Leitsatz

1. Auch Gewinne aus dem Online-Pokerspiel (hier: in der Variante "Texas Hold’em") können als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer unterliegen (Fortführung der BFH-Urteile vom 16.09.2015 ‐ X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48 – Turnierpoker –, und vom 25.02.2021 ‐ III R 67/18, BFH/NV 2021, 1070 – Casinopoker –).

2. Die erforderliche Abgrenzung zu privaten Tätigkeiten richtet sich bei Spielern – ebenso wie bei Sportlern – danach, ob der Steuerpflichtige mit seiner Betätigung private Spielbedürfnisse gleich einem Freizeit- oder Hobbyspieler befriedigt oder ob in der Gesamtschau strukturell-gewerbliche Aspekte entscheidend in den Vordergrund rücken. Für das insoweit maßgebliche "Leitbild eines Berufsspielers" ist vor allem das planmäßige Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz "beruflicher" Erfahrungen prägend.

3. Bei einem Online-Pokerspieler ist der Raum, in dem sich der Computer befindet, von dem aus der Spieler seine Tätigkeit ausübt, als Betriebsstätte anzusehen, wenn der Steuerpflichtige über diesen Raum eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Sofern diese Betriebsstätte sich im Inland befindet, unterliegt die Tätigkeit der Gewerbesteuer (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 25.02.2021 – III R 67/18, BFH/NV 2021, 1070, Rz 28 – Casinopoker –).

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 GewStG, § 12 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Mathematikstudent, spielte in seinem Kinderzimmer im Streitjahr 2009 mit steigenden Einsätzen bei vier Online-Portalen Cash Games (Einzelspiele) in der Variante "Texas Hold’em/Fixed Limit". Er nutzte während seiner Online-Spiele eine Analysesoftware, die umfangreiche statistische Auswertungsmöglichkeiten über das Spielverhalten der jeweiligen Mitspieler während ihrer Spiele mit dem Kläger bot. Seine Spielzeit – teilweise an vier virtuellen Tischen parallel – betrug im zweiten Halbjahr 2009 673 Stunden. Insgesamt spielte der Kläger im Zeitraum von 2009 bis 2013 784.314 Einzelspiele. Der Kläger ist – anders als das FA – der Auffassung, die von ihm gespielte Online-Pokervariante sei ein Glücksspiel, sodass seine (erheblichen) Gewinne nicht ertragsteuerpflichtig seien. Die Klage hatte teilweise Erfolg, weil das FG davon ausging, der Kläger sei erst seit Oktober 2009 gewerblich tätig gewesen (FG Münster, Urteil vom 10.3.2021, 11 K 3030/15 E,G, Haufe-Index 14495193).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen aufgezeigten Gründen keinen Erfolg. Die Entscheidung des FG, die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Online-Pokerspieler ab Oktober 2009 als gewerblich anzusehen, hielt einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.

 

Hinweis

Erfolgreiches Pokerspielen kann zu steuerpflichtigen gewerblichen Einkünften führen, unabhängig davon, ob es sich um Turnier-, Casino- oder – wie im Besprechungsurteil – um Online-Poker handelt.

1. Auch bei einem Online-Pokerspieler kann eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gegeben sein.

Zunächst kann eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht bereits unter dem Gesichtspunkt des reinen Glücksspiels ausgeschlossen werden, weil auch bei dem Online-Pokerspiel (in der Variante "Texas Hold’em") die Geschicklichkeitselemente selbst bei einem Durchschnittsspieler überwiegen. Im Gegensatz zu reinen Glücksspielen ist Poker durch eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten der Spieler geprägt, die den Spielausgang in erheblichem Umfang beeinflussen können. Zwar ist die Verteilung der Karten auf die Spieler vom Zufall abhängig. Die eigentliche Prägung des Spiels geschieht aber durch die individuellen Entscheidungen der Spieler darüber, wie sie auf diese Karten reagieren, insbesondere ob, wann und in welcher Höhe sie Einsätze leisten.

Wie aber stellt sich eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr bei einem Pokerspieler dar?

Ein Turnierpokerspieler beteiligt sich dadurch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, dass er zahlreichen Turnierveranstaltern die öffentliche Darbietung seiner Fähigkeiten anträgt und ihm hierfür als Entgelt ein von seiner Platzierung abhängiges Preisgeld in Aussicht gestellt wird.

Bei einem Casinopokerspieler wird eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bejaht, wenn die Gewinnchance nicht auf Preisgeldauslobungen eines Turnierveranstalters, sondern auf den verlorenen Einsätzen der Mitspieler beruht. Die Betätigung nach außen hin ist für Dritte erkennbar und die Leistung wird in einem Umfeld angeboten, das in besonderem Maße von der Anwesenheit spielgeneigter Personen geprägt wird. Die erforderliche Leistung des Steuerpflichtigen besteht in der Teilnahme an dem Spiel und in der Zusage, den jeweiligen Einsatz zu erbringen.

Entsprechendes gilt für den Online-Pokerspieler: Dieser tritt wie der Casinopokerspieler nicht mit einem Spielveranstalter, sondern mit seinen Mitspielern in Rechtsbeziehungen. Seine Leistung besteht in der Teilnahme an den Spielen und in der Zusage, entsprechend den Teilnahmebedingungen seinen Ein...

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