Leitsatz (amtlich)

Eine Krankheit des Steuerpflichtigen kann nur dann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist rechtfertigen, wenn der Steuerpflichtige durch die Krankheit gehindert ist, selbst die (versäumte) Prozeßhandlung vorzunehmen oder einen Bevollmächtigten zu beauftragen.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erhob gegen die Einspruchsentscheidungen, die ihr am 2. Februar 1970 zugestellt worden waren, Klage. Die Klageschrift trägt das Datum 9. März 1970 und ging am 12. März 1970 beim FG ein. Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin, ihr das Armenrecht zu gewähren. Das FG hat das Armenrechtsgesuch abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Klage sei unzulässig, weil sie verspätet erhoben worden sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag, den Beschluß des FG aufzuheben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat der Antragstellerin das Armenrecht mit Recht versagt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO, § 114 ZPO).

Die Frist zur Erhebung der Klage lief am Montag, dem 2. März 1970, ab (§ 47 FGO). Die Klage, die am 12. März 1970 beim FG einging, war daher verspätet und damit unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, da die Antragstellerin nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten (§ 56 FGO). Bedenken bestehen zwar gegen die Auffassung des FG, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitere daran, daß die Antragstellerin die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung versäumt habe. Das Gesetz verlangt nicht, daß in der Nachholung der versäumten Prozeßhandlung ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erblickt werden könne. Nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO kann vielmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch ohne Antrag gewährt werden, wenn die versäumte Prozeßhandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird.

Diese Rechtsfrage braucht indes nicht abschließend geprüft zu werden. Denn die Erkrankung der Antragstellerin stellt keine ausreichende Entschuldigung für die Versäumung der Klagefrist dar. Eine Krankheit des Steuerpflichtigen kann nur dann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, wenn der Steuerpflichtige durch die Krankheit gehindert ist, selbst die (versäumte) Prozeßhandlung vorzunehmen oder einen Bevollmächtigten zu beauftragen (Urteil des BFH III 246/58 U vom 19. Februar 1960, BFH 70, 451, BStBl III 1960, 168). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Antragstellerin hätte nach dem Eintritt ihrer Krankheit einen Vertreter, etwa ihren Ehemann, damit beauftragen können und müssen, die Klage rechtzeitig einzureichen. Daß ihr das nicht möglich gewesen sei, hat sie nicht glaubhaft gemacht. Sie hat am 15. Februar 1970, also nachdem sie erkrankt war, ihrem Steuerberater in einer Steuersache Vollmacht und Weisungen erteilt. Daraus ist zu schließen, daß sie trotz ihrer Erkrankung in der Lage gewesen wäre, Auftrag und Vollmacht zur Klageerhebung zu erteilen. Der Ehemann der Antragstellerin, der als Vertreter in Frage gekommen wäre, war offenbar imstande, die steuerlichen Angelegenheiten der Antragstellerin zu bearbeiten, jedenfalls eine kurzgefaßte Klageschrift einzureichen, die auch nach dem Ablauf der Klagefrist noch ergänzt werden konnte (§ 65 FGO). Denn er hat die Antragstellerin in dem gegenwärtigen Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 10. November 1970 vertreten. Die Antragstellerin hatte ihm - wiederum wegen eigener Erkrankung - dazu Vollmacht erteilt. Nach der Honorarnote des Arztes war der Ehemann der Antragstellerin vom 25. Januar 1970 bis 7. Februar 1970 in ärztlicher Behandlung, somit nicht mehr in der Zeit, in der die Klageschrift rechtzeitig hätte gefertigt und abgesandt werden können. Die Angaben der Antragstellerin darüber, daß sie von ihrem Ehemann getrennt lebe, sind widersprüchlich und außerdem nicht glaubhaft gemacht.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 401

BFHE 1971, 466

NJW 1971, 1480

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