Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für eine Klage gegen die Ablehnung eines Billigkeitserlasses

 

Leitsatz (NV)

Gerichtliche Kontrolle und Rechtsschutzgewährung erschöpfen sich bei Ermessensentscheidungen der Verwaltung in der Untersuchung, ob die Finanzbehörden die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung (hier: § 227 AO 1977) nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben (vgl. § 102 FGO). Der Antrag auf PKH für eine Beschwerde gegen einen Beschluß des FG, mit dem PKH für eine Klage gegen die Versagung eines Billigkeitserlasses abgelehnt wurde, hat daher nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß das FG zu Unrecht einen Ermessensfehlergebrauch oder eine Ermessensüberschreitung bei der Versagung des Billigkeitserlasses durch die Finanzbehörden verneint hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 227; FGO § 40 Abs. 2, §§ 102, 142 Abs. 1; ZPO § 114

 

Tatbestand

Die Antragstellerin zu 2 ist die Alleinerbin ihres im Jahr 1990 verstorbenen Vaters. Der Antragsteller zu 1 ist der Ehemann der Antragstellerin zu 2. Der Nachlaß bestand aus Kapitalvermögen sowie aus einem -- lastenfreien -- hälftigen Anteil an einem Mietwohngrundstück, dessen Einheitswert ... DM betrug.

Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 19. November 1991 setzte der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) im wesentlichen der am 2. Oktober 1991 eingereichten Erbschaftsteuererklärung der Antragstellerin zu 2 folgend -- gegen die Antragstellerin zu 2 Erbschaftsteuer fest.

Mit Schreiben an das FA vom 24. Januar 1992 beantragte die Antragstellerin zu 2 die festgesetzte Erbschaftsteuer zu erlassen. Zur Begründung führte sie unter Beifügung einer ärztlichen Stellungnahme aus, daß sie seit 1988 an Multipler Sklerose leide. Da es für diese Krankheit keine anerkannten Heilmethoden gebe, müsse sie -- die Antragstellerin zu 2 -- die meisten Krankheitskosten selbst tragen.

Mit Verwaltungsakt vom 26. April 1994 lehnte das FA den Erlaßantrag ab.

Dagegen erhob die Antragstellerin zu 2 Beschwerde. Sie trug ergänzend vor, durch ihre Erkrankung seien inzwischen ihre gesamten Guthaben aufgebraucht worden. Darüber hinaus habe sie auf ihre geerbte Immobilie ein Darlehen von ... DM aufnehmen müssen. Die Krankheit habe innerhalb von vier Jahren Kosten in Höhe von ... DM "verschlungen". Überdies müsse sie nunmehr einen behindertengerechten PKW zum Preis von rd. ... DM anschaffen. Ferner müsse auch ihre Wohnung mit einem voraussichtlichen Kostenaufwand von ... DM behindertengerecht umgebaut werden. Schließlich sei zu bedenken, daß ihr Gesundheitszustand von Tag zu Tag schlechter und die Behandlung immer teurer werde.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde mit Bescheid vom 1. August 1994 als unbegründet zurück. Sie führte im wesentlichen aus, der Antragstellerin zu 2 sei zuzumuten, die Erbschaftsteuer (= Bereicherungssteuer) aus dem ihr zugewendeten Nachlaß zu entrichten. Eine Belastung ihres sonstigen Vermögens und Einkommens trete dadurch nicht ein. Die Steuer betrage nur einen geringen Bruchteil der Bereicherung, nämlich etwa 4 v. H. nach steuerlichen Werten und nur etwa 2 v. H. nach Verkehrswerten, so daß sich die Antragstellerin zu 2 bei Entrichtung der Steuer in ihren Vermögensdispositionen nicht erheblich einschränken müsse. Nach Erlangung des geerbten Vermögens hätte die Antragstellerin zu 2 den zur Begleichung der Erbschaftsteuer erforderlichen Betrag zurücklegen können und müssen, bevor sie anderweitig disponierte. Aufgrund der Höhe des Nachlasses habe sie mit dem Anfall von Erbschaftsteuer rechnen müssen.

Gegen die Beschwerdeentscheidung haben beide Antragsteller Klage erhoben, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Außerdem beantragten sie beim FG, ihnen für die Durchführung des Klageverfahrens Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren.

Das FG lehnte den Antrag auf Gewährung von PKH ab. Es führte aus, daß die mit der Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.

Soweit sie vom Antragsteller zu 1 erhoben worden sei, sei die Klage gemäß § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig. Denn in bezug auf den Antragsteller zu 1 sei kein außergerichtliches Vorverfahren durchgeführt worden; der Antragsteller zu 1 sei nicht Adressat der Beschwerdeentscheidung gewesen. Im übrigen sei der Antragsteller zu 1 nicht klagebefugt i. S. von § 40 Abs. 2 FGO, da er durch den Erbschaftsteuerbescheid vom 19. November 1991 und die Erhebung der Erbschaftsteuer nicht in seinen Rechten verletzt sei; eine nur wirtschaftliche Beeinträchtigung durch die Steuererhebung reiche für die Klagebefugnis nicht aus (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. Juli 1994 VII B 102/94, BFH/NV 1995, 229).

In bezug auf die Antragstellerin zu 2 biete die Klage in der Sache keine hinreichende Erfolgsaussicht. Die Entscheidung der Finanzbehörde über einen Erlaßantrag sei eine Ermessensentscheidung. Die einen Erlaßantrag ablehnende Verfügung könne daher im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 102 FGO nur daraufhin überprüft werden, ob die Ablehnung rechtswidrig sei, weil die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe.

Die Verwaltungsentscheidungen von FA und OFD ließen Ermessensfehler nicht erkennen. Maßgebend für die Ablehnung des von der Antragstellerin zu 2 gestellten Erlaßantrags sei für die OFD in erster Linie der Umstand gewesen, daß der Antragstellerin zu 2 mit der Annahme der Erbschaft eine Bereicherung zugeflossen sei, aus der die Erbschaftsteuer ungeachtet der schweren persönlichen Umstände der Antragstellerin zu 2 hätte bezahlt werden können. Diese Ansicht sei vertretbar und könne vom Senat bei summarischer Prüfung nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden. Sie entspreche den erkennbaren Wertungen des Gesetzgebers. Abweichend von anderen Steuerarten (z. B. Einkommensteuer, Vermögensteuer) sei bei der Erbschaftsteuer ein persönlicher Freibetrag für Schwerbehinderte nicht vor gesehen. Der Gesetzgeber gehe daher ersichtlich davon aus, daß eine Bezahlung der Erbschaftsteuer aus der zugeflossenen Bereicherung auch in diesem Fall grundsätzlich zumutbar sei. Die Antragstellerin zu 2 wäre bei rechtzeitiger Bezahlung der im Vergleich zu der zugeflossenen Bereicherung verhältnismäßig geringfügigen Erbschaftsteuer in ihrer Lebensführung und in den beabsichtigten Vermögensdispositionen nicht wesentlich beeinträchtigt worden. Zwar sei davon auszugehen, daß der Antragstellerin zu 2 nunmehr in Anbetracht der bisherigen hohen Krankheitskosten die Entrichtung der Steuer äußerst schwer falle und sie zu Einschränkungen bei den geplanten Maßnahmen gezwungen sei. Die Beschwerdeentscheidung stelle aber zu Recht darauf ab, daß insoweit der Zeitpunkt des Erbanfalls maßgebend sei. Die Antragstellerin zu 2 hätte rechtzeitig aus der zugeflossenen Bereicherung einen die Erbschaftsteuer deckenden Betrag zurückstellen können und müssen. Der Anfall von Erbschaftsteuer bei -- wie hier -- größerem Erbanfall sei normalerweise auch steuerlich nicht Vorgebildeten geläufig. Spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung der Erbschaftsteuererklärung im Oktober 1991 hätte die Antragstellerin zu 2 mit der Entstehung einer nicht unerheblichen Erbschaftsteuer rechnen können und müssen.

Mit ihrem beim BFH gestellten Antrag begehren die Antragsteller PKH für eine einzulegende Beschwerde gegen die Ablehnung des PKH-Gesuchs durch das FG. Sie tragen vor, sie verfügten nicht über hinreichende Mittel, um einen zur Wahrung ihrer Rechte erforderlichen Rechtsanwalt bezahlen zu können.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf PKH ist unbegründet.

Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Im vorliegenden Fall bietet eine Beschwerde der Antragsteller gegen den die PKH ablehnenden Beschluß des FG vom 24. April 1995 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Ein anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spräche, daß die Ablehnung der PKH durch den angefochtenen Beschluß des FG rechtswidrig wäre (vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 142 Rdnr. 7 m. w. N. aus der Rechtsprechung des BFH). Dies träfe zu, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spräche, daß das FG zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht der von den Antragstellern erhobenen und vor dem FG noch anhängigen Klage gegen die Versagung des Billigkeitserlasses der gegen die Antragstellerin zu 2 bestandskräftig festgesetzten Erbschaftsteuer verneint hat. Dies ist bei summarischer Prüfung zu verneinen.

a) Anhaltspunkte dafür, daß das FG zu Unrecht angenommen habe, daß die Klage des Antragstellers zu 1 schon mangels dessen Klagebefugnis (vgl. § 40 Abs. 2 FGO) unzulässig sei, bestehen nicht: Die Erbschaftsteuer, deren Erlaß die Antragsteller im noch anhängigen Klageverfahren vor dem FG erstreben, wurde allein gegen die Antragstellerin zu 2 festgesetzt. Diese allein hatte den Antrag auf Billigkeitserlaß beim FA gestellt und nur diese ist durch die den Erlaß versagenden Verwaltungsentscheidungen betroffen (beschwert) worden. Zu Recht führt das FG in diesem Zusammenhang aus, daß eine nur wirtschaftliche Beeinträchtigung des Antragstellers zu 1 durch die Ablehnung des Erlasses gegenüber seiner Ehefrau (Antragstellerin zu 2) für eine Klagebefugnis i. S. von § 40 Abs. 2 FGO nicht ausreiche.

b) Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage der Antragstellerin zu 2 verneint hat. Die Gründe, mit denen das FG einen Ermessensfehlgebrauch oder eine Ermessensüberschreitung der Finanzbehörden bei der Versagung des begehrten Billigkeitserlasses verneint hat, sind frei von Rechtsirrtum.

Zutreffend hat das FG auch darauf hingewiesen, daß ihm bei der Überprüfung der den Erlaß ablehnenden Verwaltungsermessensentscheidungen gemäß § 102 FGO nur eine eingeschränkte Kontrollbefugnis zukomme und das Gericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörden setzen dürfe. Gerichtliche Kontrolle und Rechtsschutzgewährung erschöpfen sich bei Ermessensentscheidungen der Verwaltung in der Untersuchung, ob die Finanzbehörden die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer den Zweck der Ermächtigung (§ 227 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben. Ein Urteil darüber, ob eine andere Entscheidung (sach-)gerechter oder zweckmäßiger gewesen wäre, steht dem FG nicht zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421012

BFH/NV 1996, 254

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