Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbliche Einkünfte aus Online-Pokerspielen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Steuerpflichtiger, der Online-Pokerspiele in der Spielvariante Texas Hold’em betreibt, kann daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen.

2) Die Grenze zwischen der Ausübung eines Hobbies und einem „berufsmäßigen” Spielen ist fließend.

3) Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung ist überschritten und das Pokerspielen gewerblich, wenn der Steuerpflichtige als erfahrener „Marktteilnehmer” seine Erfahrungen planmäßig durch das Spielen von mehr als 750.000 Händen in einem Zeitraum von 4 ¼ Jahren verwertet und er aufgrund seiner Erfahrungen im Gesamtergebnis mit einem Spielerfolg und der Erzielung von regelmäßigen Einnahmen rechnen konnte.

 

Normenkette

EStG § 15

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.02.2023; Aktenzeichen X R 8/21)

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen des Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Messbetragsbescheids für 2009, ob die Gewinne des Klägers aus dem Spielen von Online-Poker steuerpflichtige Einkünfte bzw. der Gewerbesteuer unterliegende Gewinne darstellen.

Der Kläger ist im Streitjahr 2009 zwanzig Jahre alt geworden, war ledig und wohnte in dem elterlichen Haushalt. Seine Schulausbildung schloss er im Sommer 2008 mit der Allgemeinen Hochschulreife ab. Er absolvierte seit dem Wintersemester 2008/2009 den Bachelor-Studiengang Mathematik mit dem Nebenfach Physik an der Universität A. Die Vorlesung Analysis 1 (Vorlesungsveranstaltungen, Tutorium und Klausur) hatte er bereits im Wintersemester 2005/2006 im Rahmen des Programms „Studieren ab 16” an der Universität A besucht. Dieses Programm lief neben der Schule. Er war für die Universitäts-Veranstaltungen vom Schulunterricht freigestellt worden. Den an das Bachelor-Studium anschließenden Master-Studiengang Mathematik mit dem Schwerpunkt Analysis beendete er im Frühjahr 2015.

Der Kläger spielt seit September 2007 – neben weiteren Computerspielen – im Internet in sog. Einzelspielen (Cash-Games) Poker (im Folgenden: Online-Poker) in der Spielvariante Texas Hold'em. Mit dem Pokern fing er auf einen Hinweis eines Kollegen aus seinem Schachverein hin an. Er sei auf ein Pokerforum und dort enthaltene Artikel für Einsteiger hingewiesen worden. Aufgrund der Teilnahme an einem Quiz habe er dann ein Spielguthaben von 50 US-Dollar für Online-Pokerspiele erhalten, welches er bei dem Online-Pokeranbieter B habe nutzen können. Er habe zunächst Cent-Beträge als Einsätze (sog. Blinds) genutzt; in 2007 ca. 0,10 bis 0,25 US-Dollar pro Einsatz und in 2008 ca. 0,25 bis 0,50 US-Dollar. Er erzielte bis Ende 2008 einen Gesamtgewinn von ca. 1.000 US-Dollar, der sich auf ca. 250 US-Dollar im Jahr 2007 und ca. 750 US-Dollar im Jahr 2008 verteilte. Im Jahr 2008 nahm er an zwei „Online-Turnieren” auf dem Online-Portal B teil. Für die Turniere habe sich – wie der Kläger ausführt – jeder gegen die Zahlung eines Buy-Ins von 11 US-Dollar registrieren können und habe bei einer guten Platzierung ein Preisgeld erhalten. Die Dauer seiner Teilnahme bis zu seinem Ausscheiden bei den Turnieren habe jeweils ca. drei Stunden betragen. Die Spielzeiten, in denen er 2007 und 2008 Online-Poker spielte, betrugen geschätzt fünf bis zehn Stunden im Monat, wobei genaue Zeitverteilungen und eine genaue Bestimmung der monatlichen Zeiten nicht mehr rekonstruierbar sind.

Der Kläger spielte im Streitjahr 2009 bei vier Online-Portalen (C, B – mit zwei Benutzernamen/Nicknames –, D, E) Poker. Bei B spielte der Kläger mit den Benutzernamen X und Y, wobei es sich um einen Wechsel des Benutzernamens handelte, d.h. er spielte nicht zeitgleich mit beiden Benutzernamen. Ab ca. Frühjahr 2009 spielte er daneben noch auf dem Online-Portal D, ab dem 15.08.2009 bei C und ab dem 19.10.2009 bei E. Turniere spielte er im Streitjahr 2009 nicht.

Seine Einsätze erhöhte der Kläger ab Anfang des Jahres 2009 über einstellige zu einem niedrigen zweistelligen US-Dollar-Betrag. Ab und zu spielte er auch mal bis zu 50 US-Dollar-Einsätze, was seinen Angaben nach aber selten vorkam.

Er spielte im Jahr 2009 insgesamt geschätzte 446 Stunden, die sich wie folgt aufteilen: Januar bis Mai je 15 Stunden, Juni 20 Stunden, Juli 37 Stunden, August 39 Stunden, September 125 Stunden, Oktober 55 Stunden, November 40 Stunden, Dezember 55 Stunden. Für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 lagen insoweit keine Daten mehr vor, so dass es sich um reine Schätzungen handelte. Die Stundenangaben sowie die Aufteilung auf die einzelnen Monate sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

Bei diesen Stundenangaben handelt es sich um die tatsächlich von dem Kläger aufgewendeten Stunden, d.h. die Stunden, in denen er vor dem Computer gesessen und Online-Poker gespielt hat. Soweit man die von den Online-Portalen jeweils angegebenen Spielzeiten zusammenrechnet, ergibt sich für Juli bis Dezember 2009 – für den Zeitraum, in dem noch Daten vorlagen – eine Gesamtspielzeit von 673 Stunden, die sich wie folgt aufteilt:

Stunden

tatsächlich

Spieldauer

C

B

D

E

Summe

aufgewendet

Jul 09

0,00

...

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