Leitsatz (amtlich)

Es ist ernstlich zweifelhaft im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, ob der zum 1. Januar 1935 festgestellte Einheitswert eines forstwirtschaftlichen Betriebes, der als Bewertungsstützpunkt diente und dessen ha-Satz im RStBl veröffentlicht wurde, zum 1. Januar 1958 wegen des Aufrückens der Holzbestände in höhere Altersklassen fortgeschrieben werden darf.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 22 Abs. 1; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 44; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 45 Abs. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 45 Abs. 3 Nr. 4; FGO § 69

 

Tatbestand

Der forstwirtschaftliche Betrieb des Steuerpflichtigen (Beschwerdegegner) war bei der Einheitsbewertung zum 1. Januar 1935 als Bewertungsstützpunkt behandelt worden. Der Bewertungsbeirat hatte den ha-Satz damals auf X RM festgestellt. Die Entscheidung wurde vom RdF im RStBl 1935, 281 ff. bekanntgegeben. Das FA hatte nach diesem ha-Satz durch Bescheid vom 3. Februar 1936 den Einheitswert des forstwirtschaftlichen Betriebes zum 1. Januar 1935 festgestellt.

Das FA schrieb durch Bescheid vom 4. Juni 1965 den Einheitswert zum 1. Januar 1958 fort, weil "eine Flächenänderung vorliegt und in diesem Zusammenhang der Ertragswert der forstwirtschaftlichen Fläche neu ermittelt worden ist". Es legte der Fortschreibung einen ha-Satz von Y DM zugrunde. Gegen den Bescheid legte der Steuerpflichtige Einspruch ein. Über den Einspruch hat das FA nach den dem Senat vorliegenden Akten noch nicht entschieden.

Der Antrag des Steuerpflichtigen auf Aussetzung der Vollziehung des Einheitswertbescheides zum 1. Januar 1958 wurde vom FA abgelehnt. Der Steuerpflichtige begehrte daraufhin nach § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung beim FG. Das FG ordnete die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung des Bescheids bis zur Erledigung der Hauptsache an, soweit der Bescheid den Einheitswert zum 1. Januar 1935 um ... DM übersteigt. Es führte aus: Das FA dürfe den ha-Satz nicht fortschreiben, da der zum 1. Januar 1935 vom Bewertungsbeirat ermittelte Satz nach §§ 45 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 44 Abs. 2 BewG durch die Bekanntgabe des RdF im RStBl für alle Fortschreibungen und Nachfeststellungen bis zur nächsten Hauptfeststellung rechtsverbindliche Kraft habe. Es könnten nach § 44 Abs. 1 Satz 4 BewG nur Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten berichtigt werden. Für eine Berichtigung sei nicht das FA, sondern die Stelle zuständig, die damals über den ha-Satz entschieden und ihn bekanntgegeben habe. Zulässig sei nur eine Wertfortschreibung wegen Flächenänderung. Die forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksfläche habe sich in der Zeit vom 1. Januar 1935 bis 1. Januar 1958 erhöht. Dies rechtfertige eine Wertfortschreibung von abgerundet 1 400 DM. Dieser Betrag überschreite die Fortschreibungsgrenze des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BewG. Die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Einheitswertbescheids auf den 1. Januar 1958 sei daher zu beschränken auf den Unterschied zwischen den Einheitswerten zum 1. Januar 1935 und 1. Januar 1958 abzüglich einer zulässigen Wertberichtigung von 1 400 DM.

Das FA begehrt mit der Beschwerde die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung. Es meint, es sei an den alten ha-Satz nur gebunden, soweit sich der Sachverhalt seit dem 1. Januar 1935 nicht verändert habe. Im Streitfall habe sich der Sachverhalt verändert, weil durch den Holzzuwachs erhebliche Wertsteigerungen eingetreten seien. Es sei auch zu berücksichtigen, daß der Bewertungsbeirat den Betrieb des Steuerpflichtigen entgegen den Bewertungsrichtlinien im RdF-Erlaß vom 28. Februar 1935 - S 3141 A - 160 III - mit Anlage 2 (RStBl 1935, 420) schematisierend durch Ansatz einer einheitlichen Ertragsklasse und eines einheitlichen Bestockungsgrades für alle Altersklassen einer jeden Holzart bewertet habe. Es habe sich nicht feststellen lassen, warum der Bewertungsbeirat beim Betrieb des Steuerpflichtigen von den Bewertungsrichtlinien abgewichen sei. Das FA habe eine Neuberechnung nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen durchführen müssen, da sonst "Fehler in einem nicht übersehbaren und von einem Betrieb zum anderen wechselnden Ausmaß unterlaufen wären". Der für die Änderung von Einheitswerten von Bewertungsstützpunkten zuständige Landesfinanzminister habe im Streitfall der Fortschreibung des Einheitswerts zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO hat der Senat die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auszusetzen und ggf. aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel sind nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. insbesondere Beschlüsse III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447, BStBl III 1967, 182, und III B 21/66 vom 30. Juni 1967, BFH 89, 92, BStBl III 1967, 533) gegeben, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten.

Der Senat hat im Streitfall ernstliche Zweifel, ob das FA bei Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1958 von einem ha-Satz von Y DM ausgehen durfte. Nach der inzwischen auch vom BVerfG durch Beschluß 1 BvR 687/62 vom 12. Februar 1969 (BStBl II 1969, 364) bestätigten Rechtsprechung des Senats ist der Einheitswert eines forstwirtschaftlichen Betriebs wegen Werterhöhung des Holzbestandes durch das sogenannte Aufrücken der Holzbestände in höhere Altersklassen fortzuschreiben, wenn die Fortschreibung die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG übersteigt (vgl. Urteile des Senats III 42/54 S vom 13. Dezember 1957, BFH 66, 148, BStBl III 1958, 60, und III 237/60 S vom 20. Juli 1962, BFH 75, 721, BStBl III 1962, 530). Hier ist jedoch streitig, ob eine solche Fortschreibung auch bei den Einheitswerten von forstwirtschaftlichen Betrieben zulässig ist, die bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte zum 1. Januar 1935 Bewertungsstützpunkte im Sinne des § 45 Abs. 3 Nr. 4 BewG waren und deren ha-Sätze im RStBl bekanntgegeben wurden. Der Senat hat diese Frage bisher noch nicht entschieden. Geht man von dem Wortlaut des BewG aus, so spricht manches dafür, daß der zum 1. Januar 1935 festgestellte ha-Satz des Bewertungsstützpunkts bis zur nächsten Hauptfeststellung nicht geändert werden darf. Denn der ha-Satz des Bewertungsstützpunkts hat nach § 45 Abs. 2 in Verbindung mit § 44 Abs. 2 BewG durch die Bekanntgabe im RStBl "für die Hauptfeststellung der Einheitswerte und für alle Neufeststellungen (d. h. Fortschreibungen) und Nachfeststellungen bis zur nächsten Hauptfeststellung rechtsverbindliche Kraft". Er kann nach § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 BewG auch "nicht zurückgenommen oder geändert", sondern nur wegen Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten berichtigt werden. Man kann demgegenüber aber auch der Ansicht sein, der ha-Satz zum 1. Januar 1935 habe nur solange rechtsverbindliche Kraft, als die tatsächlichen Verhältnisse gleich geblieben seien, da jede andere Auslegung des Gesetzes zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu den anderen forstwirtschaftlichen Betrieben führen würde.

Der Senat kann diese Zweifelsfrage im Verfahren über die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung nicht entscheiden, da er sonst der Entscheidung im Hauptverfahren vorgreifen würde (vgl. auch Beschlüsse des BFH III B 9/66, a. a. O., und VI S 2/66 vom 15. Februar 1967, BFH 87, 602, BStBl III 1967, 256). Er hält die Umstände, die gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einheitswertbescheids zum 1. Januar 1958 sprechen, jedenfalls für so gewichtig, daß eine Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung in dem vom FG angeordneten Ausmaß gerechtfertigt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68288

BStBl II 1969, 546

BFHE 1969, 115

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