Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung bei Verjährung des Einkommensteueranspruchs

 

Leitsatz (NV)

Jeder Beteiligte ist zu einem Klageverfahren wegen eines gegen ihn ergangenen einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheids gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen, wenn eine Folgeänderung von abhängigen Einkommensteuerbescheiden trotz deren Verjährung ihm gegenüber noch in Betracht kommt.

 

Normenkette

FGO § 60 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die aufgrund eines Abbauvertrages an die Steuerpflichtigen A, B und C in den Jahren 1966 und 1967 gezahlten Entgelte als Pachtzins bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen sind.

Nach erfolgloser Klage des A wegen Einkommensteuer 1966 und 1967 hob der BFH mit Urteil vom 6. Februar 1979 VIII R 15/75 das Urteil des FG auf, da über die hier streitige Frage vorgreiflich in einem Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu entscheiden sei.

Das FA stellte daraufhin mit Feststellungsbescheid für 1966 und 1967 vom 19. März 1981 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gegenüber den o. g. Stpfl. bzw. deren Gesamtrechtsnachfolgern gesondert und einheitlich fest.

Nach erfolglosen Einsprüchen des Bf. (Erbe von A), des Kl. zu 2 (Erbe von B) und des beigeladenen C erhoben der Bf. und der Kl. zu 2 jeweils Klage gegen die Feststellungsbescheide vom 19. März 1981. Mit Beschluß vom 12. April 1984 hat das FG die Klagen des Bf. und des Kl. zu 2 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und C gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beigeladen.

Gegen diesen Beschluß hat der Bf. Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, daß der Beigeladene vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unter keinen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten betroffen werde, da seine Steuern für die Streitjahre 1966 und 1967 verjährt seien.

Der Kl. zu 2 regt an, den Beiladungsbeschluß aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.

Gegen den Beschluß über die notwendige Beiladung (§ 60 Abs. 3 Satz 1 FGO) ist die Beschwerde an den BFH gegeben (§ 128 Abs. 1 FGO; vgl. Beschluß vom 15. November 1968 VI B 82/68, BFHE 94, 204, BStBl II 1969, 112; Urteil vom 27. Mai 1981 I R 112/79, BFHE 133, 526, BStBl II 1982, 192). Die im Streitfall vom Beschwerdeführer als Kläger zu 1 des Hauptsacheverfahrens erhobene Beschwerde ist somit statthaft.

Die Beschwerde ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Bf. durch den Beiladungsbeschluß nicht beschwert wäre. Eine Beschwer muß schon deshalb bejaht werden, weil der notwendig Beigeladene (§ 60 Abs. 3 FGO) gemäß § 60 Abs. 6 Satz 2 FGO abweichende Sachanträge stellen kann.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß im Streitfall C gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen war.

Erläßt ein FA einen Bescheid, in dem die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert und einheitlich festgestellt werden, so bindet dieser Bescheid alle an den Einkünften beteiligten Personen.

Wegen dieser rechtlichen Bindung haben die an den Einkünften beteiligten Personen in § 48 Abs. 2 FGO das Recht eingeräumt erhalten, sich im Klageweg gegen den Feststellungsbescheid zu wenden. Machen sie jedoch - wie im Hauptsacheverfahren der Beigeladene - von ihrem Recht keinen Gebrauch, so müssen sie zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen zum Verfahren beigeladen werden (vgl. § 110 Abs. 1 FGO), wenn der Feststellungsbescheid angefochten worden ist (§ 60 Abs. 3 FGO).

Der Senat läßt offen, ob er der Ansicht folgt, daß eine notwendige Beiladung des C unterbleiben könnte, wenn feststünde, daß aufgrund einer Entscheidung über die angefochtenen Grundlagenbescheide eine Folgeänderung der Einkommensteuerbescheide 1966 und 1967 des Beigeladenen nicht mehr vorgenommen werden dürfte, weil die mit der Entscheidung über die Einkünftefeststellung verknüpften Wirkungen den ,,an den Einkünften beteiligten Dritten" (§ 60 Abs. 3 FGO) unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr steuerrechtlich berühren können.

Ein solcher Sonderfall liegt hier nicht vor. Es ist im vorliegenden Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nicht erkennbar, ob die Einkommensteueransprüche 1966 und 1967 gegenüber C verjährt sind. Selbst wenn sie verjährt wären, so könnte nach einer Änderung der Grundlagenbescheide noch eine Folgeänderung zugunsten des Beigeladenen in Betracht kommen (vgl. RFH-Urteil vom 16. Oktober 1941 III 31/41, RStBl 1941, 812; BFH-Urteile vom 22. Oktober 1959 IV 36/59 U, BFHE 70, 61, BStBl III 1960, 24; vom 31. Oktober 1974 III R 130/73, BFHE 114, 12, BStBl II 1975, 253).

Entgegen der Auffassung des Kl. zu 2 ist bei einer Entscheidung über eine notwendige Beiladung nicht zu berücksichtigen, ob der Beigeladene beigeladen werden will, ob er auf eine Beiladung verzichtet hat oder ob die Entscheidung im Hauptverfahren für ihn günstig oder ungünstig sein könnte (Hinweis auf Urteil vom 10. Februar 1966 IV 258/63, BFHE 85, 464, BStBl III 1966, 423; Beschluß in BFHE 94, 204, BStBl II 1969, 112; Urteil vom 24. Juni 1971 IV R 219/68, BFHE 102, 460, BStBl II 1971, 714).

Dem Senat obliegt es nicht zu entscheiden, ob die angefochtenen Feststellungsbescheide - wie vom Beschwerdeführer behauptet - unwirksam sind (Urteile vom 24. Juni 1966 III 47/63, BFHE 86, 394, BStBl III 1966, 520, und vom 28. November 1963 II 103/60, HFR 1964, 126). Anderenfalls würde im Beiladungsverfahren vorweg über die materielle Rechtsfrage entschieden werden. Die Beiladung würde also zu einem wesentlichen Teil von der Entscheidung des anhängigen Hauptsachestreits selbst abhängen. Im Beiladungsverfahren ist der Entscheidung des FG, das im vorliegenden Fall offensichtlich den angefochtenen Feststellungsbescheid für wirksam hält, nicht vorzugreifen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 40

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