Leitsatz

1. Der Tarifvergünstigung unterliegt eine Entschädigung abzüglich der sachlich unmittelbar mit ihr in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten.

2. Fallen mit der Entschädigung zusammenhängende Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten in einem der Vereinnahmung der Entschädigung vorausgehenden Besteuerungszeitraum an, mindern sie die regelbesteuerten Einkünfte dieses Zeitraums. Entsprechend mindert sich der dem ermäßigten Tarif unterliegende Betrag in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Entschädigung als Einnahme zu erfassen ist.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 EStG , § 34 EStG

 

Sachverhalt

Die klagende OHG hatte im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen für Handelsvertreter in zwei Fällen im Jahr 1993 ein Schiedsgericht angerufen. Das eine Schiedsverfahren endete im Dezember des Folgejahrs, das andere Verfahren im Januar 1995. Im Jahr 1993 hatte die OHG einen Kostenvorschuss an ihren Rechtsanwalt gezahlt. Außerdem hatte sie eine Rückstellung für weitere Verfahrenskosten gebildet. Im Jahr 1994 erfasste die OHG die aus beiden Schiedsverfahren erhaltenen Ausgleichszahlungen von ca. 3,5 Mio. DM.

Das FA war der Auffassung, die im Jahr 1993 angefallenen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Schiedsverfahren seien im Jahr 1994 von den erhaltenen Entschädigungen abzuziehen. Der Differenzbetrag von ca. 3,1 Mio. DM sei im Jahr 1994 tarifermäßigt zu besteuern. Dieser Auffassung schloss sich auch das FG an.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Der Tarifermäßigung unterliege der Nettobetrag einer Entschädigung. Fielen Betriebseinnahme und bei Geltendmachung der Entschädigung entstandene Betriebsausgaben nicht in demselben Gewinnermittlungszeitraum an, seien die Ausgaben zwar dem Geschäftsjahr zuzuordnen, in dem sie nach allgemeinen Grundsätzen der Gewinnermittlung angefallen seien. Im Jahr der Vereinnahmung der Entschädigung unterliege diese aber nur in Höhe des Betrags dem ermäßigten Einkommensteuertarif, der nach Abzug aller im Zusammenhang mit der Entschädigung in den verschiedenen Geschäftsjahren angefallenen Betriebsausgaben verbleibe.

Das FG müsse noch prüfen, ob die im Jahr 1993 gebildete Rückstellung zutreffe und ob Ansprüche aus dem im Januar 1995 beendeten Schiedsverfahren zu Recht im Jahr 1994 als Forderung erfasst worden seien.

 

Hinweis

1. Wenn § 24 Nr. 1 und § 34 Abs. 2 EStG regeln, dass Entschädigungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, ist damit nach heute einhelliger Auffassung eine Begünstigung der Netto-Entschädigung gemeint. Ermäßigt besteuert werden die Einnahmen abzüglich der durch sie veranlassten Ausgaben.

2. Dies wirft keine besonderen Probleme auf, wenn die Entschädigungsleistung und die zugehörigen Ausgaben in demselben VZ angefallen sind. Im Besprechungsfall waren die Ausgaben aber in einem früheren Jahr angefallen.

Wenn Streit über den Entschädigungsanspruch besteht, wird der Anspruchsteller nicht selten zunächst einmal einen Anwalt beauftragen und ein Gerichtsverfahren bzw. wie im Besprechungsfall ein Schiedsverfahren anstrengen. Dies ist mit Kosten verbunden, die möglicherweise viele Jahre vor Erhalt der Entschädigung anfallen, etwa wenn der Prozess über mehrere Instanzen geführt wird.

Fallen Entschädigung und zugehörige Ausgaben in verschiedenen VZ an, sind zwei Methoden denkbar, die Tarifermäßigung der Netto-Entschädigung sicherzustellen: Man kann entweder die Ausgaben erst in dem Jahr als Betriebsausgabe/Werbungskosten abziehen, in dem die Entschädigung anfällt. Oder man belässt die Ausgaben in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie nach allgemeinen Grundsätzen anfallen, wendet den ermäßigten Steuersatz im Jahr der Vereinnahmung der Entschädigung aber nur auf den Nettobetrag der Entschädigung an.

Der BFH hat sich hier für die zweite Methode entschieden. Die Ausgaben mindern also im Jahr ihres Entstehens die dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Einkünfte. Dafür wird ein entsprechender Teil der Entschädigung im Jahr ihrer Vereinnahmung ebenfalls mit dem vollen Steuersatz belastet.

3. Diese Handhabung wird wohl nicht nur für Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG, sondern auch für alle anderen Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG gelten, denn alle diese Entschädigungen werden in § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG gleichgestellt.

Beachten Sie aber, dass bei Veräußerungs- und Aufgabegewinnen gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG anders verfahren wird. Der BFH hat hier eine sog. "Attraktivkraft" des Aufgabe- oder Veräußerungsvorgangs angenommen (BFH, Urteil vom 6.10.1993, I R 97/92, BStBl II 1994, 287). Sie bewirkt, dass alle Ausgaben in den VZ der Aufgabe oder Veräußerung gezogen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.8.2004, IV R 5/03

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