Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet, wenn die Rechtsfrage, der der Beschwerdeführer grundsätzliche Bedeutung beimißt, nicht entscheidungserheblich ist.

2. Zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsnachfolger einer GbR, an die im Umsatzsteuervoranmeldungsverfahren 19 . . Vorsteuerbeträge in Höhe von . . . DM erstattet worden sind. In der Annahme, die Umsatzsteuer 19. . der GbR sei verjährt, erließ der Beklagte und Beschwerdegegener (das Finanzamt - FA -) am . . . gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der GbR einen Umsatzsteuerbescheid, mit dem die Umsatzsteuer 19. . auf 0 DM festgesetzt wurde. In dem Bescheid wurde ferner ausgeführt:

,,Für die Umsatzsteuer 19. . ist eine Verjährung eingetreten. Die im Voranmeldungsverfahren erstatteten Beträge standen unter dem Vorbehalt der später durchzuführenden Umsatzsteuerveranlagung. Kann die Umsatzsteuer 19. . wegen eingetretener Verjährung nicht mehr festgesetzt werden, so sind die vorher erstatteten Beträge zurückzuzahlen."

Dem Bescheid war eine Abrechnung beigefügt, die die Aufforderung an den Kläger enthielt, die im Voranmeldungsverfahren ausgekehrten Vorsteuern in Höhe von . . . DM zurückzuzahlen.

Das Rechtsmittelverfahren gegen diesen Bescheid blieb erfolglos. Der Kläger wandte sich nach erfolglosem Vorverfahren mit der Klage gegen einen ihm später erteilten Abrechnungsbescheid, mit dem die ausgekehrten Vorsteuern zurückgefordert wurden. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im wesentlichen mit folgender Begründung ab:

Der angefochtene Abrechnungsbescheid sei rechtmäßig. Die Zahlungsverpflichtung des Klägers ergebe sich aus § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA habe an die Rechtsvorgängerin des Klägers für das Jahr 19. . . Vorsteuern in Höhe von . . . DM ausgezahlt. Rechts- und Behaltensgrund für diese Zahlungen seien die vom FA anerkannten Umsatzsteuervoranmeldungen der GbR gewesen. Diese Rechtslage habe sich durch den Umsatzsteuerjahresbescheid vom . . . geändert. Denn die vom FA anerkannten Voranmeldungen seien in der Jahressteuerfestsetzung 19. . aufgegangen, mit der der Behaltensgrund i. S. des § 37 Abs. 2 AO 1977 weggefallen sei. Da der Jahressteuerbescheid 19. . eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 0 DM ausweise, werde die Auskehrung der Vorsteuern durch den Jahressteuerbescheid nicht mehr abgedeckt. Diese seien nunmehr zurückzuzahlen.

Der Rückzahlungsanspruch sei auch nicht durch Verjährung erloschen. Denn er sei erst mit dem Erlaß des Jahressteuerbescheids 19. . im Jahre 19. . entstanden und noch innerhalb der Verjährungsfrist durch Bescheid geltend gemacht worden.

Gegen diese Zahlungsverpflichtung könne der Kläger nicht einwenden, der Jahressteuerbescheid, der die Umsatzsteuer auf 0 DM festgesetzt habe, sei wie ein Freistellungsbescheid zu behandeln. Denn dem Inhalt des Umsatzsteuerbescheids sei nicht zu entnehmen, daß der Kläger für 19. . von jeder Umsatzsteuerzahlung bzw. Rückzahlung befreit sein solle. Vielmehr ergebe sich aus dem Bescheid und der ihm beigefügten Abrechnung, daß das FA trotz der Steuerfestsetzung auf 0 DM vom Kläger die ausgekehrten Vorsteuern zurückfordere.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Rechtsauffassung des FG, daß der Null-Bescheid vom . . . Grundlage für den erhobenen Rückforderungsanspruch sei. Der Senat habe zwar mit Urteil vom 22. Juli 1986 VII R 10/82 (BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776) entschieden, daß auch ein auf 0 DM lautender Umsatzsteuerbescheid wegen des inneren Zusammenhangs mit einer einen Vorsteuerüberschuß ausweisenden Umsatzsteuervoranmeldung eine Leistungspflicht begründen könne. In den Urteilsgründen führe der Senat aber aus, daß ein Rechtsbehelf gegen die Festsetzung der Steuern auf null insoweit mangels Beschwer unzulässig sein könne. Diese Auslegung stimme überein mit der Rechtsprechung des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), derzufolge ein Null-Bescheid einem Freistellungsbescheid gleichstehe (Urteil vom 27. November 1984 VIII R 376/83, BFH/NV 1985, 13). Er habe sich dem Urteil des VII. Senats entsprechend verhalten, indem er auf den Freisstellungsbescheid bezogen einen Rechtsbehelfsverzicht erklärt, gleichzeitig aber die Rückforderung der Vorsteuerbeträge durch den genannten Bescheid angefochten habe. Die Rechtssache sei mithin von grundsätzlicher Bedeutung, da die Rechtsprechung des BFH zu Null-Bescheiden nicht einheitlich und auch nicht klar sei.

Von grundsätzlicher Bedeutung sei auch die Frage, ob in Anbetracht des Geschehensablaufs im Streitfalle noch ein Abrechnungsbescheid habe ergehen dürfen, nachdem er den ,,Leistungsteil" des Null-Bescheids angefochten habe.

Ferner wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des FG, der Rückforderungsanspruch sei nicht verjährt. Er meint, der Vorsteuerrückforderungsanspruch des FA müsse als unselbständiger Teil der umsatzsteuerrechtlichen Hauptschuld, die auch das FA als verjährt angesehen habe, zeitgleich mit dieser verjährt sein. Es bedürfe einer grundsätzlichen Klärung, ob bei verjährter umsatzsteuerlicher Hauptschuld der demselben Veranlagungszeitraum zuzuordnende umsatzsteuerliche Erstattungsanspruch des FA noch geltend gemacht werden könne.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Klägers, die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gestützt wird, kann keinen Erfolg haben.

1. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache damit begründet, die Rechtsprechung des BFH zu den Null-Bescheiden sei nicht einheitlich und unklar, bestehen bereits Zweifel, ob die Beschwerdeschrift den (Zulässigkeits-) Anforderungen entspricht, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO für die Begründung der Beschwerde aufstellt. Denn das ,,Darlegen" der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, daß der Beschwerdeführer mindestens konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung über den Einzelfall hinaus eingeht (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Im Streitfall könnte mangels entsprechender Ausführungen des Klägers die allgemeine Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage über Wesen und Bedeutung eines Null-Bescheids allenfalls daraus hergeleitet werden, daß sich die höchstrichterliche Rechtsprechung nach dem Vorbringen des Klägers wiederholt mit dieser Rechtsfrage zu befassen hatte und dabei zu angeblich unterschiedlichen Beurteilungen gelangt ist. Es kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit der Beschwerde in diesem Sinne gegeben ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls in diesem Punkte nicht begründet, da die Rechtsfragen, ob der Null-Bescheid einem Freistellungsbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) gleichsteht und ob und unter welchen Voraussetzungen er anfechtbar ist, im vorligenden Verfahren nicht entscheidungserheblich sind und somit in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden würden.

Gegenstand der Anfechtung und finanzgerichtlichen Überprüfung ist im Streitfall nicht der auf 0 DM lautende Umsatzsteuerbescheid, der nach den Feststellungen des FG zugleich die Rückforderung der ausgezahlten Vorsteuerbeträge beinhaltet, sondern der nachfolgende Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776 für einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt entschieden hat, begründet der Abrechnungsbescheid nicht die Zahlungsverpflichtung, sondern er setzt diese voraus. Der Rückforderungsanspruch gegen den Kläger ergibt sich nach der Vorentscheidung aus dem Umsatzsteuerbescheid 19. ., der neben der Steuerfestsetzung von 0 DM zugleich die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs enthält. Die Vorentscheidung steht damit in Einklang mit dem Urteil des Senats in BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776, in dem ausgeführt wird, daß auch ein auf 0 DM lautender Umsatzsteuerbescheid wegen des inneren Zusammenhangs mit einer einen Vorsteuerüberschuß ausweisenden Umsatzsteuervoranmeldung eine Leistungspflicht begründen kann. Da der Abrechnungsbescheid nur die Feststellung beinhaltet, ob eine bestimmte Zahlungspflicht erloschen ist, können Einwendungen, die sich gegen die Begründung der Zahlungsverpflichtung wenden, nicht im Abrechnungsverfahren geltend gemacht werden (BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776). Das Revisionsgericht könnte im vorliegenden Verfahren nicht überprüfen, ob der vom FA geltend gemachte Vorsteuerrückzahlungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 besteht. Da nach dem bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid 19. . vom Bestehen dieses Anspruchs auszugehen ist, kann im vorliegenden Verfahren auch nicht übeprüft werden, ob FA und FG in den vorangegangenen Verfahren zutreffend von der Anfechtbarkeit dieses Bescheides hinsichtlich des darin geltend gemachten Rückforderungsanspruchs ausgegangen sind. Nach der Entscheidung des Senats in BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776 besteht jedenfalls an der Anfechtbarkeit eines Null-Bescheids, der wegen des inneren Zusammenhangs mit einer vorangegangenen, einen Vorsteuerüberschuß ausweisenden Umsatzsteuervoranmeldung eine Leistungspflicht (Rückzahlungsverpflichtung) begründet, kein Zweifel.

Das vom Kläger angeführte Urteil des I. Senats des BFH in BFH/NV 1985, 13 steht im übrigen mit dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch. Dort wird ausgeführt, daß ein Freistellungsbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) ein Bescheid ist, durch den zum Ausdruck gebracht wird, daß keine Steuer geschuldet wird und daß Freistellungsbescheide regelmäßig auf 0 DM lauten. Diese allgemeinen Rechtsausführungen zum Freistellungsbescheid schließen aber nicht aus, daß sich auf Grund einer besonderen Fallkonstellation - vorausgegangene Umsatzsteuervoranmeldungen mit Vorsteuerüberschüssen -, wie sie im Streitfall und im Urteilsfall BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776 vorgelegen hat, auch bei der Festsetzung der Umsatzsteuerjahresschuld auf 0 DM eine Leistungspflicht des Steuerpflichtigen ergeben kann. Der Senat wäre als Revisionsgericht im übrigen an die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), wonach der gegen den Kläger ergangene auf 0 DM lautende Umsatzsteuerbescheid 19. . zugleich mit einem Vorsteuerrückforderungsbescheid verbunden worden ist.

2. Der Kläger mißt ferner der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, ob in Anbetracht des Geschehensablaufs im Streitfall noch ein Abrechnungsbescheid ergehen durfte, nachdem er den ,,Leistungsteil" (d. h. Rückforderungsbescheid) des Null-Bescheids angefochten habe. Hinsichtlich dieser auf den Streitfall zugeschnittenen Rechtsfrage fehlt es an der Darlegung ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung, so daß die Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls insoweit nicht den Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Im übrigen beinhaltet der Abrechnungsbescheid - wie oben ausgeführt - Feststellungen zum Erlöschen, nicht aber zur Begründung der Zahlungsverpflichtung.

3. Auch hinsichtlich der Rechtsfrage, ob der Rückzahlungsanspruch des FA verjährt sei, fehlt es an der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Kläger behauptet lediglich - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des FG -, daß auch der Rückforderungsanspruch als unselbständiger Teil der umsatzsteuerlichen Hauptschuld verjährt sein müsse, wenn man mit dem FA von der Verjährung des Umsatzsteueranspruchs 19. . ausgehe. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob bei verjährter Hauptschuld der denselben Veranlagungszeitraum betreffende Rückzahlungsanspruch des FA noch geltend gemacht werden kann, ist damit auf die Besonderheit des Streitfalls zugeschnitten. Sie knüpft ferner an die Richtigkeit der Auffassung des FA an, daß die Umsatzsteuer 19. . im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids vom . . . verjährt war, wozu tatsächliche Feststellungen und rechtliche Würdigungen des FG fehlen. Das FG ist im übrigen zu Recht davon ausgegangen, daß der Rückforderungsanspruch des FA nach § 37 Abs. 2 AO 1977 als selbständiger Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO 1977) einer eigenständigen Verjährung unterliegt, die mit der Verjährung der Steuern, deren unrechtmäßige Erstattung hier zurückgefordert wird, nicht übereinzustimmen braucht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416867

BFH/NV 1990, 660

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