Im Fall war gegen die klagende Person ein Einkommensteuerbescheid ergangen, der auf einer Schätzung ihrer gewerblichen Einnahmen aus Straßenprostitution beruhte. Gegen diesen Bescheid erhob sie einen Monat nach fristgerechter Einlegung eines Einspruchs Anfechtungsklage. Eine Einspruchsentscheidung war noch nicht ergangen. Einen Tag nach der Klageerhebung erging ein Abhilfebescheid, mit dem der Beklagte die Steuer auf null Euro festsetzte, da aufgrund der Einschränkungen die infolge der Covid-19-Pandemie für die Ausübung der Straßenprostitution im Streitjahr 2020 gegolten hätten, nicht mit einem Gewinn zu rechnen gewesen sei. Die klagende Person wollte das Verfahren dann unter Berufung auf eine Wiederholungsgefahr als Fortsetzungsfeststellungsklage fortsetzen.

Das FG verwarf die Klage fünf Monate nach deren Eingang als unzulässig, da das Vorverfahren entgegen § 44 FGO nicht erfolglos geblieben sei und außerdem keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe, da die Einschränkungen für die Straßenprostitution aufgrund der Covd-19-Pandemie nicht mehr gelten würden.

Dieser Rechtsansicht folgte der BFH mit dem von ihm zu erlassenden Beschluss im Prozesskostenhilfeverfahren nur bezüglich des Ergebnisses, dass die Klage unzulässig sei.

Die Argumentation des FG, aufgrund der Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen der Ausübung der Prostitution habe sich die Situation in den Folgejahren im Vergleich zum Jahr 2020 derart geändert, so dass keine Wiederholungsgefahr in Bezug auf eine Einkommensteuerfestsetzung bestehe, bezeichnete das Gericht als einen Verstoß gegen die Denkgesetze. Denn wenn die antragstellende Person in den Jahren ab 2021 wieder höhere Einnahmen aus der Straßenprostitution erzielen könne, sei eine Einkommensteuerfestsetzung für diese Veranlagungszeiträume – bei unveränderter Rechtsauffassung des FA – wahrscheinlicher als im Streitjahr 2020.

Auch sei nicht zutreffend, dass das Vorverfahren erfolglos geblieben sei. Es sei vielmehr zu berücksichtigen, dass die Klage vor dem Ergehen des Abhilfebescheides erhoben sei. Bei dieser Konstellation sei die Klage als Untätigkeitsklage erhoben worden, weshalb die Voraussetzungen der §§ 45, 46 FGO zu prüfen seien, was das FG unterlassen habe. Da die Klage vor Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 FGO erhoben worden sei und das FG auch innerhalb dieser Frist entschieden habe, sei die Klage bei der Erhebung unzulässig gewesen und habe auch nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen können. Der Übergang von einer Untätigkeitsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage setze aber u.a. voraus, dass im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses alle für die ursprüngliche Klage vorgesehenen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt waren. Da dies bezüglich der Untätigkeitsklage nicht der Fall gewesen sei, habe sie auch nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden können.

BFH v. 30.12.2022 – X S 15/22 (PKH)

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