Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde: grundsätzliche Bedeutung; Klagebefugnis

 

Leitsatz (NV)

1. Die für die Zulassung der Revision erforderliche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache fehlt, wenn die Rechtsfrage offensichtlich nur so beantwortet werden kann, wie dies in der Vorentscheidung geschehen ist.

2. Die Klagebefugnis ist zu verneinen, wenn nur das wirtschaftliche Interesse des Klägers, nicht aber dessen eigene Rechte gegenüber dem HZA betroffen sind.

 

Normenkette

EGVtr Art. 173 Abs. 3 (jetzt Art. 230 Abs. 3 EG); EMRK Art. 6 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4; AO 1977 § 350; FGO § 40 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 1; MOG § 34 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) kaufte von der D Rindfleischteilstücke zur Ausfuhr in ein Land der Erstattungszone A, die von der D in deren Erstattungslager eingelagert waren. Mit vier Kontrollexemplaren lagerte die D ... kg entbeintes Rindfleisch aus und transportierte es zur Zwischenlagerung nach X. Nach Auslagerung der Ware in X wurde sie nach Y verbracht, um über ein dortiges Vorratslager zur Bevorratung von Seeschiffen zu dienen.

Tatsächlich durchgeführt wurde die Ausfuhr von der Klägerin, die sich in den Verträgen mit D verpflichtet hatte, die einschlägigen EG-Ausfuhrbestimmungen einzuhalten und die aus einer Verletzung der Bestimmungen entstehenden Schäden, Verluste oder sonstigen Rechtsnachteile zu tragen. Sollte die Ware in eine andere als die Erstattungszone A ausgeführt werden, hatte die Klägerin an die D die Differenz zum Erstattungsbetrag für die Zone A zu jeder anderen Bemessung mit einem Aufschlag von 20 % zu zahlen.

Mit Erstattungsbescheid forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -- HZA --) von der D aufgrund der Vorschriften über die Vorfinanzierung ... DM zurück. Das HZA sah weder den Nachweis der Ausfuhr in ein Drittland noch den der Einlagerung in ein Vorratslager als formgerecht erbracht an. Außerdem hielt er eine Abfertigung zum Vorratslager nach der hier anwendbaren Verordnung (EWG) Nr. 1964/92 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1982 L 212/48) betreffend eine "Sondererstattung Rindfleisch" für nicht zulässig.

Die Klägerin legte gegen den Erstattungsbescheid erfolglos Einspruch ein. Sie hatte geltend gemacht, durch den gegenüber der D ergangenen Erstattungsbescheid unmittelbar betroffen zu sein. Dafür bezog sie sich auf die gegenüber der D übernommenen vertraglichen Verpflichtungen und auf ihre Ersatzpflicht gegenüber der D für den Fall, daß der Erstattungsbescheid bestandskräftig würde.

Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage mangels einer Klagebefugnis der Klägerin für unzulässig und wies sie ab.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, in der sich die Klägerin eingehend mit der Vorentscheidung auseinandersetzt, macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Im Revisionsverfahren werde der Bundesfinanzhof (BFH) zu entscheiden haben, ob die Deutung, die das FG den Voraussetzungen für die Klagebefugnis gemäß § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben habe, im Streitfall zutreffend und ob sie insbesondere mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. In diesem Sinne werde die vom BFH zu treffende Entscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit -- auch innerhalb verschiedener Staaten der Gemeinschaft -- und gegebenenfalls der Rechtsentwicklung dienen.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechts sache grundsätzliche Bedeutung hat. Das ist der Fall, wenn es sich um eine Rechtsfrage handelt, deren Entscheidung rechtssystematisch bedeutsam, für die einheitliche Rechtsanwendung wichtig wäre und deshalb im allgemeinen Interesse läge. Der BFH hat zwar noch nicht zu der Frage Stellung genommen, wie die Klagebefugnis in dem Fall zu beurteilen ist, daß ein Kläger, der nicht Adressat des Ausfuhrerstattungsbescheids ist, von ihm wirtschaftlich betroffen ist, weil ihm auf dessen Grundlage Regreßansprüche seines Vertragspartners drohen. Ein allgemeines Interesse an der höchstrichterlichen Entscheidung dieser Frage besteht jedoch nicht, weil diese Rechtsfrage offensichtlich nur so beantwortet werden kann, wie dies in der Vorentscheidung geschehen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. August 1986 VII B 107/86, BFHE 147, 276, BStBl II 1986, 865; vom 15. Dezember 1989 VI B 78/88, BFHE 159, 196, BStBl II 1990, 344; vom 21. Dezember 1988 III B 15/88, BFHE 155, 386, BStBl II 1989, 409).

Das FG hat ausgeführt, daß § 40 Abs. 2 FGO im über § 34 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) eröffneten Finanzrechtsweg uneingeschränkt anwendbar ist und daß diese Vorschrift für das finanzgerichtliche Verfahren die im außergerichtlichen Verfahren geltende Vorschrift des § 350 der Abgabenordnung (AO 1977) ergänzt, nach der für die Rechtsbehelfsbefugnis eine (rechtliche) Beschwer des Rechtsbehelfsführers verlangt wird. In seiner Entscheidung vom 25. April 1978 VII R 2/75 (BFHE 125, 138) hat der Senat bereits zur Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO im Ausfuhrerstattungsrecht Stellung genommen. Darin hat er die Klagebefugnis des Abtretungsempfängers gegen den Erstattungsbescheid im Hinblick auf den ihm abgetretenen Ausfuhrerstattungsanspruch verneint und ausgeführt, daß § 40 Abs. 2 FGO die Klagebefugnis nicht gewährt, wenn der Kläger durch den Verwaltungsakt nicht unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist. Eine Klagebefugnis ist danach nicht gegeben, wenn der Kläger zwar ein (wirtschaft liches) Interesse an den durch den Verwaltungsakt geregelten Beziehungen hat, selbst jedoch durch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht in einer Weise betroffen wird, die sich als eine Verletzung eigener Rechte darstellt. Auch im vorliegenden Fall sind offensichtlich nur das wirtschaft liche Interesse der Klägerin, nicht aber deren eigene Rechte gegenüber dem HZA betroffen. Es ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargelegt worden, weshalb sich aus der nach § 34 Abs. 1 MOG (nur) sinngemäßen Anwendung des § 350 AO 1977 eine Erweiterung der Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO ergeben sollte.

Das FG hat im einzelnen auch zutreffend ausgeführt, daß sich aus dem Gemeinschaftsrecht keine Erweiterung der durch § 40 Abs. 2 FGO beschränkten Klagebefugnis ergibt, weil das Gemeinschaftsrecht das Verfahrensrecht insoweit nicht regelt. Deshalb ist in diesem Zusammenhang unerheblich, daß für die Klägerin in einem vergleichbaren Fall in einem anderen Mitgliedstaat möglicherweise eine Klagebefugnis gegen einen Erstattungsbescheid bestehen soll.

Zu Recht hat die Vorinstanz Art. 173 Abs. 4 (früher Abs. 2) des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), der die Klagebefugnis gegen Entscheidungen betrifft, im vorliegenden Fall nicht als einschlägig angesehen, weil in Art. 173 EWGV nur die Klage zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gegen die in dessen Absatz 1 genannten Organe der Europäischen Gemeinschaft geregelt wird.

Auch die Auffassung des FG zum Verhältnis von Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheit -- MRK -- (BGBl II 1952, 685, 953 m. Ä.) zu § 40 Abs. 2 FGO ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut beider Vorschriften. Sofern Art. 6 Abs. 1 MRK im Streitfall überhaupt einschlägig sein sollte, weil er sich nur auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder eine strafrechtliche Anklage bezieht, ist auch danach rechtliches Gehör -- wie in der Vorentscheidung zutreffend ausgeführt -- nur demjenigen zu gewähren, "dem es um seine Sache geht". Das trifft auch für den nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes gewährleisteten Rechtsschutz zu, der nur demjenigen zusteht, der eigene Rechte verfolgt. Nach den Ausfuhrerstattungsregelungen stehen aber nur der D als Antragstellerin im Ausfuhrerstattungsrecht, nicht aber der Klägerin eigene Rechte zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420078

BFH/NV 1995, 229

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