufgabe der Revisionsschrift zur Post nicht fest, kann sich das FA auf eine Verzögerung der Postlaufzeit nicht berufen. Die Versäumung der Revisionsfrist durch innerdienstliche Vorgänge bei der OFD muß sich das FA zurechnen lassen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. August 1967 I R 55/67, BFHE 90, 93, BStBl III 1967, 785).

Das FA hat ferner nicht angegeben, durch welchen Bediensteten die Absendung erfolgt ist, der zur Glaubhaftmachung des nicht hinreichend dargelegten Geschehensablaufs gehört werden könnte. Außerdem fehlen jegliche Darlegungen, welche organisatorischen Maßnahmen zur Kontrolle der Ausgangspost getroffen waren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. Oktober 1981 IV R 100/80, BFHE 134, 220, BStBl II 1982, 131, und vom 7. Dezember 1982 VIII R 77/79, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229).

Bei dieser Sachlage hält es der erkennende Senat für nicht geboten, abweichend von dem Grundsatz, daß Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO darzulegen sind, dem FA Gelegenheit zu geben, sein nicht schlüssiges Wiedereinsetzungsbegehren zu ergänzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414510

BFH/NV 1986, 618

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