Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung wegen angeblicher Rechtsfehler

 

Leitsatz (NV)

Behauptete Rechtsfehler eines Richters rechtfertigen grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42

 

Tatbestand

Im Klageverfahren forderte das Finanzgericht (FG) nach Klageeingang den Bevollmächtigten des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf, eine Prozeßvollmacht nachzureichen. Der Bevollmächtigte legte ein von dem Kläger unterzeichnetes Vollmachtformular vor, in dem zwar das Aktenzeichen des anhängigen Klageverfahrens angegeben, aber im Text eine Bevollmächtigung für finanzgerichtliche Verfahren nicht vorgesehen war. Mit Verfügung vom 11. November 1993 wies der Berichterstatter des FG, Richter am Finanzgericht A, den Bevollmächtigten darauf hin, daß sich die vorgelegte Vollmacht nicht auf finanzgericht liche Verfahren beziehe, und gab ihm auf, innerhalb einer Ausschlußfrist bis zum 29. November 1993 eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht vorzulegen.

Mit Schreiben vom 12. November 1993 lehnte der Bevollmächtigte Richter am Finanzgericht A wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte er aus, die Handhabung in der Verfügung vom 11. November 1993 erscheine willkürlich. Die Vollmacht gelte umfassend für gerichtliche und außergerichtliche Verfahren. Die Fristsetzung bis zum 29. November 1993 sei unangemessen. Es werde weitere Erklärungsfrist bis Ende Januar 1994 beantragt.

Der Vorsitzende des Senats, Vorsitzender Richter am Finanzgericht B, teilte mit Verfügung vom 18. November 1993 dem Bevollmächtigten mit, daß die vorgelegte Vollmacht nicht den Anforderungen des § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspreche, und lehnte den Fristverlängerungsantrag ab. Daraufhin erklärte der Bevollmächtigte, daß sich die Ablehnung auch auf den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht B beziehe. Er trug vor, die mittels Formblatt erteilte Vollmacht legitimiere auch für die Bereiche der Finanzverwaltung und Finanzgerichtsbarkeit und sei bisher immer anerkannt worden. Daß nunmehr hiervon aus unsinnigem Formalismus abgewichen werden solle, erscheine willkürlich. Wenn bei einem Fall, in dem die Finanzbehörde selbst mehr als zwei Jahre zur Bescheidung gebraucht habe, jetzt mit unangemessen kurzen Fristen operiert werde, bestehe der Anschein von zweierlei Maß.

Die Richter A und B erklärten sich in dienstlichen Äußerungen für nicht befangen.

Das FG wies das Ablehnungsgesuch zurück. Es führte aus, sofern die abgelehnten Richter hinsichtlich der Reichweite der vorgelegten Vollmacht eine andere Auffassung als der Klägervertreter geäußert hätten, begründe dies nicht die Besorgnis der Befangenheit. Aus der Äußerung von Rechtsansichten und Hinweisen könne nicht auf Unsachlichkeit oder Parteilichkeit geschlossen werden. Die von Richter am Finanzgericht A gesetzte Frist und die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags seien nicht willkürlich oder unangemessen kurz gewesen.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger sinngemäß, den FG-Beschluß aufzuheben und Richter am Finanzgericht A sowie Vorsitzenden Richter am Finanzgericht B wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung trägt er vor, die Entscheidung des FG erscheine willkürlich, da mit zweierlei Maß gemessen werde. Die Vollmacht legitimiere erkennbar für Willenserklärungen jeder Art.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hat sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Ablehnungsgesuch des Klägers zurückgewiesen.

1. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich voreingenommen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung eines objektiven Maßstabs Anlaß hat, Voreingenommenheit des Richters zu befürchten (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555).

2. Die von dem Kläger gegen die Richter A und B vorgebrachten Gründe können nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung nicht die Besorgnis der Befangenheit dieser Richter rechtfertigen.

a) Der Kläger begründet das Ablehnungsgesuch in erster Linie damit, die von seinem Bevollmächtigten vorgelegte Prozeßvollmacht sei zu Unrecht als unzureichend angesehen worden. Darin liegt jedoch kein Ablehnungsgrund. Das Richterablehnungsverfahren soll nicht gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen des Richters schützen. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Das Institut der Richterablehnung dient allein dazu, die Beteiligten vor Unsachlichkeit zu bewahren. Ein Ablehnungsgesuch kann daher grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß von einem Richter im Streitfall selbst oder in einem vorangegangenen Verfahren unrichtige Entscheidungen in materieller oder -- wie vorliegend geltend gemacht -- verfahrensrechtlicher Hinsicht getroffen worden seien (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 110/92, BFH/NV 1993, 174 m. w. N.).

b) Behauptete Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschluß vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708). Derartige Gründe sind hier jedoch nicht ersichtlich. Die beanstandeten Ver fügungen der Richter A und B lassen ent gegen der Annahme des Klägers eine unsachliche Einstellung diesem oder seinem Bevollmächtigten gegenüber oder gar ein willkürliches Verhalten nicht erkennen. Die Vorgehensweise des Richters am Finanzgericht A war vielmehr sachbezogen und aus seiner Rechtsauffassung zu der aufgetretenen Verfahrensfrage -- daß die vorgelegte Prozeßvollmacht nicht den Anforderungen des § 62 Abs. 3 FGO entspreche -- begründet. Der Senat hat keine Veranlassung anzunehmen, der Berichterstatter habe mit den Vertretern der vorbezeichneten Rechtsansicht und der daraus resul tierenden Anforderung einer ordnungs gemäßen Vollmacht innerhalb einer Ausschlußfrist von zweieinhalb Wochen einen Willkürakt begangen. Auch die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht B gibt vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten keinen Anlaß zu der Besorgnis, der Richter könnte nicht fähig sein, in dem Verfahren des Klägers unvoreingenommen und sachlich zu entscheiden. Der Auffassung des Klägers, es werde der Anschein von zweierlei Maß -- und damit von Willkür -- erweckt, wenn das FG kurze Fristen setze, nachdem die Finanzbehörde zwei Jahre bis zur Bescheidung gebraucht habe, vermag der Senat nicht zu folgen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420301

BFH/NV 1995, 419

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